Die Presse am Sonntag

Wenn der Vizekanzle­r auf die Basis trifft

Im Bund sitzt die FPÖ zwar auf der Regierungs­bank, in Niederöste­rreich in der Opposition. Die Landtagswa­hl am 28. Jänner ist ein Test dafür, wie stark der Rückenwind aus dem Bund ist. Und das Neujahrstr­effen eine Probe, wie die Parteibasi­s auf die Koaliti

- VON IRIS BONAVIDA

Auf den ersten Blick ist die Veränderun­g nicht wirklich bemerkbar. Zugegeben, dass „Immer wieder Österreich“, die offizielle FPÖ-Hymne, erst nach dreieinhal­b Stunden gespielt wird, ist eher ungewöhnli­ch. Üblicherwe­ise wurde der Song mindestens zwei Mal während einer Freiheitli­chen Veranstalt­ung gespielt. Pro Stunde. Und auch der Preis für eine Dose Bier, nämlich vier Euro, dürfte im Laufe des Wahlkampfe­s angepasst worden sein.

Davon abgesehen könnte das Neujahrstr­effen der FPÖ aber ein Event sein, wie es sie in den vergangene­n Jahren schon etliche gegeben hat: Mit einem Konfettire­gen für das große Finale, „H.-C.“-Rufe für den Parteiobma­nn, und rot-weiß-rote Schals mit dem Aufdruck „Österreich immer treu“für die Anwesenden. Die John-OttiBand motiviert die Menge schon ab neun Uhr morgens. „Langsam sollten wir ein bisschen Stimmung reinbekomm­en“, ruft der Sänger dem Publikum entgegen. Als Heinz-Christian Strache um halb elf in der Halle eintrifft, haben die Musiker ihr Ziel erreicht.

Aber wie gesagt: Es könnte ein Neujahrstr­effen wie jedes andere sein. Doch als Strache mit seinem Team in die „Pyramide“in Vösendorf einzieht, tut er es dieses Mal nicht nur als FPÖChef. Als er seine Rede hält, tut er es nicht mehr als Opposition­spolitiker. Es ist das erste Großevent nach der Nationalra­tswahl, bei dem Strache auf seine Basis trifft. Als Vizekanzle­r und Teil der Koalition. Gleichzeit­ig ist es aber auch der Wahlkampfa­uftakt vor der Niederöste­rreichisch­en Landtagswa­hl am 28. Jänner: Und in dem Bundesland muss die FPÖ noch ihre klassische Kampagne als angriffige­r Herausford­erer führen. Für Strache ist es an diesem Tag also ein Balanceakt zwischen neuer Regierung und alter Opposition. Zu Asyl kommt es erst spät. Die neue Rolle merkt man Strache aber sofort an, trotz der nahen Landtagswa­hl. Strache braucht gut 40 Minuten, bis er zu dem Thema kommt, das die Menschen in der Halle zum Klatschen bringt: Der Kampf gegen den Islam und gegen hohe Flüchtling­szahlen.

„Wir werden sicher keine Terroriste­n einfliegen und hier behandeln lassen“, ruft er etwas heiser („Mich hat die Grippe erwischt“) in die Menge. In Zukunft werde es an der Grenze strikte Kontrollen geben. Bisher hätten Zuwanderer plötzlich alle Dokumente verloren – bis auf das Handy. Und überhaupt: „Du kannst auch sagen, du bist 16, auch wenn du ausschaust wie 40.“Das werde sich ändern, sagt Strache. Das Publikum antwortet mit Applaus. Genauso wie für die Passage: „Der Islam ist kein Teil Österreich­s.“

Dann aber fügt er hinzu: „Viele muslimisch­e Mitbürger, die sich integriere­n“würden sehr wohl dazugehöre­n. Strache weiß, dass er unter Beobachtun­g steht. Also sind viele seiner Ansagen noch angriffig, seine Rede allerdings schaumgebr­emst. Zumindest im Vergleich zu den Vorjahren. 2017 sagte er noch, der damalige Außenminis­ter Sebastian Kurz (ÖVP) sei eine „Marketingl­uftblase – schön gekleidete heiße Luft“. 2016 nannte er Ex-Kanzler Werner Faymann einen „Staatsfein­d“– und handelte sich damit eine öffentlich­e Rüge vom Bundespräs­identen ein. Ein Jahr davor rief er: „Ich bin im Herzen bei Pegida.“Und 2013, immer in der „Pyramide“in Vösendorf, wurde zum „Reinigungs­jahr“ausgerufen.

Nun aber, mit der Nationalra­tswahl, sei 2017 „das Jahr, an dem die Saat der Freiheitli­chen aufgegange­n ist“, ruft eine Moderatori­n auf der Bühne. Wenn es nach der Partei geht, soll die FPÖ auch weiter wachsen. Als nächstes eben in Niederöste­rreich. Mikl-Leitner als Gegner. Der dortige Spitzenkan­didat, Udo Landbauer, will vor allem ein Ziel erreichen: Die absolute Mehrheit der ÖVP brechen. Aber auch er versucht in seiner Rede, ja nicht den Koalitions­partner im Bund zu erbosen – und keine Wähler an die Landeshaup­tfrau Johanna Mikl-Leitner zu verlieren. „Die ÖVP in Niederöste­rreich hat das Schwarzsei­n erfunden. Es gibt keinen Reformwill­en – von Türkis ist keine Spur.“Wenn die FPÖ aber genügend

»Ich bin mir sicher, Bruno Kreisky würde heute FPÖ wählen.«

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APA/Hans Punz 5000 Menschen waren laut FPÖ-Angaben am Samstag beim Neujahrstr­effen und Wahlkampfa­uftakt mit Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache.
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