»Hier triffst du jeden Tag zehn Legenden«
Ex-Rapidler Maximilian Wöber hat sich bei Ajax auf Anhieb ein Stammleiberl erspielt. Der 19-Jährige erzählt von den Verlockungen in Amsterdam, was er von seiner Rekordablöse hält und wer die Chefs im ÖFB-Team sind.
Kein Österreicher hat je für eine höhere Ablösesumme die Bundesliga verlassen als der 19-jährige Maximilan Wöber. Der Wiener hat innerhalb eines Jahres einen raketenhaften Aufstieg hingelegt, von der Regionalliga Ost über die Kampfmannschaft von Rapid bis hin zu Ajax Amsterdam. 7,5 Millionen Euro hat der holländische Rekordmeister im Sommer für den Verteidiger auf den Tisch gelegt, wenige Wochen später erspielte er sich beim Traditionsklub einen Stammplatz. Im Oktober gab er auch noch sein Debüt im österreichischen Nationalteam.
Weihnachten hätte Wöber in der Amsterdam-Arena verbringen sollen, Ajax trifft am Heiligen Abend auf Willem II Tilburg (14.30 Uhr, live dazn.com). Die Familie wäre zum Weihnachtsfrühstück eingeflogen, nach der Partie sollte es zurück nach Wien gehen. Doch vor gut einer Woche musste er beim 3:1-Sieg gegen Excelsior mit der Bahre vom Platz getragen werden. Das Innenband im Knie ist etwas eingerissen, auch die Hüfte macht Probleme. Drei bis vier Wochen muss er pausieren, „zum Beginn der Vorbereitung bin ich wieder fit“, sagt Wöber, ab 8. Jänner steigt ein Trainingslager in Portugal. Die Verletzung hat auch ihr Gutes, der Heimatbesuch dürfte nun etwas länger ausfallen. Man könnte meinen, Amsterdam biete viele Verlockungen für einen Jungprofi? Maximilian Wöber: Es gibt so viel anzusehen, viele Museen, wir waren im AnneFrank-Haus, in der Banksy-Ausstellung, im Van-Gogh-Museum. Natürlich hat Amsterdam gewisse Reize zu bieten. Das Nachtleben ist ähnlich wie in Wien, aber ich kann ja schwer unter der Saison um die Häuser ziehen. Da muss man professionell genug sein und sich den richtigen Zeitpunkt aussuchen, nach der Saison oder wenn es eine Pause gibt, um einmal die Clubs zu erkunden und auch ein wenig Dampf abzulassen. Das ist ja auch wichtig. Die Ajax-Mannschaft ist im Schnitt nur 23,2 Jahre alt, ein Vorteil zu Beginn? Als ich nach Holland gekommen bin, ist mir als Erstes aufgefallen, dass die Menschen alle viel offener sind. Am ersten Tag habe ich 50 Leute kennengelernt und von jedem gleich die Handynummer bekommen. Amsterdam zeigen, vom Hotel abholen, etwas essen gehen – sie sind einfach irrsinnig hilfsbereit. Und die Mannschaft ist sehr jung, die meisten sind in meinem Alter, es war sofort eine Verbindung da, ich verstehe mich mit allen extrem gut. Zuerst haben Sie Sportdirektor Marc Overmars aber einen Korb gegeben. Ende Juni war ich in Amsterdam und habe das erste Angebot bekommen. Ich habe mir die Infrastruktur, das Stadion angesehen und mit Overmars besprochen, was der Verein mit mir vorhat. Dann habe ich mich gegen einen Wechsel entschieden. Es war damals geplant, dass ich in der ersten Mannschaft trainiere, aber eher in der zweiten spiele. Da war für mich klar, dass es gescheiter ist, bei Rapid in der Bundesliga zu spielen, wo das Niveau auch ein gutes und auf jeden Fall besser ist als in der zweiten holländischen Liga. Wie kam es zum Sinneswandel? Im August haben sie noch einmal angerufen und gemeint, dass sie Davinson Sanchez´ verkaufen werden, wenn ich komme (der kolumbianische Innenverteidiger wechselte für 40 Millionen Euro zu Tottenham, Anm.). Ich habe also eine gute Chance auf einen Stammplatz. Da habe ich nicht mehr viel überlegen müssen. Es ist Ajax Amsterdam, einer der besten Vereine in Europa, der irrsinnige Erfolge gefeiert hat und gerade im Finale der Europa League stand. Das war auf jeden Fall der richtige Schritt. 7,5 Millionen Euro Ablöse, damit sind Sie der teuerste Ajax-Einkauf dieser Saison. Was löst diese Summe bei einem 19-Jährigen aus? Das ist ein Zeichen, dass der Klub mit mir für die Zukunft plant, dass sie wirklich etwas vorhaben und nicht einfach sagen: Der ist billig, den kaufen wir und schauen einmal, was passiert. Sie wissen, was sie an mir haben, sonst würden sie keine siebeneinhalb Millionen ausgeben. Für einen jungen Spieler hört sich das natürlich bombastisch an. Wenn man von Neymar und 222 Millionen hört, ist das sicher auch den steigenden Marktpreisen geschuldet. Rijkaard, De Boer, Seedorf, Davids, Litmanen, Kluivert – in der goldenen Ajax-Ära waren Sie noch gar nicht geboren. Dennis Bergkamp hat bei uns das Stürmertraining gemacht, ihn habe ich noch ein wenig gesehen. Aber natür- lich kenne ich sie, auch durch „Fifa“, das Playstation-Spiel. Dort kann man auch mit den Legenden spielen, und auf einmal scheinen lauter Ajax-Spieler auf. Das ist schon einzigartig, wenn du an einem normalen Trainingstag zehn Fußballlegenden triffst und ganz normal mit ihnen reden kannst. Die waren vor 20 Jahren wirklich Weltstars wie Cristiano Ronaldo oder Messi heute. Auch Sie sind überraschend schnell zum Stammspieler geworden. Auch für mich war es überraschend, dass es so schnell gegangen ist. Es war ja eine riesige Umstellung zu Beginn. Einfacher ist es geworden, als ich meine eigene Wohnung bekommen habe, einen Platz, an dem ich mich zurückziehen und wirklich einmal abschalten konnte. So habe ich mich wirklich nur auf Fußball konzentrieren können. Und dann habe ich eben die Chance gegen Herenveen bekommen und sie genutzt (Ajax gewann 4:0, Wöber traf zum Endstand, Anm.). Seither habe ich immer gute Leistungen gezeigt. Natürlich ist das hier schon auf einem anderen Level. Wobei ich sagen muss, dass Rapid sehr professionell aufgestellt ist. Es gibt natürlich die eine oder andere Sache, die man verbessern kann. Aber es sind zwei Klubs mit zwei sehr unterschiedlichen Budgets, das kann man jetzt nicht unbedingt vergleichen. Rapid vergrößert den Stab immer weiter, versucht, ein neues Trainingszentrum zu bauen – es wird wirklich daran gearbeitet, an die Weltspitze heranzukommen. Also Rapid macht schon einiges sehr richtig.