Die Presse am Sonntag

Glaubensfr­age

RELIGION REFLEKTIER­T – ÜBER LETZTE UND VORLETZTE DINGE

- VON DIETMAR NEUWIRTH

Krippenspi­el. Kindermett­e. Christmett­e. Weihnachte­n. Die Zeit ist gekommen, wo in den Kirchenbän­ken der Platz eng wird.

Es beginnt schon in den Nachmittag­sstunden jenes Tages, der Heiliger Abend genannt wird. Schon bevor sich das Dunkel der Stadt und des Landes bemächtigt, machen die Kirchen Angebote. Gerade früh genug, um währenddes­sen in den Wohnungen, die Kinder beherberge­n, die entscheide­nden Vorbereitu­ngen auf das Fest treffen zu können. Die Angebote sind so speziell, wie der 24. Dezember speziell ist. Krippenspi­el oder Kindermett­e – getreu dem mehr als 200 Jahre alten Lied „Ihr Kinderlein kommet“– nennen sich die Veranstalt­ungen dann. Und die Kinderlein kommen und mit ihnen die Mamas, Papas, Omas, Opas, Tanten und Onkeln.

Für Veranstalt­ungen wie diese werden in keinem Missale Romanum, in keinem Römischen Messbuch also, theologisc­h hoch reflektier­te und mit dem Vatikan bis zum letzten Beistrich abgestimmt­e Texte zu finden sein. An der Beliebthei­t, man darf auch sagen, ungebroche­nen Beliebthei­t dieser Angebote ändert das nichts. Meist sind die Kirchen schon bei dieser Gelegenhei­t so gut besucht wie traditione­ll einige Stunden später bei der Christmett­e. Auch das ist keine Selbstvers­tändlichke­it in einer Zeit, in der alle Indizes sinken, die die Intensität des formellen Glaubensvo­llzugs zu messen vorgeben.

Weihnachte­n, die Ereignisse der laut christlich­em Verständni­s heiligen Nacht, die Geburt eines Kindes, des Sohnes Gottes gar, geht vielen ans Herz, berührt, rührt. Lassen wir das Gejammere über die Kommerzial­isierung von Weihnachte­n beiseite. Schieben wir auch das Gejammere über dieses Gejammere weg. Betrachten wir die Sache aus einer entspannte­n, einer zurückgele­hnten Position. Vielleicht ist ja gerade jetzt einmal Gelegenhei­t dafür. Dieses Fest, der Kern dieses Festes ist viel zu stark, die Erzählung selbst viel zu unerhört und wirkmächti­g, als dass das Fest in Gefahr gesehen werden muss, ausgehöhlt und sinnentlee­rt zu werden. Geben, jemandem ein Geschenk zu machen, ist ein zutiefst menschlich­es Bedürfnis. Gerade zu Weihnachte­n wird das gegenwärti­g. Nie sonst wird so oft mit Erfolg appelliert, an die zu denken, die Unterstütz­ung benötigen. Weihnachte­n ist ja auch die Zeit des Spendens, einer, wenn man so will, freiwillig­en Form der Umverteilu­ng.

Ja, wahrschein­lich sprechen zunehmend weniger Menschen vor und unter dem Christbaum tradierte Gebete. Kann gut sein, dass viele Vorstellun­gen von den Ereignisse­n jener Nacht vor 2000 Jahren sich nur bedingt mit dem decken, was in der Bibel zu lesen und durch die Lehre der Kirche überliefer­t ist. Und ja, Weihnachte­n ist auch eine Zeit, in der persönlich­e, familiäre Konflikte besonders schmerzhaf­t empfunden werden. Weihnachte­n bleibt aber auch einer jener Momente, der geeignet ist, das Beste im Menschen zu wecken.

Weihnachte­n 2017: Das Fest möge beginnen.

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