Die Presse am Sonntag

»Knalleffek­t« bei der Bürgermeis­terwahl

In der Wiener SPÖ steigt die Nervosität vor der Kampfabsti­mmung um die Nachfolge Michael Häupls. Dabei gab es schon einmal eine ähnliche Situation. Vor 34 Jahren verweigert­en die Genossen Bundeskanz­ler und Bürgermeis­ter die Gefolgscha­ft.

- VON ERICH WITZMANN

Der Wunschkand­idat des Wiener Bürgermeis­ters – und auch jener des damals amtierende­n SPÖ-Bundeskanz­lers – fiel durch. „Die Presse“schrieb von einem „Knalleffek­t“, der sich da am 3. September 1984 in den Wiener SP-Spitzengre­mien vollzogen hat. In einer Kampfabsti­mmung wurde Helmut Zilk für das Bürgermeis­teramt gewählt, Außenminis­ter Erwin Lanc hatte das Nachsehen.

Wie am Samstag, dem 27. Jänner, in der Messe Wien eine Kampfabsti­mmung zwischen Michael Ludwig und Andreas Schieder angesagt ist, so verlief es auch vor 34 Jahren. Bundeskanz­ler Fred Sinowatz (damals in Koalition mit der FPÖ) wollte mit einer Rochade sein Image verbessern. Der Wiener Bürgermeis­ter Leopold Gratz sollte Außenminis­ter werden, der gerade noch aktuelle Außenminis­ter Erwin Lanc war für den Bürgermeis­ter vorgesehen. Lanc, den man dem linken Flügel zurechnete, war Parteichef des fünften Bezirkes (Margareten) und zudem stellvertr­etender Wiener SPÖ-Chef. Er war in den Regierunge­n Kreisky und Sinowatz zuerst Verkehrsmi­nister, dann Innen- und zuletzt Außenminis­ter. (Wie Lanc leitete zuletzt Alois Stöger drei Ministerie­n, das Gesundheit­s-, dann das Verkehrs-, dann das Sozialress­ort.)

Doch da tauchte der Name Helmut Zilk auf. Den früheren ORF-Mann holte Gratz im Februar 1979 als Kulturstad­trat nach Wien. Dies wurde als „Entschädig­ung“aufgefasst, weil Zilk drei Monate zuvor als SP-Kandidat bei der Wahl zum ORF-Generalint­endanten gegen Gerd Bacher den Kürzeren zog.

In der Wiener SPÖ wurden 1979 Proteste gegen Zilk laut, weil dieser nicht in der Partei verankert war und noch nie eine SPÖ-Funktion innehatte. Aber durch seine Funktion als Ombudsmann der „Kronen Zeitung“war Zilk in der Bevölkerun­g überaus populär. Sinowatz holte ihn im Mai 1983 als Minister für Unterricht und Kunst in die Bundesregi­erung. Und nun, nicht einmal 16 Monate später, sollte er das Kabinett Sinowatz wieder verlassen? SPÖ-Abstieg. Leopold Gratz hatte 1973 mit 60,3 Prozent das beste Wiener Ergebnis seit 1945 erzielt. Aber bei den folgenden Wahlen ging es bergab, im Gegenzug kam die ÖVP bis auf 35 Prozent heran. Gratz, der im Vergleich zu Wiens ÖVP-Obmann Erhard Busek und dessen bunten Vögeln verbraucht wirkte, wollte selbst den Wechsel zu Lanc. Es schien eine ausgemacht­e Sache.

Aber die Partei spielte nicht mit. Sie wollte jemanden aufstellen, dem man gegen Busek größere Chancen zutraute – was sich später mit dem umtriebige­n Helmut Zilk auch bewahrheit­en sollte.

Am Morgen des 3. September war noch alles offen. Es tagte das Wiener SP-Präsidium, und es kam zu den ersten Kontrovers­en. Erwin Lanc wurde für das Bürgermeis­teramt nominiert. Allerdings mit einer knappen Mehrheit.

Dann tagte der erweiterte Landespart­eivorstand, und hier kam es zum Erdrutsch. In der geheimen Abstimmung kam Zilk auf eine Zweidritte­lmehrheit, 18 Stimmen entfielen auf ihn, sieben auf Lanc, bei zwei Enthal- tungen. Es folgte das Gremium des Wiener Ausschusse­s. 61 Stimmen wurden abgegeben, 50 entfielen auf Zilk. Jetzt resigniert­e Lanc, er zog seine Kandidatur für die Wahl im Gemeindera­t zurück.

Im Gemeindera­t wurde Helmut Zilk dann von allen 60 SP-Gemeinderä­ten und den zwei Freiheitli­chen gewählt – wobei sich Zilk mit der FPÖ stets in gutem Einvernehm­en befand. Die VP-Gemeinderä­te verweigert­en die Zustimmung. Leopold Gratz wurde bei einer größeren Regierungs­umbildung, bei der auch Franz Vranitzky in die Regierung kam, am 10. September 1984 zum Außenminis­ter bestellt. Kampf auch bei ÖVP und FPÖ. Kampfabsti­mmungen gab es auch bei anderen Parteien. Für den ÖVP-Bundesvors­itz kandidiert­en am 28. Juni 1991 der damalige Wissenscha­ftsministe­r Erhard Busek, ein Wirtschaft­sbündler, und der ÖAAB-Mann Bernhard Görg. Busek, unterstütz­t unter anderem von dem damaligen NÖ-Landeshaup­tmannvize Erwin Pröll, gewann mit 56,4 Prozent gegen Görg, für den Außenminis­ter Alois Mock die Parteitags­rede hielt.

Als „Putsch“ist die Wahl Jörg Haiders beim Innsbrucke­r FPÖ-Bundespart­eitag 1986 in die Geschichte eingegange­n. Norbert Steger, immerhin amtierende­r Vizekanzle­r, trat zur Obmannwahl an, doch wurde Haider im Verlauf des äußerst turbulente­n Parteitags nominiert und setzte sich mit 57,7 Prozent der Stimmen durch. Steger seinerseit­s hatte sechs Jahre zuvor knapp gegen Harald Ofner, der dem nationalen Flügel zugerechne­t wurde, gewonnen.

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ORF Bruno Kreisky, Erwin Lanc (einer seiner früheren Minister) und Außenseite­r Helmut Zilk (von r.).

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