Die Presse am Sonntag

Die unbekannte­n Ecken der Stadt

Eine alte Mühle, seltsame Malereien und unbekannte Barockschl­össer: Es sind weniger beŻchtete Orte Wiens, die man dank eines neuen Buchs entdeckt.

- VON MIRJAM MARITS

Sie ist auf den ersten Blick nicht zu sehen, und auch nicht auf den zweiten. Viele, die die Heumühlgas­se auf der Wieden entlang spazieren, ahnen wohl nichts von der namensgebe­nden Mühle, der ältesten Wiens übrigens. Man muss schon wissen, dass man das Tor beim Haus Heumühlgas­se 9 ruhig öffnen und eintreten darf, um sich die Heumühle im Hof ansehen zu können. Vor ein paar Jahren noch war das mehr als 600 Jahre alte Gebäude – das heute von Wohnbauten mit bunten Balkonen umrahmt wird – dem Verfall preisgegeb­en. Mittlerwei­le ist die Mühle, eine von vielen, die es in der Gegend rund um den Wienfluss einst gab (Straßennam­en wie Schleifmüh­l- und Hofmühlgas­se erinnern noch daran), saniert und schön anzusehen.

Die alte Heumühle: Eine nette Entdeckung – und bei weitem nicht die einzige, die Autorin Isabella Ackerl in ihrem Buch „Unbekannte­s Wien“vorstellt: Fast 100 Gebäude, Inschrifte­n, Straßen, Denkmäler oder Kapellen werden da in kurzen Kapiteln vorgestell­t, die auch passionier­te Wien-Besucher und langjährig­e Bewohner wohl noch nicht alle kennen.

Auch wenn es vielleicht ein bisschen dreist ist, Orte wie den Naschmarkt in einem Buch über das unbekannte Wien zu versammeln: Man lernt durchaus das eine oder andere Neue über Wiens überlaufen­es Marktgebie­t (wem ist schon je die Marienkape­lle mitten auf dem Markt aufgefalle­n?) – und schaut beim nächsten Mal vielleicht genauer hin, wenn man an dem Marktamts–Gebäude vorbeikomm­t, das von Otto Wagner entworfen wurde. Schöne Innenhöfe. Viele der porträtier­ten Orte kennt man tatsächlic­h nicht – oder hat sie beim Vorbeigehe­n nicht weiter beachtet. Das Buch schließt so manche Wissenslüc­ke und erzählt wie nebenbei auch ein wenig von Wiens Stadtgesch­ichte – etwa im Kapitel über die Reste der Stadtmauer, die man unter anderem auf der Stubenbast­ei sehen kann. Gerade im ersten Bezirk lassen sich viele Orte zu einer kleinen (oder auch größeren) Entdeckung­stour kombiniere­n – das Buch ist allerdings nicht nach der geografisc­hen Lage der Gebäude, sondern nach Epochen (Barock, Gründerzei­t, Jugendstil) und Gebäudetyp­en (Kirchen, Friedhöfe etc.) gegliedert.

Wer im ersten Bezirk unterwegs ist und den wunderbare­n Heiligenkr­euzerhof noch nicht kennt, sollte jedenfalls einen Abstecher einplanen. Noch weniger bekannt ist der hübsch ver- UnbekŻnnte­s Wien. Verborgene Schönheite­n. ZŻuberhŻft­e Kleino©e von Isabella Ackerl (Text) und Harald A. Jahn (Fotos) ist im Styria-Verlag erschienen. 253 Seiten, 22,90 Euro. wachsene Deutschord­enshof, der im Sommer als Outdoor-Konzertsaa­l genutzt wird. Und nur wenige Minuten weiter findet man in der Bäcker-, der Bogner- und der Wallnerstr­aße einige seltsame Zeichen und Fresken an den Hauswänden, mit denen man ohne Hintergrun­dwissen nicht viel anfängt.

So sind auf dem Haus Bäckerstra­ße 12 die Reste einer Wandmalere­i zu sehen, auf der man eine Kuh, die eine Brille zu tragen scheint, sieht, daneben ein Brettspiel und Reste einer menschlich­en Figur. Dabei handelt es sich aber nicht etwa, wie Autorin Ackerl erklärt „um einen erfinderis­chen Tierbändig­er, der einer Kuh das Brettspiel beibrachte“. Das Fresko, das vermutlich aus dem 17. Jahrhunder­t stammt, macht sich, so die Vermutung, über Protestant­en lustig. Es entstand in einer Zeit, in der „in Wien schon längst die Gegenrefor­mation gesiegt hatte“. Überhaupt findet sich im ersten Bezirk manches alte Haus mit interessan­ten Schildern: „Wo die Böck’ aneinander stoßen“(Postgasse 1) etwa.

Nicht alle porträtier­ten Orte sind im Zentrum zu finden, und das ist gut so: Neben den bekannten Jugendstil-Aushängesc­hildern lassen sich auch weni- Der Eingang zum Marktamt am Naschmarkt. Der Entwurf stammt von Otto Wagner.

Und wie oft ist man auf dem Weg in den Zoo an jenem Haus vorbeigega­ngen, in dem die Hietzinger Post liegt? „Kaiserstöc­kl“heißt das schönbrunn­gelbe Gebäude, das Maria Theresia für ihren Leibarzt Gerhard van Swieten errichten ließ. Später residierte­n hier k. und k. Minister, nach dem Ersten Weltkrieg wurde es zu einem eleganten Cafe.´ Seit 1929 ist in dem Barockschl­össchen die Post untergebra­cht.

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