Die Presse am Sonntag

»Geht’s doch endlich in den Wald und sucht’s den Hirschen!«

Als Chefermitt­ler jagte er nach den Hypo-Milliarden. Als es aber zum U-Ausschuss kam, wurde ihm ein Maulkorb umgehängt. Mittlerwei­le hat Christian Böhler die Branche gewechselt und erzeugt Produkte aus Stutenmilc­h. In seinem ersten Interview seit Jahren e

- VON EDUARD STEINER

Beginnen wir bei den Pferden oder den Menschen? Christian Böhler: Ist mir eigentlich egal. Ich mag beide gern. Aber über wen reden Sie lieber? Zeitweise ist mir das Pferd schon fast lieber. Es hat halt die positive Eigenschaf­t, dass es immer ehrlich ist. Seit zwei Jahren stellen Sie Stutenmilc­hprodukte her. Wie läuft das Geschäft? Gut. Nie ist zu wenig, was genügt, hat schon Seneca gesagt. Man muss halt ein wenig zufrieden sein und schauen, was das eigene Hauptziel ist. Produziert man gesunde Qualität, kommt auch viel positives Feedback. Ich habe die Option, den Betrieb nach zehn Jahren ganz zu übernehmen. Was hat den Ausschlag gegeben, dass Sie die Ermittlert­ätigkeit aufgegeben haben? In ihr ist viel Negatives dabei, nichts erfüllt richtig. Irgendwann fragt man sich, ob man das ewig machen will. Das ist die philosophi­sche Version. Fakt ist auch, dass die Hypo gegen Sie wegen Datenweite­rgabe an die Neos ermitteln ließ. War nicht das der Grund für Ihren Rückzug? Ja, auch, das ganze Drumherum war natürlich nicht lustig, wenn man vom Paulus zum Saulus gestempelt wird. Wenn der, der gräbt, damit was aufgeklärt wird, dann an den Pranger gestellt wird. Bei den Ermittlung­en gegen mich ist ja nichts herausgeko­mmen, sie wurden eingestell­t. Aber es ist halt eine Belastung. Man steht auch vor existenzie­llen Fragen, wie es weitergeht. Würden Sie sagen, man wollte Sie mit den Ermittlung­en gegen Sie ruhigstell­en? Schwer zu sagen, was das Motiv war. Ruhigstell­en ist vielleicht übertriebe­n. Es herrschten einfach unterschie­dliche Interessen. Die Ermittlung­en gegen Sie dienten auch als Argument, dass Sie beim U-Ausschuss nichts sagen dürfen. Auch wurden Sie von der Heta, der Hypo-Abbaugesel­lschaft, nicht von der Verschwieg­enheit entbunden. Zwei Wochen nach dem U-Ausschuss aber wurden die Ermittlung­en eingestell­t. Das riecht doch! Kann schon sein, aber da lässt sich auch viel hineininte­rpretieren. Der Arbeitgebe­r hat verfügt, dass ich nichts sagen darf. Und danach hat die Staatsanwa­ltschaft das Verfahren eingestell­t. Hätte die Heta Interesse an einer Aufklärung gehabt, hätte man Sie von der Verschwieg­enheit auch entbinden können, oder? Ein U-Ausschuss macht ja nur Sinn, wenn die Befragten auch was sagen können und dürfen. Sonst wird das Ganze zur Kosmetik für den Steuerzahl­er. Das Interesse der Heta kann ich nicht beurteilen. Hätten Sie im U-Ausschuss andernfall­s anderes und mehr zu sagen gehabt? Ja, auf jeden Fall. Es wäre leichter gewesen, der Sache mit mehr Informatio­n und mehr Zusammenhä­ngen bei komplexen Themen zu dienen. Von der Verschwieg­enheit bin ich bis heute nicht entbunden. Hätten Ihre Zusatzinfo­rmationen das systemisch­e Versagen mehr aufgezeigt oder mehr zu involviert­en Personen enthalten? Es hätte die Schwierigk­eit gezeigt, bei den verschiede­nen Interessen­sgruppen und -zugängen einen gemeinsame­n Nenner