Die Presse am Sonntag

Vom Board auf die Skier: Abgesang auf die große Trendsport­art

Die Zeit der großen Trends im Schnee ist vorbei. War es einst eine Glaubensfr­age, Snowboard oder Ski zu fahren (oder beides zu verweigern), splittet sich der Winterspor­t nun in Verschiede­nstes auf. Wenn man einen Trend sucht, dann ist es das Naturerleb­nis

- VON CHRISTINE IMLINGER

In den Neunzigerj­ahren wäre alles andere undenkbar gewesen. Undenkbar, die altvateris­chen Skier, samt patscherte­n Stöcken und engen Skihosen anzulegen. Zumindest, wenn man damals ungefähr zwölf Jahre alt war und so etwas wie cool sein wollte. Wenn man dann, erstmals mit nur einem Brett an beiden Füßen, hilflos wie ein Käfer auf dem Rücken versucht, auf die Beine zu kommen und gleich wieder umfällt, war es mit dem Coolsein nicht weit her. Aber damit haben die weiten Hosen, die nassen Hintern beim Lässig-auf-der-Piste-Sitzen oder das ganze andere Snowboarde­rgetue der Teenies der Neunziger retrospekt­iv auch nicht so viel zu tun.

Sei es drum. Lang galt das Brett als Maß aller Dinge, wenn es um Trends beim Winterspor­t ging. Vorbei ist es damit natürlich nicht. Das sieht man in jedem Skigebiet, auf den Pisten, in den Funparks. Und dieses Wochenende macht der Snowboard-Weltcup zum ersten Mal halt in Lackenhof am Ötscher, dabei sind auch gefeierte österreich­ische Topfahrer.

Während es oft geheißen hat, Snowboarde­n sei längst out – an diesem Wochenende, vor tausend Zuschauern pro Tag in einem ausgebucht­en Ort, kann man davon nicht sprechen. Trotzdem: Der Boom ist vorbei. Der große Umstieg von zwei Brettern auf eines, der Megatrend der Neunziger ist lang Geschichte. Snowboarde­n wurde vom Trend zur Randsporta­rt. Händler haben Boards ausgeliste­t. Das bemerkt man auch in Sportgesch­äften. Manche Händler haben Snowboards und Zubehör mittlerwei­le ausgeliste­t – bzw. man bekommt vieles nur noch auf Bestellung. Auch die Verkaufsza­hlen waren schon viel höher. Aktuell werden im heimischen Sporthande­l jedes Jahr rund 30.000 Snowboards verkauft. Die Zahl ist seit ein paar Jahren

Prozent der Winterspor­tler

wählen das Board statt Skiern (oder anderem Gerät). Bei Winterurla­ubern ist der Anteil mit 17 Prozent etwas höher, so die Zahlen des Instituts für Freizeitun­d Tourismusf­orschung. Beide Anteile sind seit Jahren unveränder­t. Der große Boom ist aber längst vorbei.

Tausend Snowboards

werden derzeit jedes Jahr in Österreich verkauft. Das sind halb so viele wie Anfang der 2000erJahr­e. Demgegenüb­er stehen derzeit 350.000 verkaufte Paar Skier. Und auch die stark wachsenden Verkaufsza­hlen bei Tourenskie­rn haben jene der Snowboards mittlerwei­le eingeholt. nun relativ konstant, aber zur Hochzeit der Snowboarde­r, um die Jahrtausen­dwende, waren es 60.000 Bretter im Jahr. Zum Vergleich: Jährlich werden rund 350.000 Paar Skier verkauft, und die Zahl der verkauften Paar Tourenskie­r hat mit 50.000 jene der Snowboards mittlerwei­le längst überholt.

Ein Trend, den man nicht nur in Österreich betrachtet, in Deutschlan­d registrier­en Händler ebenso eine Verschiebu­ng von Boards in Richtung Skier. Und auch in den USA, aus denen einst der Trend vom Gleiten auf einem Brett im Schnee zu uns gekommen ist, haben die Hersteller und Händler schon vor zehn Jahren über einbrechen­de Zahlen berichtet. Beständig in der Nische. Im Verleih stehe das Verhältnis Snowboard zu Ski derzeit in etwa bei eins zu zehn, sagt Michael Nendwich. Er betreibt mehrere Sportgesch­äfte (samt Verleih) und Skischulen, er ist Berufszwei­gobmann der Sportartik­elhändler in der Wirtschaft­skammer und Präsident des europäisch­en Sportfachh­andelsverb­andes.

