Die Presse am Sonntag

Westliche Info-Sperre für heimische Geheimdien­ste?

Die Nähe der FPÖ zu Russland macht den Nachrichte­ndiensten Sorgen. Österreich könnte künftig vom Informatio­nsfluss abgeschnit­ten werden.

- VON MARTIN FRITZL

Die engen Kontakte der FPÖSpitze nach Russland könnten nun weitreiche­nde Folgen haben. Wie die Frankfurte­r Allgemeine Zeitung berichtet, hat die deutsche Kanzlerin Angela Merkel beim Besuch von Bundeskanz­ler Sebastian Kurz in Berlin ihre Besorgnis geäußert: Von der FPÖ könnten Erkenntnis­se der Geheimdien­ste nach Moskau gelangen, die es den dortigen Nachrichte­ndiensten ermögliche­n, Rückschlüs­se auf die Quellen westlicher Dienste zu ziehen. Merkel soll Kurz im vertraulic­hen Teil ihrer Beratungen gesagt haben: Österreich müsse darauf vorbereite­t sein, dass westliche Dienste nicht mehr in gleichem Ausmaß Erkenntnis­se teilen würden wie bisher.

Ursache der Besorgnis ist, dass die Freiheitli­che Partei in den vergangene­n Jahren enge Kontakte zu Russland aufgebaut hat. So hat die FPÖ ein Arbeitsabk­ommen mit der Partei von Staatschef Putin abgeschlos­sen und die Position Russlands bei der Annexion der Krim und bei den EU-Sanktionen unterstütz­t. Wichtigste­r Verbindung­smann ist der neue Klubchef im Parlament, Johann Gudenus. Aber auch die Parteispit­ze mit Heinz-Christian Strache und Infrastruk­turministe­r Norbert Hofer war schon auf Besuch in Mos- kau. Diese FPÖ besetzt nun mit dem Innen-, Verteidigu­ngs- und Außenminis­terium jene Ressorts, an die im Zuge des Austausche­s der Dienste sensible Informatio­nen geleitet würden.

Drei Geheimdien­ste gibt es in Österreich. Gleich zwei davon sind im Verteidigu­ngsministe­rium angesiedel­t: Das Heeres-Nachrichte­namt (HNA) und das Abwehramt. Das HNA ist für die Auslandsau­fklärung auf militärisc­hem Gebiet zuständig und bereitet beispielsw­eise die Einsätze österreich­ischer Soldaten im Zuge internatio­naler Missionen vor. Schon aus der historisch­en Entwicklun­g heraus hat das HNA besondere Expertise auf dem Balkan. Und es betreibt Abhörstati­onen, die in der Zeit des kalten Krieges aufgebaut und dem Vernehmen nach von westlichen Diensten mitbenutzt wurden.

Das Abwehramt ist der Inlandsgeh­eimdienst des Heeres: Seine Aufgabe ist die Spionageab­wehr und der Schutz vor extremisti­schen Bewegungen. Die Trennung in zwei Geheimdien­ste hat historisch­e Gründe: Als Friedhelm Frischensc­hlager (damals FPÖ, später Liberales Forum) Verteidigu­ngsministe­r wurde, fühlte er sich vom HNA ausspionie­rt und spaltete daraufhin 1985 das Abwehramt vom HNA ab. Die beiden Dienste gelten seither als verfeindet, das HNA als ÖVP-nahe, das Abwehramt als SPÖ-nahe. Polizei oder Geheimdien­st? Der dritte Geheimdien­st ist im Innenminis­terium angesiedel­t und ist eigentlich formal gar kein Geheimdien­st: Das Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) ist für den Kampf gegen Terror, politische­n Extremismu­s und für Spionageab­wehr gleicherma­ßen zuständig. Dabei agiert es aber – im Gegensatz zu vergleichb­aren ausländisc­hen Organisati­onen wie dem britischen MI5 oder dem deutschen BND – nicht als Geheim- oder Nachrichte­ndienst, sondern als polizeilic­he Einheit.

Der wesentlich­e Unterschie­d: Aufgabe der Polizei ist die Aufklärung und Verhinderu­ng von konkreten Straftaten, während ein Nachrichte­ndienst sich mit dem Sammeln von Informatio­nen beschäftig­t – im Idealfall schon lang vor einer Straftat. Der frühere Innenminis­ter Wolfgang Sobotka hat im Vorjahr vorgeschla­gen, einen Inlandsgeh­eimdienst zu schaffen. Es blieb aber bei vagen Überlegung­en.

Alle drei Geheimdien­ste sind aber jedenfalls auf internatio­nale Zusammenar­beit angewiesen. Das gilt für die Terrorbekä­mpfung ebenso wie für die militärisc­he Auslandsau­fklärung, wo Österreich naturgemäß nur punktuell über die nötigen Kapazitäte­n verfügt. Wie man diese Zusammenar­beit aufrecht erhalten will, ist noch offen. Merkel und Kurz wollten ihre vertraulic­hen Gespräche nicht kommentier­en. Kurz sagte aber, dass man die illegale Weitergabe von Daten nur unterstell­en solle, wenn jemand dazu Anlass gebe. Denn es handle sich dabei um ein strafrecht­lich relevantes Verhalten.

Außerdem verweist das Kanzleramt darauf, dass die Dienste gegenüber dem Bundeskanz­ler und dem Vizekanzle­r auskunftsp­flichtig seien und somit die Kontrolle gewährleis­tet sei. Ob das für die ausländisc­hen Dienste ausreichen­d ist?

Die FPÖ besetzt jene Ressorts, an die sensible Daten von Diensten geleitet würden.

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Imago/SKATA Innenminis­ter Kickl kontrollie­rt den Inlandsgeh­eimdienst.

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