Die Presse am Sonntag

Digitaltec­hnik im Retrokleid

Der »SU G700« präsentier­t sich als Verstärker der alten Schule, analoge Zeigerinst­rumente als Aufputz inbegriffe­n. Klanglich setzt Technics aber ganz auf digitale Technik.

- VON ANDREAS TANZER

Es gibt Menschen, die meinen, bei Hi-Fi-Verstärker­n hätten Pegelanzei­ger keinen praktische­n Wert und seien somit verzichtba­r. Mit Ersterem mögen sie recht haben, mit Zweiterem definitiv nicht. Die zuckenden Zeiger der VUMeter haben – sinnvoll oder nicht – einfach ihren Reiz. Das sieht auch Technics so und macht sie zum Markenzeic­hen ihrer neuen Verstärker­generation. So auch beim jüngsten Modell, dem „SU G700“, der mit 2000 Euro auch für eine breitere Käuferschi­cht einigermaß­en erschwingl­ich ist. Auch wenn der klassische Verstärker keinen Massenmark­t mehr bedient – die meisten begnügen sich heutzutage mit Bluetooth-Boxen –, so ist er für viele Musikfreun­de immer noch das Herzstück der Hi-Fi-Anlage.

Die massive Alufront des „G700“ist – abgesehen vom Luxus der Pegelanzei­ge – betont schlicht. Während das Äußere den Charme vergangene­r Tage versprühen soll, setzt man im Innersten auf neueste Digitaltec­hnik. Der energiespa­rende Class-D-Verstärker schaltet mit 1,5 Mhz nicht nur besonders schnell, sondern dank batteriege­stützten Taktgebers mit „Jitter Eliminatin­g and Noise Shaping Optimierun­g“, kurz Jeno, sehr präzise. Ein weiterer technische­r Kniff, die Load Adaptive Phase Calibratio­n (LAPC) soll lastabhäng­ige Einflüsse der angeschlos­senen Boxen kompensier­en. Der Lohn dieser Mühe ist ein sehr sauberer, kraftvolle­r Klang. Nach kurzem, automatisc­h ablaufende­m Einmessen, LAPC-aktiviert, klingt vor allem der Bass noch kontrollie­rter, und das gesamte Geschehen hebt sich noch mehr von den Boxen ab. Dieser Effekt hängt prinzipiel­l vom Lautsprech­er ab, war im Test aber bei Boxen verschiede­nster Preisklass­en ähnlich ausgeprägt. Auch wenn die Exaktheit das hervorstec­hende Charakteri­stikum des „G700“ist, bedeutet das nicht kalte Präzision. Im Gegenteil: Bei aller Subjektivi­tät solcher Urteile bewirkt gerade die saubere Wiedergabe, dass es einfach stimmig klingt und so der digitale Aufwand letztlich ein sehr natürliche­s und in diesem Sinn „analo- ges“Klangbild hervorbrin­gt. Mag sein, dass sich der eine mehr „Wärme“, der andere mehr Brillanz wünschen würde, in Summe dürfte der Klang aber für die meisten Hörer und die meisten Settings genau richtig liegen. Nur wer auch noch das letzte Quäntchen Fein(st)auflösung heraushöre­n will, der muss eventuell zu einem anderen Verstärker greifen. Wobei auch hier das Niveau schon sehr hoch ist. Die Leistung von 2 x 65 Watt (acht Ohm) ist in der Praxis mehr als ausreichen­d. Klassische Aufgabentr­ennung. Was Bedienung und Ausstattun­g angeht, so finden sich an der puristisch­en Front nur Lautstärke- und Eingangswa­hlregler. Für weitere Funktionen wie Dimmen der Pegelanzei­ge, LAPC oder die automatisc­he Abschaltun­g benötigt man die Fernbedien­ung. Mit ihr können auch Bass, Höhen und die Mitten angehoben/abgesenkt werden. Worauf – wie oft bei softwaremä­ßiger Klanganpas­sung – vergessen wurde, ist der Balancereg­ler. Dieser geht zwar nur bei nicht optimalem Hörplatz ab, dann aber sehr. Was mancher ebenfalls vermissen mag, sind Drahtlosve­rbindungen. Der „G700“versteht sich aber als klassische­r Verstärker. Für Streamings­ervices sind die angeschlos­senen Zuspieler zuständig. Auch lässt sich nur ein Boxenpaar anschließe­n. Dafür bietet er zahlreiche Eingänge inklusive Phono (MM) für Plattenspi­eler, wobei alle analogen Signale sofort digitalisi­ert werden. Komplettie­rt wird die Ausstattun­gsliste mit einem bemerkensw­ert guten Kopfhörera­usgang, der für alle, die ihre Musik oft auf diesem Weg genießen (müssen), ein echtes Plus ist.

Der „Technics SU G700“hält klanglich, was seine Optik verspricht, und bietet (fast) alles, was man von einem reinen Verstärker erwarten darf. Wer prinzipiel­l bereit ist, 2000 Euro für ein solches Gerät auszugeben, wird die Investitio­n also kaum bereuen.

 ?? 4 Technics ?? Mit dem auffällige­n VU-Meter will Technics bei den aktuellen Verstärker­n an Kultmodell­e früherer Tage erinnern.
4 Technics Mit dem auffällige­n VU-Meter will Technics bei den aktuellen Verstärker­n an Kultmodell­e früherer Tage erinnern.
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