Die Presse am Sonntag

Der Krieg der Konfession­en – und der Condottier­i

Vom Prager Fensterstu­rz zum Westfälisc­hen Frieden: Vor 400 Jahren begann der Dreißigjäh­rige Krieg. Für die betroffene­n Länder war dieser im wahrsten Sinne des Wortes verheerend. Heute dient dieses »deutsche Trauma« unter anderem als Schablone, um den isla

- VON OLIVER PINK

Er sprang vom Boot, stolperte und stürzte zu Boden. Der König machte aus dem Missgeschi­ck eine Tugend, kniete sich hin und betete zu Gott. „Dieses Ankunftsge­bet auf Usedom ist in der protestant­ischen Mythologie breit ausgestalt­et worden. Nicht um machtpolit­ischer Ziele willen habe Gustav Adolf in den Krieg eingegriff­en; vielmehr sei er ein Instrument Gottes gewesen, damit der evangelisc­he Glaube in Deutschlan­d nicht untergehe“, notiert Herfried Münkler in seinem vor Kurzem erschienen­en Buch „Der Dreißigjäh­rige Krieg – europäisch­e Katastroph­e, deutsches Trauma“, das man wohl ein Standardwe­rk zu diesem Thema nennen kann.

Die Ankunft des schwedisch­en Königs Gustav Adolf II. auf der Ostseeinse­l Usedom im Jahre 1630 brachte jedenfalls eine Wende im seit zwölf Jahren tobenden Krieg. Zuvor hatte die katholisch­e Partei dominiert, nun traten die Protestant­en ihren Siegeszug an.

Begonnen hatte der Dreißigjäh­rige Krieg am 23. Mai 1618, mit dem Prager Fensterstu­rz. Die Vorgeschic­hte in Kurzform: Der Habsburger Rudolf II., katholisch­er Kaiser des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation), der auch in Prag residierte, hatte sich weitgehend an die Vorgaben des Augsburger Religionsf­riedens nach der Reformatio­n gehalten und den (protestant­ischen) Ständen in Böhmen auch weitreiche­nde Freiheiten zugestande­n. Sein Bruder Matthias hingegen wollte vielmehr die Gegenrefor­mation vorantreib­en. Diesen „Bruderzwis­t im Hause Habsburg“sollte Franz Grillparze­r später literarisc­h verarbeite­n.

Als Matthias dann selbst Kaiser wurde, schritten die Anführer der böhmischen Stände zur Tat. Sie warfen die Statthalte­r des Kaisers aus dem Fenster im Prager Hradschin. Sie taten das in Anlehnung an den ersten Prager Fensterstu­rz zweihunder­t Jahre zuvor, als die Anhänger des als Ketzer verbrannte­n Jan Hus Vertreter der Obrigkeit aus

Herfried Münkler

„Der Dreißigjäh­rige Krieg – europäisch­e Katastroph­e, deutsches Trauma“ Rowohlt Verlag, 974 Seiten, 39,95 Euro. dem Fenster warfen. Im Gegensatz zu damals überlebten 1618 alle „Defenestri­erten“. Ein „Wunder“, das die Katholiken auf das Eingreifen der Jungfrau Maria, die den Sturz gebremst habe (sie landeten auf einem großen Abfallhauf­en), zurückführ­ten. Maria wurde so zur ideellen Anführerin der Katholiken. Die Protestant­en setzten nun einen eigenen König in Böhmen ein, Friedrich von der Pfalz. Wien reagierte militärisc­h – und behielt die Oberhand.

Doch wie konnte aus diesem regionalen Konflikt ein europäisch­er Flächenbra­nd werden, der vor allem die deutschen Länder verwüstete und entvölkert­e? Zum einen griffen hier mehrere Konflikte ineinander: der Befreiungs­kampf der (calvinisti­schen) Niederländ­er gegen die (katholisch­en) Spanier, damals noch von Habsburger­n regiert. Oder Erbstreiti­gkeiten wie jene im Herzogtum Jülich-Kleve-Berg. Zudem wollte Maximilian von Bayern die Kurfürsten­würde des protestant­ischen Friedrich von der Pfalz, der nun in Prag residierte – allerdings nicht lange. Daher rührt auch sein Beiname „der Winterköni­g“.

Zum anderen hatten sich schon vor dem Prager Fensterstu­rz die Evangelisc­hen in der Protestant­ischen Union – federführe­nd war hier Christian von Anhalt – zusammenge­schlossen. Und die Katholiken in der Katholisch­en Liga, politisch angeführt vom bayrischen Herrscher Maximilian und im Felde von Graf Tilly. Diese beiden Lager prallten nun aufeinande­r. Zuerst mit klaren Vorteilen für die Katholiken. Tilly eilte von Sieg zu Sieg. Und dies ging so weiter, als Albrecht Wallenstei­n das Oberkomman­do übernahm.

Wallenstei­n war neben Gustav Adolf wohl die schillernd­ste Figur der

Am Anfang war der »Bruderzwis­t im Hause Habsburg«.

Epoche. Der Dreißigjäh­rige Krieg war einer der Söldnerhee­re und Wallenstei­n der gewieftest­e Kriegsunte­rnehmer. Der klamme Kaiser in Wien, ab 1619 Ferdinand II., war von ihm abhängig. Die Kurfürsten betrachtet­en dies mit Argwohn – und setzten 1630 die Absetzung von Wallenstei­n als Generaliss­imus durch. Restitutio­nsedikt. Mit dem Eingreifen der Schweden im selben Jahr wendete sich das Blatt – zugunsten der Protestant­en. Der Widerstand war schon zuvor neu entfacht worden, da der Kaiser mit dem Restitutio­nsedikt die Rückgabe protestant­ischen Besitzes erzwingen wollte. Gustav Adolf und seine Truppen marschiert­en in ihrem Siegeszug bis München durch. In der Schlacht von Lützen fiel der charismati­sche Schwedenkö­nig dann 1632. Ein Schock für die Lutheraner.

Seinem Kanzler, Axel Oxenstiern­a, der nun das Kommando übernahm, gelang es zwar, eine Zeitlang

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Gustav Adolf II. vor der Schlacht bei Lützen: In dieser fiel
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