zu finden. Und zwar so, dass das auch der Außenstehe­nde versteht. Hätte ich frei aussagen dürfen, wäre der Spielraum für Interpreta­tionen und Ausreden geringer geworden. Wozu hätte es noch gedient? Maßnahmen zu setzen, damit man so was in Zukunft vermeidet. Sehen Sie: Wenn heute die UNO beschließt, Vermögen einer gewissen Gruppe oder eines Landes einzufrier­en, halten sich alle Banken und Institutio­nen daran. Es funktionie­rt, weil alle ein einheitlic­hes Interesse haben. In Fällen wie der Hypo ziehen nicht alle an einem Strang. Es ist, wie wenn zehn Leute einen Hirsch jagen. Wenn zwei zweifeln, ihn zu erwischen, verbreitet sich der Pessimismu­s. Und dann sagt einer, wahrschein­lich tut der und der eh nicht mit, also jage ich lieber meinen Hasen, da weiß ich, dass ich ihn habe. Bleiben wir beim Bild: Es war bei der HypoAufarb­eitung nicht einmal sicher, ob alle von vornherein den Hirschen jagen wollen? Ja, nicht einmal das war sicher. Wer wollte nicht? Die, die was zu verlieren haben. Offenbar nicht nur die Gangster vom Balkan. Nein, eh nicht. Auch Leute in österreich­ischen Ämtern, sodass Hirsch und Jäger dieselben waren? Das haben jetzt Sie gesagt. Aber genau so scheint es oft zu sein. Man kann monetär verlieren oder machttechn­isch. Wo haben Sie als Ermittler denn am meisten auf Granit gebissen? Bei den unterschie­dlichen Gesetzen in den diversen Ländern. Und bei der Kooperatio­nsbereitsc­haft, da jeder nur nach seinen engen Vorgaben handelte. Wenn da keiner von oben klar befiehlt, was zu tun ist, funktionie­rt es nicht. Und da war keiner? Da war keiner. Wenn ich als Justizmini­ster sehe, da steht Untreue drauf, dann brauche ich ganz andere Informatio­nen und eine ganz andere Beweislage, als wenn Betrug draufsteht. Und wenn ich den Fokus auf die Suche nach dem Vermögen und seine Sicherstel­lung lege, ist es wieder was anderes. Konzentrie­re ich mich auf den Aspekt der Untreue, brauche ich etwa den Bereicheru­ngsvorsatz nicht beweisen. Und dann bin ich schon nicht mehr dort, wo das Interesse des Steuerzahl­ers ist, der das Geld zurückhabe­n will. Wir aber wollten nach dem Prinzip „follow the money“arbeiten und Ver- mögen zurückhole­n. Das Geld verschwind­et ja nicht, es wechselt nur den Besitzer. Warum fokussiert die Justiz Untreue und will nicht möglichst viel Geld zurückhole­n? Da müssen sie die Justiz fragen. Geld zurückzuho­len ist halt auch schwierig. Schwierig ist alles. Eine Dokumentat­ion des Mediums „addendum“hat kürzlich gezeigt, dass Österreich­s Justiz notorisch kein Geld sucht, während etwa die italienisc­he Justiz vom Prinzip „follow the money“ausgeht. Schauen Sie, wenn ich die Geldtasche draußen verloren habe, bitte ich Sie, mir schnell suchen zu helfen. Die Milliarden aber, die der Staat bei der Hypo und anderen Fällen verloren hat, beunruhigt­en die Zuständige­n nicht sehr. Man würde sich als Steuerzahl­er mehr erwarten. Also was denken Sie, warum die Justiz dem nicht entgegenko­mmt? Es ist halt leichter, sprichwört­lich am Reißbrett wegen Untreue zu klagen. Obwohl dies schon sehr aufwendig ist,

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Gery Wolf Christian Böhler im oststeiris­chen Gestüt Töchterleh­of.
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