Stiadln und staunen: Zwei, die auszogen, ein
Der eine kauft ein Haus in Gars am Kamp, der andere hilft mit, es zu entrümpeln. In den Laden und Kisten, zwischen Deckerln und Engerln stoßen Tarek Leitner und Peter Coeln auf das akribisch dokumentierte Leben der Cousinen Hilde und Gretl.
Auf dem Klavier standen noch aufgeschlagen die Noten von „Stille Nacht“. Auf dem runden, angeräumten Tisch daneben lag ein rotes Packerl, die dazugehörige Grußkarte hinter das goldene Geschenkband geklemmt. Auf dem Herd stand ein Topf, in der Speisekammer waren Lebensmittel. Mehrere Kerzen-Engerl standen bereit. Es hätte sie nur jemand anzünden müssen.
Doch die Weihnachtsfeier war abrupt gestört worden. Die Rettung musste kommen und führte die schon betagten Bewohnerinnen des Hauses ins Krankenhaus. Sie kehrten nie wieder. Genauere Umstände ihres Ablebens sind nicht bekannt.
Doch das Wohnzimmer sah exakt so aus, als Peter Coeln und Tarek Leitner, der Chef der Wiener Galerie Westlicht und der ORF-Moderator, im Fühjahr 2016 das erste Mal gemeinsam das Haus in der Reinharterstraße 100 in Gars am Kamp betraten. Einige Jahre war es leer gestanden. Bis zu ihrem abrupten Auszug hatten hier Grete Höfler und ihre Cousine Hilde gewohnt, beide „eine Nummer“im Waldviertler Nobelort. Vor allem Grete, die Tochter des wohlhabenden Schuhhändlers Anton Höfler, war vielen ein Begriff, sie liebte und lebte lange Zeit für den Tennissport. Der halbe Ort ging bei ihr bis in die Neunzigerjahre in den Tennisunterricht. Nachdem die Cousinen gestorben waren, ging das Grundstück an eine Erbengemeinschaft, zu der auch der Winzer Bernhard Ott aus Feuersbrunn gehörte. Einige Jahre lang ließ er das Haus unberührt, bis er sich doch entschied, es zu verkaufen. Inklusive Mobiliar und Krempel. Peter Coeln, ein Jäger und Bewahrer von alten Gegenständen, griff zu und erkannte bald, dass man ein solches Haus nicht einfach so entrümpeln konnte.
In Tarek Leitner fand er einen interessierten Partner, der sich auf das Haus mit 140 Quadratmetern Fläche einlassen und bei Durchsicht der liebevoll katalogisierten Gegenstände mehr über den Alltag dieser beiden Damen erfahren wollte. So sollte ein Buch entstehen, das nun Mitte Jänner im BrandstätterVerlag erscheint. Die behutsame Ent-
Peter Coeln betont: »Das waren keine Messies. Hier war nichts modrig oder feucht.«
rümpelung dauerte gut ein Jahr, Peter Coeln machte Fotos, Tarek Leitner schrieb die Texte dazu. In einem leer stehenden Gebäude nebenan, einer ehemaligen Schlecker-Filiale, legten die beiden die vielen gefundenen Gegenstände nebeneinander auf. Immer wieder kamen Bewohner aus dem Ort herein, sahen sich neugierig um. Sie alle hatten die „Schusterprinzessinnen“, wie man die Cousinen nannte, gekannt, aber nie hatte wer ihr Haus betreten. Staubsauger erhitzt. „Vom Ersten Weltkrieg bis zur Euroeinführung war alles in Gleichzeitigkeit vorhanden. Das ließ einen schwindlig werden“, erzählt Tarek Leitner. Beim Stiadln und Stöbern in den Laden, Dosen,