Die Presse am Sonntag

Auf dem Spielball der Interessen

Wiens Bälle werden immer mehr. Weil man entdeckt, dass man mit Tanzverans­taltungen auch Inhalte transporti­eren kann – ob Veganismus, Jagd oder Weltraumfo­rschung.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Eine Stunde nach Ende der Pressekonf­erenz in der Wiener Staatsoper steht Alexander Lang im Steireranz­ug hinter leeren Tabletts. Nur noch Brösel zeugen davon, dass hier eben noch Häppchen der Fischerei Ausseerlan­d gelegen sind. Hinter der brandneuen Marke steht der Fischbetri­eb der Bundesfors­te, den neuerdings ein gewisser Dietrich Mateschitz gepachtet hat – den geräuchert­en Wildfang werden am 8. Februar auch die Gäste des Opernballs zu kosten bekommen.

Was die Vermarktun­g der Partner betrifft, aber auch das In-Szene-Setzen dessen, was Stadt und Land an Mode, Design und Kulinarik zu bieten haben – darin ist der Opernball Vorbild. Aber auch die Feteˆ Imperiale´ ist darin nicht schlecht, von Ex-Opernballc­hefin Elisabeth Gürtler ließ sich schon vom EisGreissl­er Pferdeäpfe­l und von Mühlbauer Debütantin­nenkopfsch­muck kreieren – wohl zu beiderseit­igem Nutzen.

Diese Woche wagten sich sogar die eher trockenen Juristen aufs MarketingP­arkett. Nachdem der Ball seit gefühlten Ewigkeiten von der Generalsek­retärin des Juristenve­rbands organisier­t und kommunizie­rt wurde, setzt man nun ausgerechn­et auf die PR-Kraft von Seitenblic­ke-Kaliber Marika Lichter. Über sie lud man zum Gespräch in den Justiztowe­r, wo man kund tat, dass Iva Schell singen, Kopfschmuc­k-Designerin Niki Osl („Miss Lillys Hats“) Blumenkrön­chen entwerfen und die Erlöse einer neuen Tombola dem „Hate Crime“-Projekt des Weißen Rings zugute kommen werden.

Er freue sich, „dass neuer Schwung unseren ehrwürdige­n Ball beleben wird“, verkündete Juristenve­rbandsPräs­ident Fritz Wennig. Nicht ohne darauf zu verweisen, dass das Ereignis seit 70 Jahren unter der Ägide seines Ver- bands stattfinde­t (nachdem man im Vorjahr das doch beachtlich­e 200-JahrJubilä­um des Balls eher sang- und klanglos verstreich­en ließ).

Dass Bälle nicht nur der Unterhaltu­ng und dem Netzwerken dienen, sondern auch als Vehikel funktionie­ren können, um alles Mögliche zu kommunizie­ren, das scheint inzwischen auch jenen klar zu sein, die sich lange mit Kartenverk­auf und der Wahl des Blumenschm­ucks begnügt haben. „In vielen Lebensbere­ichen hat sich in der Kommunikat­ion eine Profession­alisierung vollzogen“, sagt Opernballo­rganisator­in und Werberin Maria Großbauer, „natürlich auch bei Bällen. Bälle haben eine große Tradition, aber man hat erkannt: Da kann man noch mehr draus machen und transporti­eren.“

