Eine SPÖ-Kampagne zwischen Schmäh und Verstörung
Die Mini-Agentur Frischer Wind aus Wilhelmsburg (NÖ) hat Kerns Plan A gemacht – ihre Kampagne für die SPÖ NÖ sorgt für gemischte Gefühle.
Stimmen erhalten würde, um wie im Bund zu Koalitionsgesprächen eingeladen zu werden, „sind wir dabei“.
Auch im Bund hat Strache einen dezidierten Gegner, auf den er erstaunlich lange und beharrlich bei seiner Rede aufmerksam macht: SPÖ-Chef Christian Kern, oder wie ihn Strache nennt: „Den Jammersozialisten“. Er und seine Partei würden „alles schlecht machen“, was die Regierung nun umsetze. Obwohl es zum Teil Dinge seien, die Kern nicht erreicht hätte. Strache versucht sich als neue Arbeiterpartei zu positionieren, als bessere SPÖ: „Bruno Kreisky würde FPÖ wählen“, sagt er. Dann lädt er die Menschen ein, „ein Stück des Weges“mit ihm zu gehen.
Dann versucht sich Strache aber fast schon zu entschuldigen: Man könne in einer Koalition eben nicht alles umsetzen. „Hätten wir eine absolute Mehrheit, könnten wir es wie Viktor Orban´ machen. Haben wir aber nicht.“Das Handelsabkommen Ceta sei von der ÖVP eben gefordert worden – emotionalisiert in der Halle aber ohnehin nicht die Massen. Dafür aber das Versprechen, „Menschen, die unschuldig arbeitslos sind, nicht hängen zu lassen.“Schlusssatz: „Ich werde immer für euch da sein.“Daraufhin wird geklatscht, gejubelt und Fahnen geschwenkt. Zugegeben, in dieser Hinsicht ist es doch ein traditionelles FPÖ-Event. „Humor ist nur ein gut getrocknetes Weinen“, sagte der österreichische Schriftsteller und Maler Albert Paris Gütersloh einmal. Ob der neuen Kampagne der SPÖ-Niederösterreich fällt so manchem Genossen die Entscheidung zwischen Lachen und Weinen aber wirklich nicht leicht.
Da wird der Neo-SPÖ-Chef Niederösterreichs, Franz Schnabl, mit seinen knapp 60 Jahren mit dem Schriftzug „Jungpolitiker“plakatiert. Auf einem anderen Sujet steht neben seinem Bild „Es ist Zeit, auch für uns Frauen“. Oder: „Sei eine Frau, wähl einen Mann“– wohl als Persiflage auf die Plakate der Grünen im Nationalratswahlkampf, die „Sei ein Mann, wähl eine Frau“affichierten, gedacht. Schnabl hüpft, fährt Motorrad, hält sich einen Kartonschnauzer ins Gesicht und ficht Sträuße mit dem Regenschirm aus. Den Plakaten zufolge hat er auch gar nicht vor, sich für den ersten Platz zu bewerben, sondern will lieber die „erste Geige für die zweite Meinung sein“. Und dann war da noch dieser Tage ein Wahlkampfauftakt in St. Pölten, wo ein Videoclip für Empörung sorgte, weil dort „von einem dunklen Schleier“über Niederösterreich, einer „politischen Burka“gesprochen wurde.
Die Meinungen zur Kampagne mit ihren 280 verschiedenen Plakatsujets gehen teils weit auseinander. Auch Journalisten und Politikexperten diskutieren heftig darüber. Keine klare Botschaft, kindisch und zu Schnabls Person unpassend, urteilen die einen. Witzig, erfrischend anders und innovativ, finden die anderen. Aber wem fällt so etwas eigentlich ein, und warum glaubt man, mit so etwas punkten zu können? Emotionen als Grenzgang. Eigentlich hätte es Tal Silberstein sein sollen, der nach dem Nationalratswahlkampf auch in Niederösterreich der SPÖ zu neuer Größe verhilft. 40.000 Euro hat er dafür bereits bekommen – aber nach Silbersteins Verhaftung Mitte August hatte nicht nur die Bundespartei plötzlich keinen Wahlkampfleiter mehr.
