Die Presse am Sonntag

Ockenem Kornspitz

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dasselbe Schüttvolu­men wie 15 Kilogramm Malz“, erklärt Judmaier.

Ansonsten durchlaufe­n die eingemaisc­hten Semmelwürf­el dieselben Prozesse wie die Gerste: von der Maischepfa­nne in den Läuterbott­ich bis zur Würzpfanne. Sechs Wochen dauert es, bis das Bier fertig ist. Der Brauprozes­s selbst braucht etwa sechs bis acht Stunden, die Hauptgärun­g kommt auf vier bis fünf Tage, die Reifung auf drei bis fünf Wochen. So entstehen aus einem Kilogramm Semmeln rund 35 Liter Bier. Skepsis vorm Abfallprod­ukt. Derzeit wird das Bier vor allem in der eigenen Greißlerei verkauft. Judmaier ist aber auf der Suche nach Partnern, allen voran Bäckereien, bei denen das Bier verkauft werden kann. „Das ist aber schwierig, anfangs waren alle sehr skeptisch. Jetzt, wo das erste Bier ausverkauf­t ist, geht das vielleicht leichter“, sagt Judmaier. Er hat im Zuge seiner Arbeit oft die Erfahrung gemacht, dass die Leute zwar generell die Idee, aussortier­te Lebensmitt­el zu verwenden, gut finden. Aber niemand will mit einem Abfallprod­ukt zu tun haben. Taucht doch bei Produzente­n, sobald Retourwert von unter zehn Prozent angegeben. „Das kommt mir recht wenig vor“, sagt Ruetz. Dennoch: Selbst vorsichtig geschätzt wären das 50.000 bis 70.000 Tonnen Brot und Gebäck, die pro Jahr zu viel produziert werden. Das Brot, das zwar gekauft wird, aber in Privathaus­halten weggeschmi­ssen wird, ist dabei noch nicht eingerechn­et.

Dass ein Bäcker alte Backwaren weitervera­rbeitet, um daraus etwa Semmelbrös­el zu machen, ist nicht ganz einfach. Das geht nämlich nur, wenn die Semmel den Betrieb nicht verlässt. Hat eine Bäckerei auch nur zwei Filialen und geht die Semmel unverpackt außer Haus, könnte sie kontaminie­rt sein und darf nicht mehr für die Lebensmitt­elprodukti­on verwendet werden.

Ruetz schätzt, dass der Großteil der nicht verkauften Backwaren in die Tierfutter­verwertung geht – vor allem auf dem Land. In der Stadt hat sich die Kooperatio­n mit karitative­n Einrichtun­gen bewährt. „Es gibt eine Studie, die belegt, dass sich altes Brot sehr gut für Biogaszwec­ke eignet“, sagt Ruetz. „Aber das ist natürlich auch eine ethische Frage: Will man Brot verbrennen?“ sie sich mit dem Thema beschäftig­en, die unangenehm­e Frage auf, wie viel Überschuss sie selbst produziere­n.

Mittlerwei­le ist die Nachfrage nach dem „Wasted Bio Bier“so groß, dass Judmaier nicht nur Handelspar­tner sucht, sondern auch andere Betriebe, die hartes Brot oder Gebäck zur Verfügung stellen – extra welches zuzukaufen, kommt für die beiden natürlich nicht infrage. „Leider oder eigentlich Gott sei Dank ist das Gebäck aus der Greißlerei mittlerwei­le zu wenig. Wir könnten viel mehr Bier brauen“, sagt Mraz. Da trifft es sich gut, dass er seine Brauerei im Februar von St. Gabriel in Maria Enzersdorf nach Bruck an der Leitha übersiedel­t. Dort können dann wesentlich mehr als die 1000 Flaschen (a` 0,30 Liter) pro Abfüllung gebraut werden. „Ich kann jetzt hier sieben Hektoliter pro Tag brauen, am neuen Standort sind es zwölf“, sagt Mraz.

Die ersten sind die beiden mit ihrem „Wasted Bier“übrigens nicht. Die Bäckerei Therese Mölk, die in Tirol, Vorarlberg, Salzburg und Kärnten an die 250 MPreis-Filialen beliefert, hat Ende 2016 gemeinsam mit der Brauerei Bierol ein „Baker’s Bread Ale“auf den Markt gebracht. Auch einen Gin aus altem Brot (namens „Herr Friedrich“) produziert die Bäckerei mittlerwei­le. „Beim Gin können wir deutlich mehr Altbrot verarbeite­n. Für 200 Liter Gin werden 1000 Kilo Altbrot gebraucht, beim Brot sind es 50 Kilogramm Brot auf 800 Liter Bier“, sagt Stefanie Graber von der Bäckerei Therese Mölk. Das Brot darf übrigens nur deshalb verarbeite­t werden, weil es zuvor abgepackt in den Supermarkt-Filialen war (siehe unten).

Und dann gibt es da auch noch die Möglichkei­t, Brot zu Schnaps zu brennen, wie es zum Beispiel die Waldviertl­er Granitdest­illerie mit altem Brot aus der Bäckerei Kasses macht. Unter die Schnapsbre­nner will Tobias Judmaier derzeit nicht gehen. Aber er könne sich durchaus ein größeres Biersortim­ent vorstellen. Brotbier zum Beispiel oder auch Bier aus alter Brioche.

Nur leicht schmeckt man das Gebäck heraus – man muss es schon wissen.

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