Im Bundesland der unbegrenzten Wahlversp
In einer Woche wird in Niederösterreich gewählt. Die Parteien setzen auf emotionale Themen wie Gesundheit und Sicherheit. Doch wie steht es tatsächlich um das Bundesland? Eine Vermessung – abseits der Wahlkampfrhetorik.
Laut dem Wiener Bürgermeister, Michael Häupl, immerhin in Niederösterreich geboren, sind Wahlkämpfe bekanntermaßen Zeiten „fokussierter Unintelligenz“. Vor allem sind sie Zeiten der Versprechen, der Angstmache und der Schönrederei. Auch in Niederösterreich.
Immerhin sind bei der Landtagswahl am 28. Jänner knapp 1,4 Millionen Menschen wahlberechtigt: 714.021 Frauen, 672.322 Männer um genau zu sein. Damit schlägt das Bundesland quantitativ sogar Wien. Im Landtag in St. Pölten sind 56 Mandate zu vergeben.
Den Landeshauptfrausessel wird Johanna Mikl-Leitner wohl so gut wie fix verteidigen können. Allerdings geht es auch für sie um viel: Die ÖVP könnte die absolute Mehrheit verlieren. Aber Der Spitzenkandidat der SPÖ Niederösterreich, Franz Schnabl, ist entrüstet. Dass die türkis-blaue Regierung die Aktion 20.000 einstelle, die ältere Arbeitslose wieder in Beschäftigung hätte bringen sollen, sei gerade für Niederösterreich ein harter Schlag. Die ÖVP hält dagegen, dass das Programm ob der guten Konjunktur obsolet geworden sei. Doch wer hat in Niederösterreich eigentlich einen Job und wer nicht?
Laut Statistik des AMS Niederösterreich ging die Arbeitslosigkeit in der vergangenen Legislaturperiode zurück – das hat weniger mit Politik als mit überstandener Wirtschaftskrise zu tun. Die Arbeitslosenquote ist im Vergleich zu 2016 um 0,4 Prozentpunkte gesunken und liegt bei 8,7 Prozent. Es gibt allerdings regionale Unterschiede: So hat die Arbeitslosigkeit in der vergangenen Legislaturperiode in St. Pölten etwa ebenso zugenommen wie in Korneuburg oder Gänserndorf. Auch die Langzeitarbeitslosigkeit steigt. Fast jeder vierte AMS-Kunde in Niederösterreich ist schon ein Jahr und länger in Betreuung. Dies betrifft vor allem Personen der Generation 50 plus sowie jene, die wegen gesundheitlicher Probleme nur schwer wieder einen neuen Arbeitsplatz finden. Beschäftigungspaket. Somit ist Franz Schnabls im Wahlkampf laut ventilierte Sorge um die älteren Arbeitslosen durchaus begründet. Die ÖVP ihrerseits verspricht, sich um diese aber kümmern zu wollen – es gibt für sie bereits ein spezielles Programm, das man auch in der nächsten Legislaturperiode weiterführen, aber nicht ausbauen will. Generell soll die nächsten drei Jahre ein Beschäftigungspaket in der Höhe von 1,3 Milliarden Euro schlagend werden. Die Summe soll in Aus- und Weiterbildung, Beratung, Betreuung und Arbeitsvermittlung fließen. Weiters hat die ÖVP ein Programm zur Dezentralisierung von Arbeitsplätzen beschlossen – so sollen auch in ländlichen Regionen Arbeitsplätze geschaffen werden. Das Projekt ist noch in der Startphase.
Die FPÖ-Niederösterreich hat zum Thema Arbeit eigentlich keine eigenen Vorschläge präsentiert – prinzipiell ist man auf Bundeslinie und verteidigt die Kürzung des Arbeitslosengeldes und spricht davon, dass es keine Härtefälle geben wird. Die Grünen wollen mehr Green Jobs, die durch die Energiewende entstehen sollen, sowie Förderung von lebensphasengerechten Arbeitszeitmodellen.
Prozent
betrug der Ausländeranteil im Jahr 2016. Österreichweit waren es 14,6 Prozent.
Prozent
des österreichischen Weines stammen laut Statistik Austria aus dem Bundesland.
Prozent
der in Österreich geernteten Kartoffeln kommen aus Niederösterreich.
