Ein Spezialist für süffisante Enthüllungen
Michael Wolff hat bereits Medienmogul Rupert Murdoch in Verlegenheit gebracht.
Noch vor einer Woche war Donald Trump zufrieden mit sich und der Welt. Der USPräsident hatte seine ersten Monate im Amt mit einer großen Steuerreform gekrönt, das Verfassungsgericht hatte seinen Muslim-Bann bestätigt, und das von ihm gehasste Regime im Iran geriet durch Straßenproteste unter Druck. Doch dann erschien Michael Wolff auf der Bildfläche. Sein Buch „Fire and Fury“, das am Freitag in die Läden kam und vielerorts sofort ausverkauft war, stürzt die Trump-Regierung in eine neue Krise. Trumps verzweifelter Versuch, das Buch verbieten zu lassen, verstärkt die Zweifel an seiner Eignung für das höchste Staatsamt.
„Danke, Herr Präsident“: Auf Twitter drückte Wolff seine Zufriedenheit mit der Werbekampagne für sein neues Werk aus und zollte Trump Anerkennung für dessen unfreiwillige Hilfe bei den Bemühungen, das Buch zu einem Bestseller zu machen. Nachdem der Präsident über seinen Anwalt mit einem Verbot des Buchs gedroht hatte, zog Wolffs Verlag das Erscheinungsdatum vor – und verhalf „Fire and Fury“damit zu noch mehr Prominenz.
In der Buchhandlung Kramers in Washington drängten sich trotz eisiger Kälte bereits in der Nacht zum Freitag die Kunden, um sich beim Verkaufsstart um 24 Uhr Ortszeit ein Exemplar zu sichern. Innerhalb von 20 Minuten war das 300-Seiten-Werk ausverkauft. Beim Online-Riesen Amazon ist „Fire and Fury“ebenfalls vergriffen und erst Ende Jänner wieder zu haben. Der Egozentriker und das Chaos. Trump-Anwalt Charles Harder hat Wolff sowie dem Verlag Henry Holt mit einer Klage wegen übler Nachrede gedroht, falls das Buch auf den Markt kommen sollte. „Fire und Fury“zeichnet das Bild eines egozentrischen Präsidenten und einer chaotischen Regierung und enthält zudem schwere Vorwürfe von Exberater Stephen Bannon gegen Trumps Familie. Das Weiße Haus weist Wolffs Darstellungen des Regierungsalltags zurück.
Kritiker sehen die Verbotsdrohung als unerhört für den Präsidenten eines Landes, das sich gern als Hort der Meinungsfreiheit feiert und das andere Nationen regelmäßig wegen Einschränkungen der Grundrechte ermahnt. Sie sehen einen neuen Tiefpunkt in der Geschichte des US-Präsidentenamts erreicht. Der Historiker Douglas Brinkley verglich Trump im Gespräch mit der „Washington Post“mit Richard Nixon, der Anfang der 1970er-Jahre das Amt des Staatschefs auf ähnliche Weise zur Verfolgung von Gegnern missbraucht habe. Der Nachrichtensender CNN kommentierte, Trump reagiere so gereizt auf das Buch, weil Wolffs Beschreibung am sorgsam gepflegten MacherImage des Präsidenten kratze.
Schon während seiner Karriere als Immobilienunternehmer hat der heute 71-jährige Trump mehrmals mit Klageandrohungen gearbeitet, um seinen Willen durchzusetzen. Seit seinem Wahlsieg im November 2016 hat er mit rechtlichen Schritten gegen die „New York Times“und gegen Frauen gedroht, die ihm sexuelle Übergriffe vorwarfen. Geschehen ist jedoch nichts. Vor dem Richter hätte Trump gegen Wolffs Buch kaum Chancen auf Erfolg: Der Beweis der üblen Nachrede ist laut Einschätzung von Experten vor US-Gerichten sehr schwer zu führen, besonders von einem hochrangigen Politiker, von dem erwartet wird, viel Kritik hinzunehmen.
Wolff betonte im Sender NBC, er habe Aufzeichnungen und Tonaufnahmen seiner Recherchen im Weißen Haus. Bannon, der in Wolffs Buch ge- Wochen-, wenn nicht monatelang hatte sich Michael Wolff im Vorjahr im HayAdams-Hotel vis-a-`vis vom Weißen Haus einquartiert. Seine Gesprächspartner im Trump-Team traf er in unmittelbarer Nähe im Bombay Club, einem Treff der Washingtoner Elite – oder gleich im West Wing, wo er praktisch ein- und ausging, wie sich der Autor des Enthüllungsbuchs „Fire And Fury“rühmt. Das Buch verhilft ihm nun plötzlich zu TV-Ruhm: keine Talkshow ohne Wolff-Auftritt.
Als Kolumnist für Magazine wie „Vanity Fair“, „Hollywood Reporter“oder „New York“, das er einst mithilfe von Bekannten wie Hollywood-Mogul Harvey Weinstein kaufen wollte, sucht Wolff die Nähe der Reichen und Mächtigen. In der New Yorker Medienszene ist der 64-Jährige bekannt wie ein bunter Hund, ein Stammgast bei Dinnerpartys und im Inlokal Michael’s – berüchtigt für seine Spürnase, seine Affinität für Klatsch und auch dafür, zuweilen
Michael Wolff,
geboren am 27. August 1953 in New Jersey als Sohn eines Werbeprofis und einer Reporterin, liegt das Mediengeschäft im Blut.
Als Kolumnist
arbeitete er für die Magazine „Vanity Fair“, „Hollywood Reporter“und „New York“. aus Restaurants rauszufliegen. Er pflegt Freundschaften wie Feindschaften. Die Zeitschrift „New Republic“kürte ihn zum „It-Boy der New Yorker Medien“.
2008 sorgte Wolff mit einer Biografie über den Medienmogul Rupert Murdoch für Furore, in der er süffisante Details aus dem Privatleben ausbreitete. Murdoch hatte ihm exklusiven Zugang gewährt, um sich hinterher auf die Suche nach dessen Quellen zu machen. Auch Trump ging Wolff, der einst in einem TV-Pilotprojekt des Immobilientycoons auftrat, offenbar auf den Leim.
Wohlwollende attestieren Michael Wolff Fabulierlust und ein Faible für die szenische Schilderung. Kritiker werfen ihm hingegen vor, es mit der Wahrheit und den Details nicht immer ganz genau zu nehmen. Dass der Präsident den früheren „Speaker“des Repräsentantenhauses, John Boehner – zudem einmal Golfpartner Trumps –, nicht gekannt haben soll, ist sicher eine Erfindung. Auch die Zuschreibung der Quel- le für eine angeblich ausschweifende Party Trumps mit Prostituierten ist falsch. Manche Gesprächspartner, Millionärsfreunde des Präsidenten, genieren sich nun indes für ihre Offenherzigkeit und ziehen ihre Aussagen zurück. Murdoch bezeichnete Trump durchaus glaubhaft als „Idioten“. Wolffs Exchef Graydon Carter wundert sich nur, dass das Weiße Haus ihm angesichts dessen Rufs überhaupt die Tür geöffnet hat. „Fire and Fury“erschien am Freitag in den USA und war binnen kurzer Zeit ausverkauft. Das Buch ist ein programmierter Bestseller.