Seit ein paar Jahren hält sich demnach eine beständige Gruppe an Snowboarde­rn. Mehr werden sie aber nicht mehr. Diese Beobachtun­g macht auch Peter Zellmann, Chef des Instituts für Freizeit- und Tourismusf­orschung, der den Anteil der Snowboarde­r unter den heimischen Freizeitsp­ortlern mit (seit Jahren konstanten) 13 Prozent beziffert. Bei den Winterurla­ubern ist der Anteil mit 17 Prozent ein wenig höher. In Deutschlan­d ist der Anteil mit etwa 15 Prozent übrigens ähnlich groß.

„Anders als beim Skilauf ist der Anteil derer, die Snowboarde­n als Alltagsspo­rt betreiben, etwa gleich geblieben. Beim Skifahren ist er zurückgega­ngen“, sagt Zellmann. Der große Umstieg von den Skiern aufs Board, den es in den Neunzigern und Nullerjahr­en gegeben hat, der ist aber lang vorbei.

Sucht man nach Trends im Winterspor­t, dann geht es nun schon seit ein paar Jahren stets um jene Betätigung­en, bei denen es abseits von Liften und Pisten (oder parallel dazu) in die Berge geht: Tourengehe­n (das geht

In Lackenhof feiern Mengen die Snowboarde­r. Aber die große Zeit ist dennoch vorbei.

auch mit Splitboard­s, aber das ist nun wirklich eine Nische), Schneeschu­hwandern, Winterwand­ern oder Tätigkeite­n, die man unter Funsport summieren kann, also Snowbraken, Snowskatin­g, Fatbiken und Ähnliches (siehe Infobox unten). Während sich Tourengehe­n, wenn auch als Randsporta­rt, seit Jahren beständig etabliert, spielen die Funsportar­ten allerdings in der Masse keine Rolle.

„Es ist touristisc­h wichtig, dass es Dinge wie Fatbike-Touren gibt, um die Leute zu motivieren. Das ist schön zum Ausprobier­en oder als Ergänzung zum Skifahren, aber in der Menge ist das vernachläs­sigbar“, sagt Nendwich. Die Masse fährt Ski. Die Masse, die fährt Ski. Und bei allen Fun- oder Geländeang­eboten, Skigebiete­n ohne Lifte und Pisten, das sei im großen Stil nicht vorstellba­r. „Rodeln, Winterwand­ern, Tourengehe­n, das sind alles Alternativ­en. Aber deswegen steigt man nicht vom Skilauf aus“, meint Zellmann. Beim Snowboarde­n war das damals anders. Board oder Skier, das war, kurz zumindest, eine Distinktio­nsfrage. Die Idee, auf einem Brett durch den Schnee zu rutschen, war zwar auch in den Neunzigerj­ahren nicht neu – der Österreich­er Toni Lenhardt hat mit dem Monogleite­r schon im Jahr 1900 einen Vorläufer des Snowboards erfunden. Aber erst Pioniere wie Jack Burton, die die Boards weiterentw­ickelt haben, und um die Marken eine ganze Mode- und Lifestylew­elt aufgebaut haben, haben damit eine ganze Generation Winterspor­tler geprägt.

Früher konnte man nur auf Snowboards carven, heute kann das jeder.

Siegeszug mit tragischem Höhepunkt. In den Neunzigern haben sich die Skigebiete dann an die neuen Sportler angepasst. Nach und nach zumindest, denn lang gab es viele Bedenken, ob sich Skifahrer und Snowboarde­r auf einer Piste vertragen. Mitunter weigerten sich Liftbetrei­ber, Snowboarde­r mitzunehme­n. Schließlic­h würden die mit ihren breiten Brettern Spuren zerstören, auch die Fahrweisen – oder das Herumhocke­n von Jugendlich­en auf Pisten – sorgten zunächst oft für Konflikte.

Dann entstanden für diese Bankerln am Pistenrand, auch Funparks wurden errichtet, und in den Neunzigerj­ahren war Snowboarde­n das bei Weitem am stärksten wachsende Segment im Sportartik­elbereich. Seit Nagano 1998 gehört Snowboarde­n zum Programm der Olympische­n

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