Fizzeln, Wischen: Was das Smartphone uns (nicht) beibringt
Für Kinder sind Tablets und Smartphones beliebte Spielzeuge, deren Nutzung sie auch vehement einfordern. Was ist also dran, wenn Experten warnen, dass Fähigkeiten wie die Feinmotorik mit ihnen verloren gehen – und was kann man dagegen tun?
Kinder können einen beeindrucken. Wenn sogar die Zweijährigen am Tablet mit dem Finger geschickt Buchstaben nachzeichnen, wenn sie wie selbstverständlich in die Kamera sprechen, weil sie Youtube-Videos imitieren. Und mit ihren winzigen Fingern Apps bedienen, als hätten sie nie etwas anderes gelernt.
Aber vielleicht haben sie das auch nicht. Oder zu wenig. Experten warnen immer wieder davor, dass Kinder ihre Feinmotorik zu wenig trainieren, wenn sie zu viel mit Smartphone und Tablet spielen – andere Stimmen argumentieren, dass gerade durch die winzigen Bildschirme die Feinmotorik gefördert wird. Was stimmt also?
Beides, sagt Psychologin Marcella Stolz. „Tippen und Wischen fördert die Feinmotorik“, sagt sie. „Aber es ist trotzdem eine sehr einseitige Sache. Man lernt nur mit den Fingern über eine kleine Fläche zu wischen.“Dadurch fehlen aber dreidimensionale Bewegungen. Besser, sagt die Expertin, wäre es, wenn das Kind Spiele spielt, bei denen der Körper miteinbezogen wird. Also wenn man beim Malen zum Pinsel greift, Puzzle spielt, Klebebilder anklebt.
Zwar könne beim Spielen auf dem Smartphone auch die Kreativität trainiert werden, aber die Konzentrationsfähigkeit verbessert es zwangsläufig nicht. „Wenn ich nur ein Spielzeug habe, dann befasse ich mich damit. Bei einem Smartphone gibt es so viele Möglichkeiten, da hör ich sofort mit etwas auf und mach mit etwas anderem weiter, wenn mir was nicht gefällt. Ich beobachte das auch oft bei Kindern, die ein ganzes Kinderzimmer voll mit Spielsachen haben.“
Generell sieht sie die Verwendung von Smartphones und Tablets bei Kleinkindern kritisch. Weil man einfach nicht wisse, was für eine Auswirkung etwa die Strahlung der Geräte haben. „Es ist auch erwiesen, dass die Geräte die Sehfähigkeit beeinträchtigen können“, sagt sie. Bis zum Kindergarten würde sie daher keinem Kind ein Tablet länger in die Hand geben. Auch danach nur vorsichtig den Konsum zu- lassen. „Man muss sich gemeinsam mit dem Kind beschäftigen und sich hinsetzen und Spiele suchen, die die Entwicklung fördern.“
Wie viel Smartphone-Konsum Kindern erlaubt sein soll, war auch unlängst bei Apple ein Thema. Vor wenigen Tagen warnten zwei Großaktionäre in einem offenen Brief, mehr auf Kindersicherheit einzugehen – und Eltern zu helfen, den Konsum einzuschränken. Sonst würde es später, so das Argument der Firmen, zu Verboten seitens des Staates kommen, um Kinder zu schützen. Apple reagiert prompt und wohl nicht ganz im Interesse der Firmen. Die Eltern seien für den Handykonsum verantwortlich, so die Antwort. Man könne bereits alle Inhalte sperren. Früh Regeln setzen. Doch genau das ist in der Praxis nicht einfach. Das (richtige) Nutzungsverhalten muss sowohl von Groß als auch Klein erst gelernt werden. Die Generation, bei der es schon bei der Geburt ein Smartphone gab, ist erst zehn Jahre alt.
In der Praxis von Psychologin Stolz ist das Thema dementsprechend groß. Sie weiß von Volksschülern, die nach der Schule heimkommen, sofort das Gerät in die Hand nehmen und dann bis fünf Uhr Nachmittag nicht mehr aus der Hand geben und von Jugendlichen, die sich in den sozialen Medien dermaßen verlieren, dass Schlaf und Schule darunter massiv leiden.
Im Hintergrund steckt dabei meist ein früh falsch gelerntes Verhalten. Eltern, sagt sie, müssen schon von Anfang an für die Smartphone-Verwendung Regeln aufsetzen, damit es nachher nicht zu Problemen kommt. „Wenn sich ein Verhalten einmal eingeschlichen hat, dann ist es schwer, das wieder zu ändern.“Im Smartphone-Fall gehe es darum, den Konsum Regeln zu unterwerfen, dem Kind diese genau zu erklären und – ganz wichtig – dem Kind Alternativen anzubieten.
Wobei ein intensiver Konsum per se die Eltern nicht gleich alarmieren muss – solange auch andere Aktivitäten ausgeübt werden. „Ich kenne eine 13-Jährige, die hat im Auto immer das Smartphone in der Hand und nutzt es auch sonst viel, aber die geht drei Mal die Woche trainieren und kann einen perfekten Handstandüberschlag. Da sehe ich kein Problem.“
Das Smartphone fördert die Feinmotorik, aber nicht die der ganzen Hand.