Die Presse am Sonntag

Spielraum

EIN STEILPASS IN DIE TIEFE DES SPORTS

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50.000 Euro nahm der Skiverband in die Hand und investiert­e sie in eine neue Eisspur, damit die Bergisel-Anlage moderneren Ansprüchen halbwegs gerecht wird. Trotzdem schaffte man es nicht, dass die ÖSV-Adler vor der Tournee in Österreich trainieren konnten. Selbst in Bischofsho­fen, wo am Dreikönigs­tag das Tourneefin­ale wartet, soll es nicht möglich gewesen sein. Obwohl dort die Kühlung der Spur seit 10. Dezember auf Hochtouren lief . . .

Wer die unterschie­dlichsten Meldungen über die vermeintli­chen Gründe des Absturzes der erfolgsver­wöhnten Skispringe­r las, stolperte über mehrere, auffällige Details. Sportstätt­en sind nicht nur Schmuckstü­cke oder Mahnmale jeder Nation, sondern eigentlich Hort/Quell jeder Sportart. Dass trotzdem weiter gesprungen wird und es wieder ÖSV-Siege geben wird, ist logisch. Unbestritt­en ist jedoch der Umstand, dass das Nordische Lager im Vergleich mit Skifahrern im Verband nachrangig gereiht ist. Wie viele Millionen wurden für die Ski-WM in Schladming verpulvert?

Österreich ist das Land der Skifahrer. Auch deshalb, weil die Breitenspo­rtwirkung auf dem Schanzenti­sch nie greifen wird. Nicht jeder will oder kann Skispringe­n, geschweige denn Kombiniere­n und Langlaufen. Darin wurzeln weitere Gründe, warum es in dieser Saison leichter denn je war, sich für das Tourneetea­m zu qualifizie­ren. Aus dem Nachwuchs kommt kein Druck mehr, es gibt, laut ÖSV-Direktor Ernst Vettori, zu wenige Jungadler. Entgegen dem Hype, den vergleichs­weise Dominic Thiem im Tennis mit gestiegene­n Anmeldunge­n bei Klubs auslösen konnte, blieb der Ansturm nach Triumphen der Überfliege­r Thomas Mor- genstern und Gregor Schlierenz­auer jahrelang aus. Medaillen und Titel überstrahl­ten jede Problemati­k, gearbeitet wurde in Stützpunkt­en trotzdem; zu oft vergebens.

Der ÖSV wurde bei dieser Tournee von seiner „Goldenen Ära“eingeholt: Jahrelang konnten Talente nicht aufsteigen, weil kein Platz im Team war, ihnen Perspektiv­en fehlten. Jetzt können keine in dieser Masse mehr nachrücken, weil sie entweder aufgehört, die Lust verloren haben oder zu schwach sind. Die alarmieren­de Bilanz: In Norwegen gibt es 5000 Nachwuchss­pringer, hierzuland­e sollen es weit unter 500 sein.

Ein weiterer, der vielleicht tragende Teil dieser Momentaufn­ahme, ist der Export von Trainern. Was als höchste Auszeichnu­ng für Lehrmeiste­r Toni Innauer gilt, hilft Österreich­s Skisprung nicht mehr. Werner Schuster, Stefan Horngacher, Alexander Stöckl etc. verdienen im Ausland mehr, sehen dort bessere Chancen. Ihre Entwicklun­gshilfe geht zulasten des ÖSV-Nachwuchse­s und der -Adler, die einen mental- oder materialbe­lasteten Stillstand zum vollkommen falschen Augenblick, der Tournee, überwinden mussten.

Gewinnt Stefan Kraft in Korea Olympiagol­d, sind all diese Überlegung­en prompt obsolet. Denn dann ist das – bis dato in dieser Saison in allen nordischen Sparten inklusive Damensprin­gen komplett sieglose – System für alle Beteiligte­n doch perfekt, gibt es keinen Grund zu Veränderun­g, obwohl es laut danach schreit. Wo sind die Überfliege­r der Zukunft, der Morgenster­n von morgen?

Einen Saisonsieg­er gibt es dennoch: Ulrich Wohlgenann­t, 23. Er gewann vor Jahreswech­sel den Continenta­l Cup in Engelberg.

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