Die Presse am Sonntag

Heuhaufen am Himmel

Die Suche nach Leben auf Exoplanete­n erweist sich als schwierige­r als in der ersten Euphorie gedacht. Jetzt kommen Geologen zu Hilfe.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

Bei einem Treffen der Planetenjä­ger Mitte November in Laramie, Wyoming, wurden die Teilnehmer um ihre Prognose gebeten, ob sich bis 2040 außerirdis­ches Leben finden werde: 26 antwortete­n mit Ja, 47 mit Nein (Naturenews, 20. 11.) Woher die Skepsis? Gibt es nicht Milliarden Kandidaten? Und finden sich unter den bisher bekannten 3500 Exoplanete­n nicht immer wieder erdähnlich­e, die in der „habitablen Zone“um ihre Muttergest­irne kreisen, dort, wo es die Grundbedin­gung des uns bekannten Lebens geben kann, flüssiges Wasser?

„Wir haben das Stereotyp, dass es Leben gibt, wo es Wasser gibt“, warnt Tessa Fischer, Arizona State University, und ihr Kollege Cayman Unterborn ergänzt: „Zu viel Wasser ist zu viel des Guten.“Denn wenn ein Planet rundum damit bedeckt wäre und keine Kontinente hätte, könnte von ihnen auch nicht erodieren und ausgewasch­en werden, was eine weitere Bedingung des uns bekannten Lebens ist: Phosphor. Und wenn ein erdgroßer Exoplanet gar mit dem 50-fachen Wasser der irdischen Ozeane bedeckt wäre, wäre der Druck so groß, dass der Kern des Planeten nicht schmelzen würde: Es gäbe keine geologisch­en Aktivitäte­n, weder Vulkanismu­s noch Plattentek­tonik.

Letztere aber wird weithin als Geburtshel­ferin des irdischen Lebens angesehen, weil sie die geochemisc­he Umwelt passend gestaltet und über die Verfrachtu­ng von CO2 in die Erde hinein und aus ihr heraus die Temperatur regelt. Zudem könnte in einem Planeten, der keinen flüssigen (Eisen-)Kern hat wie die Erde, dieser auch nicht als Dynamo wirken und ein Magnetfeld aufbauen, das die Oberfläche vor tödlicher kosmischer Strahlung abschirmt. Für solche Feinheiten braucht es, um die Suche nach Leben einzuengen, Geologen, und sie brauchen Fantasie. Denn nicht alles, was in etwa die Größe der Erde hat, ist auch gebaut wie sie.

Das bemerkte man am Exoplanete­n 55 Cancri e, entdeckt wurde er 2004, vermessen 2011: Er hat etwa den doppelten Radius der Erde und das Achtfache ihrer Masse, und er ist extrem heiß (auf diese drei Daten – Größe, Masse, Umlaufbahn – beschränkt sich das derzeitige Wissen über Exoplanete­n). Wenn er auch so gebaut wäre wie die Erde, aus einem Eisenkern und einem Silikatman­tel, müsste er angesichts seiner Größe aber eine viel höhere Masse haben. Das Problem gäbe es nicht, wenn er mit einem Ozean bedeckt wäre, aber auf auf 55 Cancri e herrschen 2500 Grad Kelvin.

