Mission Sierra Leone: Der Einsatz der Clowns im Krisengebiet
Wenn die Gesundheitsversorgung mangelhaft ist, das Sterben zum Alltag gehört und die Menschen kaum Vertrauen in die Medizin haben – können die Rote Nasen Clowndoctors in einer solchen Situation etwas ausrichten? Ein Team hat in Sierra Leone getestet, wie
Meuna schaut erstaunt auf ihren Zeigefinger. Gerade hat ein Mann mit einer roten Clownnase einen Plastikvogel mit dem Schnabel voran auf ihre ausgestreckte Hand gesetzt. Mühelos hält der magische Vogel dort die Balance. Ihr Mund, der vorher noch geschlossen war, öffnet sich. Ihre Zähne sind zu sehen, ein wenig vom Zahnfleisch. Auch ihre Augen, die vorher ausdruckslos ins Leere gestarrt haben, als sie ihre Zwillinge gestillt hat, öffnen sich weit. Meuna lächelt.
Es ist das erste Mal an diesem Tag, dass die Stimmung in der Abteilung für unterernährte Kinder gelöst wirkt. Auf zwölf Betten verteilt liegen hier Mütter mit ihren Babys, die versorgt werden müssen. Eine stillt ihr Kind, eine andere löffelt ihrem kleinen Sohn langsam Brei in den Mund, die Moskitonetze über den Betten sind hochgezogen. Nur die vier Clowns, die sich im Zimmer aufgestellt haben, passen nicht so recht ins gewohnte Bild. „Lollipop, Lollipop“, klingt es auf einmal durch den Raum. Und während Marina Bazulic mit roter Nase, viel zu großer Brille und Ukulele durch das Zimmer wandert, richten sich die Blicke der Mütter auf das Geschehen. Manche schauen etwas ungläubig, einige andere beginnen dagegen schon, im Rhythmus des Lieds der Clowns mitzuwippen. Gesundheitswesen in der Krise. Emergency Smile heißt das Programm, das die Rote Nasen Clowns in das Spital in Kabala im Norden von Sierra Leone gebracht hat. Mit einem Team von vier Clowns, einem künstlerischen Leiter und einem Koordinator hat man sich für einen ganzen Monat in das westafrikanische Land aufgemacht. Ziel der Mission ist es, so wie auch bei ihren Klinikeinsätzen in Europa, Menschen in Krankenhäusern aufzuheitern, ihnen im Alltag der medizinischen Routine Abwechslung zu bringen – und auch Lebensfreude zu vermitteln. Nur, dass es bei diesen Auslandsmissionen eben um Krisengebiete geht. Und Krise ist auch eine treffende Beschreibung, wenn es um das Gesundheitswesen des Landes geht.
Medizinische Versorgung ist in Sierra Leone weit von europäischen Standards entfernt. Das beginnt schon beim medizinischen Personal selbst. Das Land hat einen der geringsten Anteile an Ärzten weltweit – während etwa in Österreich 2015 auf 1000 Menschen 5,15 Ärzte kamen, lag der Anteil in Sierra Leone im Jahr 2010 bei 0,02. Und im Lauf der Ebola-Epidemie, die das Land zwischen 2014 und 2016 heimsuchte, sind laut Schätzungen mehr als zehn Prozent der Ärzte und rund zwanzig Prozent des medizinischen Personals gestorben. Auf 10.000 Einwohner kommen vier Krankenhausbetten, die Lebenserwartung liegt laut WHO bei etwa 51 Jahren. Schlecht erreichbare Orte. Die Situation in der Gesundheitsversorgung ist ein Grund, warum Ärzte ohne Grenzen mehrere Teams in Sierra Leone stationiert haben. Die Hilfsorganisation, die sonst vor allem in akuten Konfliktsituationen weltweit ausrückt, um Leben zu retten, hat hier eine etwas andere Aufgabe. Es geht darum, strategisch etwas zu ändern. Wobei manches Problem gar nicht ursächlich im medizinischen Sektor liegt. „Viele Orte sind schlecht zu erreichen“, sagt Gala Lopez, „und viele Eltern bringen ihre Kinder erst sehr spät, wenn sie Probleme haben.“Abgesehen davon, meint die 28-jährige Spanierin, die für Medecins´ Sans Frontieres` (MSF) als Krankenschwester in Kabala arbeitet, fehle es auch an Bewusstsein.
Bewusstsein überhaupt einmal dafür, dass jemand ein gesundheitliches Problem hat. Bis dann jemand erkennt, dass man professionelle Hilfe braucht, ist es oft ein weiterer langer Schritt. Dazu kommt, dass es vor allem in länd- lichen Regionen auch noch ein Misstrauen gegenüber der Medizin gibt – nicht wenige glauben etwa, dass die Ebola-Epidemie erst durch das medizinische Personal gebracht wurde.
Auch dieses Misstrauen versuchen die Roten Nasen, für die MSF als lokaler Kooperationspartner fungiert, mit den Mitteln der Clowns zu beseitigen. In einem Vorraum der Geburtenstation starten sie eine Performance – angelockt durch die Gesänge haben sich einige Dutzend Patienten und Spitalmitarbeiter eingefunden. Daniel Rüb, der einzige männliche Clown des Teams, trägt plötzlich einen Babybauch vor sich her. Mit viel Pantomime, erstaunten Blicken und ein paar Brocken Englisch wird die Situation erklärt. „Baby!“, ruft Daniel aus. Dann ist da ein Schmerz, er hält sich die Hand auf den Bauch, seine Kollegin Timea Till eilt mit einem Stethoskop herbei, hört ihn ab. „Doctor, Doctor, Hospital“, ruft sie. „No, no“, schreit Daniel. Doch dann ist da wieder der Schmerz. Theatralisch lässt er sich im Plastikstuhl zurückfallen und seufzt: „Okay, Hospital!“
Die Zuschauer amüsieren sich – ein schwangerer Mann, das wirkt schräg. Und auch die Slapstickeinlagen,