Statt internationalem Kampagnenguru setzt die SPÖ Niederösterreich nun also auf die Wilhelmsburger MiniAgentur Frischer Wind, die im Kern nur aus zwei Personen besteht, sich bei Bedarf ausdehnt und erstmals im Gemeinderatswahlkampf St. Pölten im Jahr 2016 engagiert wurde und aus deren Feder auch Christian Kerns Plan A stammt.
Dass die Schnabl-Kampagne derart kontrovers diskutiert wird, freut Geschäftsführer Thomas Wagner: „Wer hat vorher jemals über eine SPÖ-Kampagne in Niederösterreich geredet? Niemand.“Er ist überzeugt: Wer Emotionen erzeugen möchte, der müsse ungewöhnlich sein, Grenzen ausreizen, experimentieren und auch provozieren. „Etwas, das Menschen egal ist, darüber wird nicht gesprochen. Auch die, die sich aufregen, wissen nun, wer Franz Schnabl ist“, sagt Wagner. Man könne die Kampagne auch als ein „Hallo, hier bin ich“verstehen.
Humor und Sprachwitz sei der Agentur bei all ihren Aufträgen wichtig – „warum nicht auch in der Politik? Ernst und streng sind schon FPÖ und ÖVP, da ist für die SPÖ kein Platz mehr – und die Partei will das auch nicht sein“, sagt Wagner. Eine Kampagne müsse aber auch immer zu dem Kandidaten passen, er, Wagner, habe Schnabl als „alten Spitzbuben“kennengelernt. Dass man sich über einen hüpfenden Politiker oder einen Kartonschnurrbart derart echauffieren könne, beweise nur, wie statisch die Politik heutzutage geworden ist.
Die große Anzahl der verschiedenen Sujets soll mehrere Effekte haben: „Erstens glaubt man, dass viel mehr Plakate hängen, als dass der Fall ist – zweitens bindet das Aufmerksamkeit, weil man immer wieder etwas Neues sieht“, so Wagner.
»Hätten wir eine absolute Mehrheit, könnten wir es wie Viktor Orb´an machen.« Die vielen unterschiedlichen Sujets sollen Aufmerksamkeit binden.
Darum habe man stark auf Regionalisierung gesetzt – unterschiedliche Sujets mit SPÖ-Bürgermeistern produziert, die viel mehr als Testimonial für Schnabl fungieren sollen als er für sie. „Sie sind es, denen die Bürger vertrauen, weil man einander kennt. Wenn das ein bisschen auf Schnabl abfärbt, ist es gut.“Dass auf den Plakaten mehrfach zu lesen ist, dass sich Schnabl auch mit der zweiten Meinung im Land zufrieden geben würde, hat für Wagner nichts mit fehlendem Kampfgeist zu tun. „Die zweite Meinung ist im Leben oft viel wichtiger als die erste“, sagt Wagner.
Mit dem Spaß soll es sich jetzt übrigens ein bisschen aufhören. Nach den ersten aufregenden Plakatwellen und einer Vorstellung der Person sollen nun das SPÖ-Parteiprogramm vermittelt und die Probleme einer „ÖVPAlleinherrschaft“aufgezeigt werden. „Die ÖVP spricht von Niederösterreich nur in Superlativen. Wir sind das beste, schönste Land. Wenn man genau hinschaut, gibt es aber genug Baustellen, es fehlen Innovationen.“Die SPÖ will auf ihre Stammthemen setzen: soziales, leistbares Wohnen, eine gute Gesundheitsversorgung und Arbeitsplätze. Zumindest in diesem Aspekt will die Agentur also vor allem auf Altbewährtes setzen.