Das Grauen von Gwangju
Ein erschütternd realistischer Roman über die Brutalität der Militärdiktatur in Südkorea. Der blutige Mai 1980 gehört zu den am tiefsten sitzenden Traumata der jungen südkoreanischen Demokratie: Damals metzelte das Militär in der Stadt Gwangju Männer, Frauen und Kinder nieder, die friedlich gegen die Diktatur demonstrierten. Hunderte Menschen starben, wurden verhaftet, verschwanden. Han Kang, die wohl bekannteste zeitgenössische Schriftstellerin Südkoreas, hat den Einwohnern ihrer Heimatstadt mit diesem Roman ein erschütterndes Denkmal gesetzt.
Dabei blendet die Autorin den politischen Kontext des Massakers weitgehend aus, konzentriert sich ganz auf das Leiden und Grauen. Die Geschehnisse und ihre Folgen werden aus der wechselnden Perspektive der Opfer erzählt: Da ist etwa der 15-Jährige, der nur zufällig zur Demokratiebewegung stößt – eigentlich ist er auf der Suche nach der Leiche seines Freundes, der kurz zuvor erschossen worden ist. Jahre später kämpft eine vereinsamte Angestellte mit ihren Erinnerungen an die Folter. Sie kann darüber nicht reden. Ebenso wenig gelingt dem früheren Studentenanführer die Rückkehr in die „Normalität“; er wird sich das Leben nehmen. „Man kann es sich vorstellen, wie nach einer Atombombe“, sagt ein Mann, der die Folter überlebt hat.
„Menschenwerk“ist ein Buch, das unter die Haut geht. Immer wieder muss man es weglegen, tief durchatmen, bevor man sich wieder auf die Leichen, die offenen seelischen Wunden, die Brutalität einlässt. Han Kang erzählt von den Grenzen des Menschlichen – ihre nüchterne Sprache macht diese nur noch erschreckender und realer . . . Han Kang: „Menschenwerk“, übersetzt von Ki-Hyang Lee, Aufbau Verlag, 214 Seiten, 20,60 Euro