Glaubensfrage
RELIGION REFLEKTIERT – ÜBER LETZTE UND VORLETZTE DINGE
Ist es ein Akt öffentlicher Selbstgeißelung? Weshalb veröffentlicht die katholische Kirche ihre Austrittszahlen Jahr für Jahr?
Die Frage, von einem Journalisten gestellt, mag frappierend erscheinen, auf den ersten Blick vielleicht sogar unprofessionell: Übertreibt es die katholische Kirche nicht mit ihrer Transparenz? Was den Anlass für eine derartige Frage bietet: Jahr für Jahr wird die „amtliche Kirchenstatistik der österreichischen Bischofskonferenz“veröffentlicht, wie das Zahlenmaterial offiziell von der Katholischen Presseagentur getauft wird. Dieses Ritual findet in einem kleinen Respektabstand zu Weihnachten statt, dieser Tage war es demgemäß wieder so weit.
Neben den Daten aus dem Vorvorjahr (!) über die (schwankenden) Zahlen der Taufen, Firmungen und Begräbnisse werden auch die kontinuierlich sinkenden Zahlen der Priester, Ordensmänner und -frauen sowie der regelmäßigen Messbesucher offengelegt. Und natürlich, für Medien meist von besonderem Interesse, sensationell topaktuelle Zahlen direkt aus dem soeben zu Ende gegangenen Jahr. (Staatliche Stellen arbeiten dann doch wesentlich rascher.) Bis zum letzten verlorenen Schäfchen werden für alle Diözesen auf das gewissenhafteste die Zahlen jener genannt, die der Kirche den Rücken gekehrt haben, die also formal ausgetreten und sich vom Leisten des Kirchenbeitrags befreit haben. Auf 58 Prozent ist der Katholikenanteil nach Jahrzehnten steten Schwunds gesunken. In Wien gilt mittlerweile nur noch jeder Dritte als Katholik.
Gleichzeitig hat der Würzburger Theologe Johannes Först bei der am Samstag zu Ende gegangenen traditionell im Salzburger Bildungszentrum St. Virgil stattfindenden Pastoraltagung wohl zu Recht von einer „kommunikationstheoretischen Katastrophe“gesprochen. Dies deshalb, wenn mit Blick auf Kirche und Glaubensleben ständig noch gesagt – und, vom deutschen Gast ungesagt, auch mitgedacht wird. Die Kirche dürfe sich nicht in permanenter Selbstdiagnostik verlieren, appellierte er vor einem hochkarätigen Publikum, darunter mehrere Bischöfe. Tatsächlich, eine Organisation, die fortwährend damit hadert, bei den Menschen draußen Beliebtheit und Mitglieder zu verlieren, braucht wirklich niemand. Wenn bei politischen Köpfen jetzt Assoziationen zu den Grünen geweckt sind, liegen sie nicht grundfalsch.
Kirche und Transparenz – geht das überhaupt zusammen? Die Frage verleitet dazu, verneint zu werden. Wichtige Personalernennungen wie die Auswahl von Bischöfen gehören zu den intransparentesten Vorgängen, die die Kirche Mitgliedern und Öffentlichkeit zuzumuten hat. Aber zurück zur Eingangsfrage: Nein, die Kirche übertreibt es nicht mit ihrer – leider nur – partiellen Transparenz. Information ist Bringschuld jeder Organisation, die eine gesellschaftliche Rolle spielt/spielen will. Die Kirche soll ein Haus aus Glas sein. Diesen Wunsch hat einmal ein Pole namens Karol Wojtyla geäußert. Besser bekannt als Sanctus Ioannes Paulus II.