Verlorene Liebe
Unda Hörners »Kafka und Felice« erzählt von der schwierigen Beziehung Kafkas zur Berlinerin Felice Bauer – akribisch und vielschichtig.
Franz Kafka und Felice Bauer zählen zu den berühmten Liebespaaren der Literatur. Sie führten eine Fernbeziehung: Sie lebte in Berlin, er in Prag. Er überschüttete Bauer mit Briefen, realiter trafen sie sich selten und kurz, die Briefe aber offenbaren neben nagenden Selbstzweifeln auch die Sehnsucht nach Nähe. Sie sind Zeugnis eines Menschen, der nur durch die und in der von ihm erschaffenen Welt gelebt hat, während das Reale höchstens erduldet wurde. Unda Hörner hat Kafkas Briefe durchforstet und zu einem literarischen Text verdichtet.
Es sind die Jahre vor und während des Ersten Weltkriegs, die in Hörners Buch nicht nur Folie für die Erzählung sind. Geschickt werden Details in die Geschichte hineingewebt, die pars pro toto die Epoche vor den Augen der Leser auffächern. Auch das zeigt, wie akribisch Hörner recherchiert hat.
Das ist aber gleichzeitig die Krux an der Sache. Zu sehr hält sich die Autorin an die Quellen, zu wenig löst sie sich vom historisch Belegbaren. Wir erleben Kafka als einen ewig Schwankenden mit seltsamen Gewohnheiten, was ihn auf einen wunderlichen Kauz reduziert, während Bauer als brave, pflichtbewusste, im Beruf erfolgreiche, etwas langweilige Person gezeichnet wird. Literarisch wäre es spannender gewesen, den Konflikt zwischen den beiden zuzuspitzen, Felice als widerständiger zu porträtieren. Damit hätte der Roman eine eigene Realität gewonnen, was vielleicht auch in Kafkas Sinn gewesen wäre. Unda Hörner: „Kafka und Felice“, Ebersbach & Simon, 336 S., 20,60 €.