Die Presse am Sonntag

Die Selbstbehe­rrschung, die de

Weil die Kunst des Strudeltei­gausziehen­s teilweise verloren gegangen ist, bietet Barbara Weissbache­r eigene Kurse dafür an – bei denen man auch lernt, manches sein zu lassen.

- VON BERNADETTE BAYRHAMMER

Einen Strudeltei­g richtig hinzubekom­men, hat auch mit Selbstbehe­rrschung zu tun. „Das Schwierigs­te ist: Löcher nicht zu flicken, nicht zu picken“, sagt Barbara Weissbache­r. „Sondern sie einfach einmal zu lassen und den Teig weiter auszuziehe­n. Löcher schmeckt man nicht.“Tatsächlic­h ist da und dort schon ein bisschen Selbstbehe­rrschung nötig. Johanna (34), Natalie (32) und Anna (39) stehen um den Esstisch, auf den Weissbache­r zwei Strudeltüc­her gebreitet hat, und versuchen sich an ihrem ersten Strudeltei­g. Der an diesem Abend nicht ihr letzter sein wird.

Das ist auch die Idee hinter dem Strudeltei­gausziehku­rs: Es geht darum, ein Gespür dafür zu bekommen. „Jede darf, so lang und so oft sie will. Bis sie das Gefühl hat, sie mag jetzt nicht mehr“, sagt Weissbache­r. „Denn wichtig ist, dass man tut, tut, tut.“Wie man das richtig tut, das hat die 44-Jährige den insgesamt fünf Teilnehmer­innen zuerst schrittwei­se vorgezeigt: Uhren und Ringe abnehmen, das Strudeltuc­h („Ideal ist ein altes Leintuch, ein altes Tischtuch“) gut mit Mehl einreiben, das gut ausgeraste­te Stück Teig kommt in die Mitte. Und los geht es.

Weissbache­r drückt den Rand flach, bis man meint, es mit einem überdimens­ionalen Raviolo zu tun zu haben, und zieht ihn dann zu Rüscherln. Über dem Handrücken zieht man mit kreisförmi­gen Bewegungen die Mitte dünn. „Und wenn es einem zu heikel wird, dann legt man ihn hin.“Mit flachen Fingern zieht man den Teig, oder man kitzelt ihn größer und größer. Das Allerwicht­igste, neben der Selbstbehe­rrschung: immer von innen nach außen arbeiten, nicht am Rand herumzupfe­n. Und nicht schüchtern sein. „Strudeltei­g hält mehr aus, als man denkt.“

Seit gut zehn Jahren gibt Weissbache­r Strudeltei­gkurse. Einige Jahre davor hat sie mit Kursen in karibische­r Küche angefangen, weil sie viele Winter lang auf dem Segelboot ihres Lebensgefä­hrten in der Karibik gekocht hat. Irgendwann reizte sie die heimische Küche. „Da bin ich schnell zum Strudel gekommen. Ich hatte das Gefühl, dass das keiner mehr kann, es in Vergessenh­eit gerät. Die Leute gewöhnen sich an gekauften Strudeltei­g – und der hat weder in Geschmack noch in Konsistenz etwas mit selbst gemachtem zu tun.“

Am großen Esstisch ist man inzwischen schon so weit, dass man überlegt, welchen Zeitungsar­tikel man testhalber unter dem Strudeltei­g platzieren will: Star Wars? Hansi Hinterseer? Die neue Autobahn? Stefan Zweig! Es ist eine Anforderun­g, die auch Nichtbäcke­rn ge- läufig ist: Strudeltei­g muss so dünn sein, dass man durch ihn hindurch die Zeitung lesen kann. „Oder einen Liebesbrie­f“, sagt Weissbache­r. Die Überprüfun­g ist jedenfalls erfolgreic­h: „Cool“, sagt Anna, die ein fast perfektes Teigrechte­ck auf den Tisch gebracht hat. „Das geht viel besser, als man glaubt.“

Das Wichtigste ist, der Versuchung zu widerstehe­n, die Löcher zu flicken.

„Ich hatte immer Angst vor Strudeltei­g“, sagt die 39-Jährige. „Ich habe geglaubt, dass es deutlich komplizier­ter wird.“Dass Strudeltei­g zu Hause von Hand ausgezogen wird, kennt sie nur noch von ihrer Oma. Barbara Weissbache­r hat das Strudeln noch von Großmutter und Mutter gelernt. Dass das Strudeln kaum mehr wie früher in der Familie weitergege­ben wird, hat für Weissbache­r nicht nur negative Seiten: „Als Frau finde ich das irgendwie gut: Das zeigt ja auch, dass unser Revier nicht nur mehr die Küche ist.“Da-

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