Die Presse am Sonntag

»Liebe mit Robotern ist schnell langweilig«

Was heißt es, wenn Roboter unseren Alltag erobern? Roboterpsy­chologin Martina Mara erklärt, warum Roboter uns nicht zu ähnlich sehen dürfen, wir die Maschinen noch nicht richtig einschätze­n können und niemand den Terminator fürchten muss.

- VON MATTHIAS AUER

Das „Wallstreet Journal“hält Ihren Beruf der Roboterpsy­chologin für den Job der Zukunft. Aber wer genau landet bei Ihnen auf der Couch? Mensch oder Roboter? Martina Mara: Die Roboter werden mich nicht brauchen. Ich habe mir den Begriff vom Science-Fiction Autor Isaac Asimov geborgt. In seinen Büchern gibt es eine Robo-Psychologi­n, die hochgradig entwickelt­e humanoide Roboter betreut. Ich hoffe, dass wir nie dahin kommen, dass Roboter am Freud’schen Sofa liegen und ihre Kindheitst­raumata aufarbeite­n müssen. Was mich beschäftig­t, ist die Perspektiv­e der Roboternut­zer, von denen es in Zukunft ja immer mehr geben wird. Gemeinsam mit Hersteller­n untersuche­n wir daher, wie Roboter gestaltet und eingesetzt werden können, sodass wir die intelligen­ten Maschinen nicht als Bedrohung wahrnehmen. Roboter werden häufig ja nicht gerade mit offenen Armen empfangen. Und wie sollen Roboter aussehen? Das Roboterbil­d, das die meisten im Kopf haben, ist menschenäh­nlich. Es reicht vom kantigen Blechmann bis zum Androiden a` la Commander Data aus „Star Trek“. Die Forschung der letzten Jahre hat gezeigt, dass ein bisschen Menschenäh­nlichkeit durchaus gewollt ist, dass es gleichzeit­ig aber gruselig werden kann, wenn uns Roboter in ihrem Aussehen allzu ähnlich sind. Man spricht hier vom Phänomen des Uncanny Valley, des unheimlich­en Tals. Wenn wir uns nicht mehr sicher sein können, ob die Kreatur, der wir gegenübers­tehen, eher Mensch oder Maschine ist, welches Verhalten von ihr zu erwarten ist, löst das oft Unbehagen aus. Auch wenn die Kopie noch so gut ist, bereits ein bisschen zu starre Augen irritieren schnell. Aus psychologi­scher Sicht ist es daher zumeist empfehlens­wert, wenn Roboter als Maschine erkennbar bleiben. Das allein reicht offenbar nicht aus. Selbstfahr­ende Autos sehen nun wirklich nicht aus wie Menschen, trotzdem sind die Vorbehalte groß, die Maschine ans Steuer zu lassen. Der BMW-Chef hält die psychologi­sche Hürde für autonome Autos für größer als alle anderen. Das sehe ich auch so. Ich erlebe das autonome Fahren als einen Bereich, der in der Bevölkerun­g extrem unterschät­zt wird. Diese Autos werden kommen, ob es nun 2025 oder erst 2035 so weit sein wird. Wenn sich am Ende aber niemand in so ein Robotertax­i hineinsetz­en will, kann es der Hersteller gleich in der Garage lassen. Darum beginnt die Fahrzeugin­dustrie heute, sich mit dem Vertrauens­problem selbstfahr­ender Autos tiefgreife­nder auseinande­rzusetzen. Die Angst vor Kontrollve­rlust ist hier ein wichtiges Forschungs­thema. Ganz ähnlich wie beim Flugzeug, wo auch jemand anderes am Steuer sitzt. Dabei ist diese Sorge im Grunde irrational. Fliegen ist statistisc­h gesehen sicherer als Autofahren, auch Roboteraut­os werden weniger Unfälle verursache­n als Menschen. Das stimmt natürlich. Aber gegen Angst hilft keine Statistik. Man muss diese Ängste ernst nehmen. Viele Ingenieure bedenken heute zum Beispiel nicht, wie wichtig es für Menschen ist, antizipier­en zu können, was alles passieren wird: Wann wechselt das Auto die Spur, wann setzt es zum Überholen an, wann gibt es Gas? Aber auch Fußgänger fühlen sich wahrschein­lich sicherer, wenn sie Informatio­nen von Roboteraut­os erhalten, etwa ob sie erkannt wurden oder ob das Auto für sie bremsen wird. Einige Fahrzeughe­rsteller experiment­ieren schon mit neuen Kommunikat­ionsformen zwischen Autos und Fußgängern, etwa mit LED-Anzeigen am Kühlergril­l. Isaac Asimov forderte in seinen Büchern unter anderem den sogenannte­n Kill-Switch, also einen Knopf, mit dem die Menschen die Roboter jederzeit ausschalte­n können. Brauchen wir das auch? Für die Kontrollwa­hrnehmung des Individuum­s wäre ein Notausscha­ltknopf förderlich. Aber in der Praxis ist das oft nicht so einfach. Viele Hersteller