Kilometer
beträgt das Autobahnnetz in Niederösterreich. Es ist das längste in ganz Österreich. auch die anderen Parteien stehen unter Druck: Franz Schnabl will Platz zwei für die SPÖ halten, der Freiheitliche Udo Landbauer muss den Rückenwind aus dem Bund entsprechend nutzen. Die Grünen wollen mit Helga Krismer nicht ein ähnliches Schicksal wie bei der Nationalratswahl erleiden. Und Indra Collini der Neos versucht erstmals den Einzug im Nationalrat.
Auf Plakaten und in Wahlkampfreden ist dementsprechend viel von Kriminalität, Wohnungsnot und einem Mangel an Kinderbetreuungsplätzen die Rede. Aber auch von einem ausbalancierten Haushalt und einer gesicherten Gesundheitsversorgung. Ein Überblick über die wichtigsten Themen und Fakten des Landes – ohne Wahlkampfrhetorik. Kurz vor der Wahl holte sich Johana Mikl-Leitner Unterstützung aus dem engsten Umfeld: Ihr Mann winkte beim Wahlkampfauftakt in die Kamera, die beiden Töchter erzählten Anekdoten – und Hund Milou gibt es sogar als Plüschtier. Die ÖVP setzt im Wahlkampf auf Familie – und zwar nicht nur in Bezug auf die Mikl-Leitners, sondern auch als Thema. Eines der zentralen Wahlversprechen der Volkspartei ist es, Niederösterreich zum „Mutterland moderner Familienpolitik“zu machen.
Die FPÖ hält in ihrer Kampagne dagegen: In der Vergangenheit habe das Land zu viel Geld in skurrile Kunstprojekte gesteckt, in Zukunft sollte dieses Budget Eltern und Kindern zugutekommen. Und wie sieht es jetzt um die Familienfreundlichkeit des Landes aus? In Niederösterreich werden jedenfalls wieder mehr Babys geboren. 15.424 Neugeborene waren es im Jahr 2016, nach Wien und Oberösterreicher belegt es damit Platz drei im Bundesländerranking. Die Fertilitätsrate liegt bei 1,53 – und damit etwas über dem Österreich-Schnitt von 1,49.
Eine der großen Herausforderungen des Landes ist es, genügend Betreuungsplätze für Kinder zu finden. Hier sind sich alle Parteien einig: Es gibt noch nicht genug. Vor allem bei den unter Dreijährigen ist das Land säumig. Vom EU-weit vereinbarten „Barcelona-Ziel“, wonach ein Drittel der Kleinkinder Betreuungseinrichtungen besuchen sollten, ist man weit entfernt. Der Wert ist sogar zurückgegangen: 2015 waren noch 24,6 Prozent der Kinder in dieser Altersgruppe in einer Kinderbetreuungseinrichtung, 2016 waren es nur mehr 22,9 Prozent. Mehr Betreuungsplätze gibt es für Kinder ab drei Jahren: Hier wird das Angebot beinahe flächendeckend in Anspruch genommen: 97,2 Prozent sind es in Niederösterreich, österreichweit sind es 93,4 Prozent. Derzeit werden in 1050 Landeskindergärten 52.000 Kinder ab zweieinhalb Jahren betreut. Ausbau angekündigt. Grüne und Neos kritisieren die Öffnungszeiten. Auch das Familienressort wünschte sich in den vergangenen Jahren einen Ausbau: 2016 waren knapp 47 Prozent der Institutionen mehr als neun Stunden pro Tag geöffnet. Und rund 41 Prozent mehr als 47 Wochen im Jahr.
Pünktlich vor dem Wahltag hat die Landesregierung übrigens eine Maßnahme angekündigt: Bis 2020 sollen hundert zusätzliche Kleinstkinderbetreuungsgruppen errichtet werden. Veränderung seit der Landtagswahl 2013, in Prozent Stimmenanteile in Prozent Pkw pro 1000 Einwohner NÖ Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner fährt dieser Tage noch in einem blaugelben Taxi von Wahlveranstaltung zu Wahlveranstaltung. Das nächste Mal fährt sie vielleicht mit dem Zug – denn sie will Niederösterreich wieder zu dem machen, was es einst war: ein Land der Bahn- und Busverbindungen. Heute wartet man in einigen Teilen Niederösterreichs vergeblich in den Haltestellen auf ein öffentliches Verkehrsmittel. 2010 verkaufte die ