Der Skalpelltherapeut
Mit Geschichten über seine Hunderten Patienten, deren Leben sich nach einem ästhetischen Eingriff grundlegend verändert hat, könnte der Wiener Chirurg Rafic Kuzbari ein ganzes Buch füllen. Jetzt hat er das auch getan.
Jemand kommt in eine Klinik für ästhetische Medizin und will sich beispielsweise die Nase operieren, die Brust vergrößern, die Augenlider straffen oder Fett absaugen lassen. Gehört diese Person nun unter das Messer oder auf die Couch? Eine provokante, auf den ersten Blick sogar unverschämte Frage, die ironischerweise auch noch von einem plastischen Chirurgen gestellt wird – als Titel seines neuen Buchs.
Aber warum sollte jemand, der mit seinem Aussehen nicht oder nicht mehr zufrieden ist und einen ästhetischen Eingriff in Erwägung zieht, gleich auf die Couch müssen, also eine Psychotherapie benötigen? Und liegt die Entscheidung darüber überhaupt im Ermessen eines plastischen Chirurgen?
Fragen, denen Chirurg Rafic Kuzbari, Gründer des gleichnamigen Zentrums für ästhetische Medizin in Wien, in seinem soeben erschienenen, in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitswissenschaftler und systemischen Coach Thomas Nagy entstandenen Buch „Unters Messer oder auf die Couch?“(Meisterklasse-Verlag) anhand von mehreren Fallbeispielen nachgeht.
Seine Kernaussage dabei: Nicht jedem, der sein Glück in einem ästhetischen Eingriff sucht, kann geholfen werden. Aber die, denen er helfen kann, profitieren für gewöhnlich ein Leben lang davon – indem sie mit der Veränderung ihres Aussehens anhaltend zufrieden sind und das Gefühl haben, Körper und Seele in Einklang gebracht zu haben. Vier Voraussetzungen. Es geht also vor allem um die Motivation für den gewünschten Eingriff. Diese muss für den Chirurgen nachvollziehbar und verhältnismäßig sein. „Für mich sind immer dieselben vier Voraussetzungen unabdingbar“, betont Kuzbari. „Der Wunsch nach dem Eingriff muss vom Patienten selbst kommen, und die Motive dafür müssen einleuchtend sein. Darüber hinaus muss sich die gewünschte Veränderung in einem natürlichen, gesellschaftlich akzeptierten Rahmen bewegen. Und nicht zuletzt dürfen Gesundheit und Wohlbefinden durch den Eingriff nicht beeinträchtigt werden.“
Menschen, die ein Problem mit ihrer Selbstwahrnehmung haben – in der Fachsprache Dysmorphophobie genannt –, die fest davon überzeugt sind, von einem körperlichen Defekt betroffen zu sein, sich in der Öffentlichkeit schämen und möglicherweise unter sexuellen Hemmungen leiden, kommen für einen ästhetischen Eingriff nicht infrage. „Sie haben ein gestörtes Selbstwertgefühl, das ist eine anerkannte Krankheit. Ich könnte sie noch so oft operieren, zufrieden oder gar glücklich würden sie davon nicht werden“, sagt Kuzbari. Diese Menschen, die sich in der absoluten Minderheit befinden, gehörten also nicht unter das Messer, sondern auf die Couch, um professionell behandelt zu werden. Mündige Patienten. Bei allen anderen handle es sich um selbstbestimmte, mündige Männer und Frauen, die sich der Tragweite ihrer Entscheidungen bewusst seien und die Risken eines chirurgischen Eingriffs einschätzen könnten. „Diesen Patienten zu helfen, ihre Glücksgefühle nach einem gelungenen Eingriff zu erleben, ist mein größter, mein einziger Antrieb“, sagt Kuzbari. Patienten wie etwa dem erfolgsverwöhnten Verkaufsleiter eines
Fallbeispiele.
„Unters Messer oder auf die Couch“heißt das neue Buch (25,30 Euro, 208 Seiten, Verlag Meisterklasse) von Rafic Kuzbari. Der ästhetische Chirurg ist Gründer des gleichnamigen Zentrums für ästhetische Medizin im Goldenen Quartier in Wien. Das Buch beinhaltet unter anderem Gespräche zwischen Kuzbari und dem Wiener Coach Thomas J. Nagy. Darüber hinaus werden zwölf Fallbeispiele aus der plastischen Chirurgie vorgestellt, die die Motive, Methoden und Kosten behandeln. großen Unternehmens, der irgendwann relativ plötzlich Schlupflider und Tränensäcke bekam. Er litt derart darunter, dass sich zunächst sein Selbstwertgefühl und dann sein beruflicher Erfolg verabschiedeten. Bis er sich entschied, 7000 Euro für eine Operation der Augenlider zu investieren. Mit dem Selbstwertgefühl kehrte auch der Erfolg im Beruf zurück.
Als weiteres Beispiel führt Kuzbari eine Frau mittleren Alters an, die zeitlebens mit ihrer Nase unzufrieden war und lang brauchte, um sich das Geld für eine Korrektur zu sparen. „Ihre Erwartungen waren enorm“, sagt er. „Ich erinnere mich noch genau daran, wie sie mir in einem emotionalen Moment unmittelbar vor der Operation erzählte, dass sie nach dem Eingriff ,endlich eine schöne Frau‘ sein wolle.“ Selbst und Spiegelbild. Ihre Erwartungen wurden erfüllt. „In den Jahren danach kontaktierte sie mich mehrfach und meinte, dass sie nun sich selbst sehe, wenn sie in den Spiegel blicke. Und kein fremdes Gesicht. Sie hatte so stark unter ihrer Nase gelitten, dass sie all die Jahre nur die Nase sah, und nicht ihr ganzes Gesicht.“
Diese Patientin sei ein sehr gutes Beispiel dafür, dass es bei der ästhetischen Chirurgie nicht nur um eine oberflächliche Veränderung des Körpers gehe, „sondern darum, ein Ungleichgewicht zwischen dem Selbstbild und dem Spiegelbild aufzuheben. Menschen, die so aussehen, wie sie sich fühlen und wie sie aussehen wollen, sich also mit ihrem Körper identifizieren können, erleben eine Zufriedenheit, die sie zuvor nicht kannten, sind deutlich authentischer und strahlen das auch aus.“ Streben nach Jugend. Daher zeigt sich Kuzbari auch überzeugt davon, dass die, wie er sagt, Enttabuisierung der ästhetischen Medizin weiterhin voranschreiten werde. Auch durch prominente Vorbilder, die vor allem in sozialen Medien regelmäßig intime Einblicke in ihr Leben gewähren und dazu beitragen würden, dass ästhetische Eingriffe wie ein ganz gewöhnliches Konsumgut betrachtet werden. „Ein Konsumgut, das durch den medizinischen Fortschritt und weniger invasive Methoden immer mehr Patienten zugänglich wird“, meint Kuzbari, für den das viel zitierte Streben nach Schönheit beziehungsweise Jugend allen Menschen „einprogrammiert“wurde. „Bereits die Naturvölker haben sich geschmückt und bemalt, um jünger und schöner auszusehen. Das war schon immer etwas Begehrenswertes. Der Unterschied zu früher ist lediglich, dass es heute mehr Möglichkeiten gibt, das zu erreichen.“
»Ich könnte sie noch so oft operieren, glücklich würden sie davon nicht werden.« »Ästhetische Medizin wird durch den Fortschritt immer mehr Menschen zugänglich.«