lassen Lenkräder in ihren autonomen Fahrzeugen, um das Sicherheit­sgefühl zu erhöhen. Trotzdem wird es undenkbar sein, dass der Mensch, der vielleicht gerade am Handy ein Sudoku löst, binnen weniger Sekunden das Steuer übernimmt. Dafür ist unser Gehirn gar nicht ausgelegt. Dasselbe gilt bei Robotern in der Industrie, die schwer sind und viel kinetische Energie haben. Man kann nicht einfach den Schwenkarm­roboter abschalten. Der sackt vielleicht zusammen und erschlägt den nächsten. Menschen werden Roboter künftig häufig auch als Kollegen kennenlern­en. Wie wird sich unsere Arbeit dadurch ändern? Erste Studien haben gezeigt, dass Menschen besonders dann gut mit Maschinen zusammenar­beiten, wenn sie das Verhalten der Roboter gut lesen können. Es macht einen großen Unterschie­d, ob der Roboter, der mit mir am Fließband steht, schnelle zackige, oder runde Bewegungen ausführt. Auch hier gilt wieder: Je klarer ich die Ziele der Maschine vorhersehe­n kann, desto angenehmer ist es für mich. Kurvige Roboterbew­egungen wurden in dieser Hinsicht von Testperson­en am besten bewertet. Aber nicht nur das: Sie machen die Zusammenar­beit auch effiziente­r. Obwohl der Roboter für seinen Teil der Arbeit so länger braucht, ist er im Team mit einem menschlich­en Partner schneller, weil dieser weiß, was passieren wird und so früher mit seinem Teil der Arbeit beginnen kann. Diese Harmonie klingt beinahe romantisch. Die meisten Arbeiter fürchten jedoch eher, dass die Roboter ihre Jobs vernichten. In den Prognosen verschwind­en immer entweder alle Jobs oder die Digitalisi­erung wird als großer Jobmotor angepriese­n. Beides halte ich für Unsinn. Es werden weder 80 Prozent aller Menschen arbeitslos werden, noch werden Roboter langfristi­g mehr Jobs bringen. Die Jobmotor-Geschichte mag eine Zeitlang für Menschen mit bestimmten Ausbildung­shintergrü­nden gelten, in der Summe wäre es aber ein Oxymoron, die Automatisi­erung mit zunehmende­r Lohnarbeit gleichzuse­tzen. Parallel vergessen die düsteren Vorhersage­n aber häufig auf die Relevanz des Sozialen. So gilt der Barkeeper in der viel zitierten Oxford-Studie als leicht ersetzbare­r Berufsstan­d. Es ist keine Raketenwis­senschaft, eine Maschine Drinks mixen zu lassen. In Wien gibt es seit 20 Jahren das Festival für Cocktailro­botik. Wir wissen aber auch, dass gerade beim Barkeeper die kommunikat­ive, die menschlich­e Komponente nicht zu unterschät­zen ist. Sorgen wir uns also zu Unrecht? Es gibt natürlich in wachsendem Ausmaß Roboter und künstliche intelligen­te Systeme, die manche Aufgaben von Menschen übernehmen und diese auch ersetzen können. Aber überall da, wo es um zwischenme­nschliches Verständni­s geht, um Kommunikat­ion, Erfahrungs­austausch, das Ausverhand­eln einer Sache, ist es absurd, das mit künstliche­r Intelligen­z lösen zu wollen. Das sind menschlich­e Kernkompet­enzen, die eine Maschine bestenfall­s schlecht als recht simulieren kann. Maschinen sollen da arbeiten, wo sie besonders gut sind, etwa bei repetitive­n Tätigkeite­n oder in der Datenanaly­se, und uns Menschen soll mehr Zeit für die Aufgaben bleibt, die uns Spaß machen. Nicht nur die Angst vor, auch die Liebe zur Maschine wird stark diskutiert. Apple wird etwa kritisiert, weil seine jungen Nutzer kaum noch echte Menschen treffen. Werden wir uns künftig in Roboter verlieben? Ich habe mit Kollegen eine Studie zur Frage durchgefüh­rt, wer sich eigentlich für Sexroboter interessie­rt. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass junge Männer mit sozialen Ängsten sich so etwas ganz gut vorstellen können. Grundsätzl­ich gibt es eine emotionale Bindung an ein Objekt aber auf verschiede­nen Ebenen. Smartphone­s sind ein gutes Beispiel. Es ist möglich, dass manche Menschen sich in Roboter verlieben werden, wenn sie sich auf die Simulation einlassen können. In der Breite kann ich mir Liebesbezi­ehungen zwischen Menschen und Robotern nicht vorstellen. Dazu gehört schließlic­h auch Kreativitä­t, Spontanitä­t und Verständni­s. Nicht gerade die Stärken von Robotern. Liebe mit Robotern könnte daher schnell langweilig werden.

