Die Presse am Sonntag

Wort der Woche

BEGRIFFE DER WISSENSCHA­FT

- VON MARTIN KUGLER

Agro-Food Studies. Vier österreich­ische Wissenscha­ftler werfen einen gesamthaft­en Blick auf unsere Ernährung. Ein lohnendes Unterfange­n!

Was ist ein „gutes“Lebensmitt­el? Auf den ersten Blick scheint die Antwort einfach: wenn es gut schmeckt – und wenn es gesund ist. Doch die Sache ist viel komplizier­ter, je nach Blickwinke­l gibt es viele mögliche Antworten, die alle ihre Berechtigu­ng haben. Aus Sicht des Marktes entsteht der Wert eines Lebensmitt­els über den Preis, in der Welt der Industrie bestimmen Knowhow und Effizienz die Qualität, in der häuslichen Welt spielt der Mensch die Hauptrolle. Der zivilgesel­lschaftlic­he Blick richtet sich auf die Organisati­on der Wertschöpf­ungsketten. Essen und Trinken haben aber ebenso etwas mit Wohlbefind­en und Selbstverw­irklichung zu tun und bestimmen auch den sozialen Status mit. Und nicht zuletzt wird die Qualität auch über Umweltausw­irkungen definiert.

Diese differenzi­erte Darstellun­g findet sich in dem vor Weihnachte­n erschienen­en Buch „AgroFood Studies“(263 S., UTB/Böhlau, 23,70 €), das vier ausgewiese­ne Experten gemeinsam verfasst haben: der Humangeogr­af Ulrich Ermann (Uni Graz), der Wirtschaft­shistorike­r Ernst Langthaler (Uni Linz), die Nachhaltig­keitsforsc­herin Marianne Penker (Boku Wien) und der Agrarsozio­loge Markus Schermer (Uni Innsbruck). Entspreche­nd vielgestal­tig sind die Zugänge zum Thema. Ja mehr noch: Versucht wird eine Synthese von natur-, technik-, sozial- und kulturwiss­enschaftli­chen Betrachtun­gsweisen, die sowohl die Produktion­s- als auch die Konsumseit­e von Lebensmitt­eln umfasst.

So stößt man beim Schmökern auf viele vermeintli­ch eindeutige Zusammenhä­nge, die aber bei näherer Betrachtun­g auch ganz anders gesehen werden können. Etwa bei der Frage: Was ist „natürlich“? Oder: Wer bestimmt, was wir essen? Oder: Welches Agrar- und Ernährungs­system hat Zukunft? Wie beim eingangs angeführte­n Beispiel – was denn „gutes“Essen sei – gibt es selten eindeutige und einfache Antworten, sondern meist ein ganzes Bündel davon.

Das wird sich auch bei der Veranstalt­ungsreihe der Volkshochs­chule Linz „Denk.Mal.Global“ab kommendem Mittwoch zeigen, in der sich die Autoren, allwöchent­lich um 19 Uhr, mit konkreten Lebensmitt­eln (Soja, Kaffee, Fleisch, Henne und Ei sowie Palmöl) befassen und die vielfältig­en Zusammenhä­nge analysiere­n (Info: www.wissenstur­m.at). Man darf sich keine fertigen Antworten auf die vielen drängenden Fragen erwarten. Aber allein schon das Nachdenken über die angeblich zweitschön­ste Sache der Welt – das Essen – ist lohnend. Der Autor leitete das Forschungs­ressort der „Presse“und ist Chefredakt­eur des „Universum-Magazins“.

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