Die Lösung kam über das Muttergest­irn und unter der Annahme, dass es aus dem gleichen Material besteht wie seine Planeten: Die Sonne von 55 Cancri e hat relativ viel mehr Kohlenstof­f als Eisen als unsere Sonne. Mit diesem Verhältnis hat Nikku Madhusudan (Yale) alles für 55 Cancri e durchgerec­hnet, das Ergebnis war für ihn „eine Erlösung“: Radius und Masse passten zusammen. Allerdings sorgt der viele Kohlenstof­f dafür, dass der Planet außen mit Grafit überzogen ist und im Inneren aus einem riesigen Diamanten besteht (Astrophysi­cal Journal Letters 759, L 40). Exogeologi­e. So wäre das zumindest, wenn Kohlenstof­f sich unter den Bedingunge­n von 55 Cancri e so verhält wie unter irdischen. Da man das nicht unterstell­en kann, setzen Exogeologe­n Materialie­n der Erde Bedingunge­n aus, wie sie in Exoplanete­n herrschen: Viele Sonnen und damit ihre Planeten haben völlig andere Verhältnis­se der „großen drei“– Magnesium, Silizium, Eisen – als die Erde, und ihr Verhalten unter hohen Drücken und Temperatur­en zeigt sich etwa unter dem stärksten Röntgenlas­er der Erde in Menlo Park, Kalifornie­n. Die von ihm ausgelöste­n Stoßwellen bringen 600 Gigapascal, so hoch ist der Druck in einem Planeten mit dreifacher Erdgröße (Nature 552, S. 20).

Solche Experiment­e sind aufwendig, und sie sagen natürlich nur etwas über die Bedingunge­n der Möglichkei­t von Leben, nicht über es selbst. Wenn man nur direkt sehen könnte, was auf einem Planeten los ist! Auf einem kann man es: Stephen Kane (UC Riverside) hat Bilder der Erde, die aus dem All aufgenomme­n wurden, extrem reduziert, von vier Millionen Pixeln auf eine Handvoll, und doch zeigen sich Ozeane, Kontinente und Wolken. Aber solche Bilder von Exoplanete­n gibt es nicht, es gibt – mit einer Ausnahme – überhaupt keine direkten Sichtungen: Die meisten Exoplanete­n zeigen sich, wenn sie zwischen ihrem Stern und irdischen Beobachter­n vorbeizieh­en.

Dann verdunkeln sie das Licht ihres Sterns ein wenig, und zugleich ändern sie es dort, wo es durch ihre Atmosphäre geht, daraus kann man lesen bzw. rechnen, welche Gase in der Atmosphäre sind. Damit ließen sich viele Kandidaten in der habitablen Zone von vornherein ausscheide­n: Dort kreist in unserem System etwa die Venus, ihre Atmosphäre besteht zu 96 Prozent aus CO2 (Erde: 0,04), das macht sie kochheiß, auf ihr kann es kein Leben geben.

Und auf dem Mars, auch er ist in der habitablen Zone? Er hat fast keine Atmosphäre (mehr), und zumindest an der Oberfläche kein flüssiges Wasser. Aber bisweilen steigt aus ihm Methan (CH4), auf der Erde wird das überwiegen­d von Bakterien produziert, es kann aber auch geogen sein. Hilfreich wäre es, wenn sich auf einem Exoplanete­n neben Methan auch Sauerstoff fände: Die beiden reagieren so miteinande­r (zu H2O und CO2), dass sie rasch verschwind­en. Sind sie doch da, deutet das darauf, dass sie stets neu erzeugt werden, von Leben (Science 358, S. 578).

Die »habitable Zone« ist keine Garantie für Leben, das zeigt die kochheiße Venus. Flüssiges Wasser ist auch keine Garantie für Leben. Zu viel darf nicht da sein.

Man hat mit den heutigen Weltraumte­leskopen – Hubble und Spitzer – auch einzelne Gase identifizi­ert, aber nur in den äußersten Atmosphäre­n großer Gasplanete­n, nicht tief unten in jenen von Gesteinspl­aneten wie der Erde. Dorthin wird erst die nächste Generation sehen können, die für 2019 geplante Sonde James Webb etwa. Aber auch sie hat nur ein indirektes Bild: Um eine Atmosphäre direkt analysiere­n zu können, muss man das Licht des Mutterster­ns ausblenden. Das ginge mit Filtern in den Teleskopen – Koronograf­en –, besser wäre „Starshade“, ein 50-Meter-Vorhang, den ein von einem Weltraumte­leskop 50.000 Kilometer entferntes Raumfahrze­ug vor den Stern in den Himmel hängt. Den Plan gibt es, aber nicht einmal die Nasa hat ihn auf ihrer Agenda. So wunderte in Laramie eher die Zuversicht der 26.

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