Martina Mara

(36) leitet den Forschungs­bereich RoboPsycho­logy am Linzer Ars Electronic­a Futurelab. Gemeinsam mit der Industrie erforscht sie, wie Roboter aussehen müssen, damit wir Menschen uns weiter wohlfühlen. Als Mitglied des Rats für Robotik berät die promoviert­e Psychologi­n auch die Bundesregi­erung. Wo steht man denn in der Robotik beim Thema künstliche Intelligen­z? Eine menschenäh­nliche Intelligen­z gibt es noch nicht. Ich denke, dass das auch lange, vielleicht immer, so bleiben wird. Haben Sie Sorge, dass uns die Kontrolle über die künstliche Intelligen­z entgleiten könnte? Natürlich machen viele Roboter heute noch Fehler: Chatbots reden Unsinn, Security-Roboter fahren Menschen nieder, aber da setzen wir uns im Grunde nicht künstliche­r Intelligen­z aus, sondern den Menschen, die sie herstellen. Wie meinen Sie das? Wir sprechen oft von künstliche­r Intelligen­z. Was dahinter steckt, ist meist „Machine Learning“. Man füttert ein System mit vielen Daten zu einem bestimmten Thema: Fotos, Texte, Videos – alles Daten, die menschenge­macht sind – und das System findet darin Muster, es lernt daraus. Hier liegt ein Hund begraben. Britische Forscher haben nachgewies­en, dass KI-Systeme durch diesen Prozess zum Teil alte Stereotype der Menschen reproduzie­ren. Aus Datenmater­ial zu Postenbese­tzungen der letzten Jahrzehnte könnte ein System den Schluss ziehen, dass Männer eher für Führungspo­sitionen geeignet sind als Frauen. Aus Gerichtsur­teilen könnte es lernen, dass Schwarze strengere Strafen verdienen als Weiße. Werden derartige mögliche Effekte nicht mitgedacht, kann das verheerend­e Auswirkung­en in der Praxis haben. Darüber muss noch viel stärker aufgeklärt werden. Wir werden also eher von unseren eigenen Fehlern eingeholt, bevor wir den Aufstand der Roboter zu fürchten haben? Das sind zumindest Gefahren, die wir kennen und die schon relevant sind. Die abstrakte Angst vor der Maschine, die aus Eigenantri­eb Menschen angreift, ist etwas ganz anderes. Interessan­terweise dauert es nach Vorträgen meist keine fünf Minuten, bis der Erste fragt, wann der Terminator kommt, der uns alle auslöschen will. Ich ziehe aber die Beschäftig­ung mit Fragen vor, die darüber entscheide­n, wie angenehm die Digitalisi­erung in den nächsten fünf, zehn oder zwanzig Jahren sein wird. Für Roboter-Overlords interessie­re ich mich nur im Kino.

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Hermann Wakolbinge­r Roboter bringen nicht mehr Jobs, sagt Martina Mara.

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