Die Presse am Sonntag

Meuchelmor­d und Tiefkühlpi­zza

Ein Österreich-»Tatort« mit Schrecksek­un©en: Regisseur Christophe­r Schier zieht ©en ZuschŻuer mit ©üsteren Bil©ern in einen verzwickte­n FŻll. »Ich weiß, ©Żss ich ©Ż weit gegŻngen ãin«, erz´hlt er im Interview.

- VON ISABELLA WALLNÖFER

Die Bilder erinnern an einen Psychothri­ller. Mit gespreizte­n Armen und Beinen hängt ein Toter angenagelt an der Mauer einer leer stehenden Wohnung. Der Schock weicht bei den durch den Flur drängelnde­n Miet-Interessen­ten, die mit einer Maklerin auf das schaurige Szenario stoßen, allerdings rasch der Neugier – fast im Reflex zücken sie ihre Handys, um ein Foto zu machen . . . Ein Meuchelmor­d als neuer Auftrag für die Wiener „Tatort“-Ermittler – und ein verzwickte­r Fall: ein Ritualmord? Ein Sexualdeli­kt? Oder steckt gar der US-Geheimdien­st dahinter? „Die Geschichte ist sehr komplex. Auch für die Kommissare Fellner und Eisner, die zunächst gar nicht wissen, wo man da zugreifen muss, weil die Recherche so mühsam ist“, sagt Regisseur Christophe­r Schier („Trakehnerb­lut“) im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“über „Die Faust“.

Bis die beiden den versteckte­n roten Faden herausfind­en, gibt’s jede Menge Zickenkrie­g und Zustellpiz­za. Denn Bibi Fellner (dargestell­t von Adele Neuhauser) denkt darüber nach, sich für einen Abteilungs­leiterjob zu bewerben – und giftet den Kollegen Steinwendt­ner (Dominik Maringer) an, der sich auch für den Posten interessie­rt. „Der passt perfekt ins Bild“, ätzt Fellner: „Keine Ahnung, keine Skrupel, keine Titten.“Der Gefühlshor­izont von Fellners Partner Moritz Eisner (Harald Krassnitze­r) mäandert diesmal zwischen Ärger (über ihre Bewerbung) und Angst vor dem Verlassenw­erden (wenn sie Abteilungs­leiterin wird). „Die beiden benehmen sich wie ein eingespiel­tes Ehepaar. Und ich setzte da gern noch eins drauf“, sagt Schier, der mit diesem Fall bereits seinen zweiten Österreich-„Tatort“inszeniert: „Das ist ein tolles Team, und es ist für mich ähnlich wie Urlaub mit Freunden: jedes Mal ein neues Abenteuer.“

Diesmal sei es aber vor allem auch eine große Herausford­erung gewesen – das lag am Drehbuch von Mischa Zickler. Der ist kein Unbekannte­r im TVUnterhal­tungsbusin­ess: Er war u. a. Regisseur von „Stermann & Grissemann“und entwickelt­e für den ORF die Fernsehfor­mate „Taxi Orange“und „Starmania“, bevor er 2004 ins PrivatTV ging, wo er zuletzt als Sat1-Unterhaltu­ngschef fungierte. Zickler habe „eine sehr dichte Geschichte“geschriebe­n, sagt Schier, der die teils recht brutalen Szenen als veritable Schrecksek­unden umsetzt: „Ich weiß, dass ich da weit gegangen bin. Aber ich glaube, das war notwendig, um die Handlung nachvollzi­ehbar zu machen“, sagt Schier. „Ich musste den richtigen Weg finden, damit die Zuschauer da hineingeso­gen werden. Das ist eine düstere Welt – und über allem hängt dieses große Fragezeich­en.“ Bilder mit Geruch. Schier, der nicht nur als Filmregiss­eur, sondern auch als Werbefilme­r (u. a. mit dem Horrorfilm „Dad’s Dead“für Mediamarkt nach einem Drehbuch von David Schalko) reüssiert, malt den Film in bedrückend­en Farben: „Ich finde es essenziell, dass die Bilder so etwas wie einen Geruch bekommen. Man muss in die jeweilige Szene eintauchen können. Das funktionie­rt über die Erinnerung: Man erkennt mehr, als man im ersten Moment wahrnehmen würde.“Jeder hat den Geruch einer solchen Altbauwohn­ung in der Nase, wie es jene ist, in der der Gekreuzigt­e gefunden wird. Die abblättern­de Farbe, die ausgebleic­hte altvateris­che Tapete evozieren Bilder im Kopf. Und Gerüche. Es ist nicht das einzige gelungene Motiv in „Die Faust“. „Ich gehe seit vielen Jahren mit offenen Augen durch die Stadt, merke mir Sachen und fotografie­re.“Am schwierigs­ten sei das einsame Haus zu finden gewesen – das steht, ziemlich unwirtlich, tatsächlic­h in Wien und soll nun abgerissen werden.

Schier liebt es, mit seinen Filmen „eine Welt zu kreieren, die fesselt, wenn man sie anschaut. Und die den Zuschauer berührt – ob sie ihn nun abstößt oder glücklich macht“.

»Keine Ahnung, keine Skrupel, keine Titten«, ´tzt Biãi Fellner üãer einen Joãkonkurr­enten.

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ORF Kommissari­n Fellner (Adele Neuhauser) und Kollege Eisner (Harald Krassnitze­r) am Tatort.

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