»Geht’s doch endlich in den Wald und sucht’s den Hirschen!«
Als Chefermittler jagte er nach den Hypo-Milliarden. Als es aber zum U-Ausschuss kam, wurde ihm ein Maulkorb umgehängt. Mittlerweile hat Christian Böhler die Branche gewechselt und erzeugt Produkte aus Stutenmilch. In seinem ersten Interview seit Jahren e
Beginnen wir bei den Pferden oder den Menschen? Christian Böhler: Ist mir eigentlich egal. Ich mag beide gern. Aber über wen reden Sie lieber? Zeitweise ist mir das Pferd schon fast lieber. Es hat halt die positive Eigenschaft, dass es immer ehrlich ist. Seit zwei Jahren stellen Sie Stutenmilchprodukte her. Wie läuft das Geschäft? Gut. Nie ist zu wenig, was genügt, hat schon Seneca gesagt. Man muss halt ein wenig zufrieden sein und schauen, was das eigene Hauptziel ist. Produziert man gesunde Qualität, kommt auch viel positives Feedback. Ich habe die Option, den Betrieb nach zehn Jahren ganz zu übernehmen. Was hat den Ausschlag gegeben, dass Sie die Ermittlertätigkeit aufgegeben haben? In ihr ist viel Negatives dabei, nichts erfüllt richtig. Irgendwann fragt man sich, ob man das ewig machen will. Das ist die philosophische Version. Fakt ist auch, dass die Hypo gegen Sie wegen Datenweitergabe an die Neos ermitteln ließ. War nicht das der Grund für Ihren Rückzug? Ja, auch, das ganze Drumherum war natürlich nicht lustig, wenn man vom Paulus zum Saulus gestempelt wird. Wenn der, der gräbt, damit was aufgeklärt wird, dann an den Pranger gestellt wird. Bei den Ermittlungen gegen mich ist ja nichts herausgekommen, sie wurden eingestellt. Aber es ist halt eine Belastung. Man steht auch vor existenziellen Fragen, wie es weitergeht. Würden Sie sagen, man wollte Sie mit den Ermittlungen gegen Sie ruhigstellen? Schwer zu sagen, was das Motiv war. Ruhigstellen ist vielleicht übertrieben. Es herrschten einfach unterschiedliche Interessen. Die Ermittlungen gegen Sie dienten auch als Argument, dass Sie beim U-Ausschuss nichts sagen dürfen. Auch wurden Sie von der Heta, der Hypo-Abbaugesellschaft, nicht von der Verschwiegenheit entbunden. Zwei Wochen nach dem U-Ausschuss aber wurden die Ermittlungen eingestellt. Das riecht doch! Kann schon sein, aber da lässt sich auch viel hineininterpretieren. Der Arbeitgeber hat verfügt, dass ich nichts sagen darf. Und danach hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt. Hätte die Heta Interesse an einer Aufklärung gehabt, hätte man Sie von der Verschwiegenheit auch entbinden können, oder? Ein U-Ausschuss macht ja nur Sinn, wenn die Befragten auch was sagen können und dürfen. Sonst wird das Ganze zur Kosmetik für den Steuerzahler. Das Interesse der Heta kann ich nicht beurteilen. Hätten Sie im U-Ausschuss andernfalls anderes und mehr zu sagen gehabt? Ja, auf jeden Fall. Es wäre leichter gewesen, der Sache mit mehr Information und mehr Zusammenhängen bei komplexen Themen zu dienen. Von der Verschwiegenheit bin ich bis heute nicht entbunden. Hätten Ihre Zusatzinformationen das systemische Versagen mehr aufgezeigt oder mehr zu involvierten Personen enthalten? Es hätte die Schwierigkeit gezeigt, bei den verschiedenen Interessensgruppen und -zugängen einen gemeinsamen Nenner zu finden. Und zwar so, dass das auch der Außenstehende versteht. Hätte ich frei aussagen dürfen, wäre der Spielraum für Interpretationen und Ausreden geringer geworden. Wozu hätte es noch gedient? Maßnahmen zu setzen, damit man so was in Zukunft vermeidet. Sehen Sie: Wenn heute die UNO beschließt, Vermögen einer gewissen Gruppe oder eines Landes einzufrieren, halten sich alle Banken und Institutionen daran. Es funktioniert, weil alle ein einheitliches Interesse haben. In Fällen wie der Hypo ziehen nicht alle an einem Strang. Es ist, wie wenn zehn Leute einen Hirsch jagen. Wenn zwei zweifeln, ihn zu erwischen, verbreitet sich der Pessimismus. Und dann sagt einer, wahrscheinlich tut der und der eh nicht mit, also jage ich lieber meinen Hasen, da weiß ich, dass ich ihn habe. Bleiben wir beim Bild: Es war bei der HypoAufarbeitung nicht einmal sicher, ob alle von vornherein den Hirschen jagen wollen? Ja, nicht einmal das war sicher. Wer wollte nicht? Die, die was zu verlieren haben. Offenbar nicht nur die Gangster vom Balkan. Nein, eh nicht. Auch Leute in österreichischen Ämtern, sodass Hirsch und Jäger dieselben waren? Das haben jetzt Sie gesagt. Aber genau so scheint es oft zu sein. Man kann monetär verlieren oder machttechnisch. Wo haben Sie als Ermittler denn am meisten auf Granit gebissen? Bei den unterschiedlichen Gesetzen in den diversen Ländern. Und bei der Kooperationsbereitschaft, da jeder nur nach seinen engen Vorgaben handelte. Wenn da keiner von oben klar befiehlt, was zu tun ist, funktioniert es nicht. Und da war keiner? Da war keiner. Wenn ich als Justizminister sehe, da steht Untreue drauf, dann brauche ich ganz andere Informationen und eine ganz andere Beweislage, als wenn Betrug draufsteht. Und wenn ich den Fokus auf die Suche nach dem Vermögen und seine Sicherstellung lege, ist es wieder was anderes. Konzentriere ich mich auf den Aspekt der Untreue, brauche ich etwa den Bereicherungsvorsatz nicht beweisen. Und dann bin ich schon nicht mehr dort, wo das Interesse des Steuerzahlers ist, der das Geld zurückhaben will. Wir aber wollten nach dem Prinzip „follow the money“arbeiten und Ver- mögen zurückholen. Das Geld verschwindet ja nicht, es wechselt nur den Besitzer. Warum fokussiert die Justiz Untreue und will nicht möglichst viel Geld zurückholen? Da müssen sie die Justiz fragen. Geld zurückzuholen ist halt auch schwierig. Schwierig ist alles. Eine Dokumentation des Mediums „addendum“hat kürzlich gezeigt, dass Österreichs Justiz notorisch kein Geld sucht, während etwa die italienische Justiz vom Prinzip „follow the money“ausgeht. Schauen Sie, wenn ich die Geldtasche draußen verloren habe, bitte ich Sie, mir schnell suchen zu helfen. Die Milliarden aber, die der Staat bei der Hypo und anderen Fällen verloren hat, beunruhigten die Zuständigen nicht sehr. Man würde sich als Steuerzahler mehr erwarten. Also was denken Sie, warum die Justiz dem nicht entgegenkommt? Es ist halt leichter, sprichwörtlich am Reißbrett wegen Untreue zu klagen. Obwohl dies schon sehr aufwendig ist,