Die Presse am Sonntag

Wo ist der Zaster nur geblieben?

Ob Hypo Alpe Adria oder Bawag: Ein gemeinsame­s Merkmal aller großen Betrugs- und Korruption­sprozesse in Österreich ist und bleibt das auffällige und seltsame Desinteres­se der Justiz am Verbleib des Geldes.

- VON JOSEF URSCHITZ

Eine bis heute ungeklärte Frage begleitet alle großen Betrugs-, Untreueund Korruption­sprozesse der vergangene­n Jahre: Warum interessie­rt sich niemand dafür, wo das verschwund­ene, verlorene oder veruntreut­e Geld geblieben ist? Vor allem: Wieso weigern sich Gerichte so hartnäckig, dieser Frage nachzugehe­n? Vielleicht, weil den Schaden ohnehin die Steuerzahl­er – beziehungs­weise im Fall Bawag die Gewerkscha­ftsmitglie­der – ohne großes Murren begleichen und man sich auf diese Weise das Offenlegen unliebsame­r politische­r Verwicklun­gen erspart?

Ein besonders krasses Beispiel dafür war der Prozess um die verschwund­enen Bawag-Milliarden, bei dem, wie „Die Presse“im Jahr 2012 feststelle­n musste, für die Beschuldig­ten die Unschulds- und für das Gericht offenbar die Naivitätsv­ermutung galt. Lachhafter Unsinn. Zur Erinnerung: Wolfgang Flöttl, erfolgreic­her Investor in den Vereinigte­n Staaten und Sohn eines früheren Bawag-Generaldir­ektors, hatte von der Bawag viel Geld zwecks spekulativ­er Vermehrung erhalten. Mit der letzten Tranche, einer Wette auf den Kurs des japanische­n Yen, baute Flöttl einen Totalverlu­st. 1,2 Mrd. Euro von der Gewerkscha­ftsbank waren weg.

Das heißt: Weg waren sie natürlich nicht. Ein Derivatges­chäft ist eines zwischen zwei Partnern. Das Geld löst sich dabei nicht auf, sondern wandert vom Verlierer zum Gewinner. Also, wo sind die Bawag-Milliarden hin?

Das weiß man nicht, denn Flöttl verantwort­ete sich erfolgreic­h damit, dass seine Computerfe­stplatte den Geist aufgegeben habe – die Transaktio­n also nicht mehr nachvollzi­ehbar sei. Über einen derartigen Unsinn lachte damals die ganze Finanzwelt. Nur die Bawag-Richterin, die später Justizmini­sterin wurde, nicht: Die wollte gar nicht wissen, was mit den Bawag-Milliarden geschehen war. Ein Antrag des Bawag-Angeklagte­n Helmut Elsner auf Öffnung der FlöttlKont­en und Erstellung eines Forensic Account, mit dessen Hilfe die Geldflüsse nachvollzo­gen werden könnten, wurde vom Gericht abgelehnt. Noch seltsamer: Auch der damalige Eigentümer der Bawag, der ÖGB, hatte keinerlei Interesse daran, den Weg seiner verlorenen Milliarden zu rekonstrui­eren.

Was bleibt, ist ein ziemlich bitterer Nachgeschm­ack.

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