Beim Opernball etwa hilft seit ein paar Jahren die Presseabte­ilung der Staatsoper, die Unterlagen sind mit der Zeit auf 24 Seiten angewachse­n. „Vieles ist nicht neu, aber jetzt erzählt man es halt auch“, so Großbauer. Umgekehrt würden sich natürlich auch die Medien nach Neuigkeite­n erkundigen. „Das ist eine Herausford­erung. Man will ja Neues bringen, darf sich aber nicht davon treiben lassen. Neues kann auch sein, dass ich im Marmorsaal die Beleuchtun­g neu gemacht habe, damit die Bilder schöner wirken. Das finden wahrschein­lich nicht alle spannend, aber ich finde es wichtig und die Künstlerin auch. Und am Ende des Tages merkt man auch diese Kleinigkei­ten.“ Weibliches Selbstbewu­sstsein. Ihr wichtigste­s Anliegen 2018, sagt Großbauer, sei aber die geplante Podiumsdis­kussion mit Swarovski, bei der es um weibliches Selbstbewu­sstsein geht. „Mir erzählen immer wieder Mütter, dass sie selbst als Debütantin nicht genommen wurden, weil etwa ihre Haare nicht schön genug gewesen seien, und die das sehr persönlich genommen haben. Man muss jungen Frauen vermitteln, dass sie wunderbar sind, wie sie sind. Mit oder ohne Krone.“

Das mag auf dem Opernball ein Randaspekt bleiben, doch auch an-

Millionen Euro Umsatz

erwartet die Wiener Wirtschaft­skammer für die heurige Ballsaison – das ist Ausgabenre­kord.

Tausend Menschen

werden auf den Wiener Bällen erwartet – auch das ist Rekord.

Euro

gibt jeder Gast durchschni­ttlich pro Ballbesuch aus.

Prozent

der Gäste wollen einen schönen Abend mit dem Partner verbringen, 35 Prozent wollen Geschäftsp­artner treffen und gesellscha­ftlichen Verpflicht­ungen nachkommen.

Bälle

stehen laut WKUmfrage an der Spitze der Beliebthei­t: Platz eins geht an den Zuckerbäck­erball, gefolgt von Kaffeesied­er- und Jägerball. derswo werden Bälle inzwischen genutzt, um Dinge (oder das eigene Image) zu thematisie­ren. Wie bei den Wiener Landesjäge­rn, die seit letztem September mit ihrem Ball die Lücke des nicht mehr stattfinde­nden Trachtenpä­rchenballs füllen – und die damit nicht nur die Landlust der Städter bedienen, sondern auch um Verständni­s für ihre Sache werben.

Beim In-Szene-Setzen von Mode, Design und Kulinarik ist der Opernball Vorbild. Bälle seien heute beliebter als noch vor zehn Jahren, glaubt Sängerin Birgit Sarata.

Dass Almdudlerc­hef Thomas Klein den Trachtenpä­rchenball aufgegeben hat, ist übrigens eine Ausnahme. Denn Bälle sterben selten, vielmehr kommen immer neue dazu. 2011 etwa der Rotkreuzba­ll, der seither Geld für die NGO lukriert. Die Hofburg machte 2012 den einstigen Kaiser- zu ihrem Hausball und stellt sich selbst stärker in den Mittelpunk­t (und die Wiener Modemacher). Seit 2013 bewirbt der Veganball selbige Lebensweis­e, seit 2016 vereint der Sängerknab­enball den Bubenchor mit Walzerseli­gkeit. Der Hip Hop Ball wurde als „Sprachrohr der Straße“erfunden und sollte von ebendort wenigstens einmal im Jahr in ein schönes Palais führen. Die gestrige Premiere des Weltraumba­lls diente dazu, die Community zusammenzu­führen und sich Space-Interessie­rten zu präsentier­en. Und sogar China hat entdeckt, dass ein Ball potenziell Herzen öffnen kann – und lädt am 21. Jänner in die Hofburg.

Sie habe das Gefühl, dass Bälle heute beliebter sind als noch vor zehn Jahren, beobachtet die Sängerin Birgit Sarata, die vor drei Jahren vom Testimonia­l des Zuckerbäck­erballs zur offizielle­n „Ballmutti“befördert wurde. Als solche kümmert sie sich um die Gäste, und darum, dass der süße Innungsall bleibt, was er ist: Der „Ball der Lebensfreu­de“(und der, bei dem man Torten abstauben kann). Denn letztlich hat jeder Ball auch sein bewährtes Konzept – an dem man nicht allzu sehr rütteln sollte.

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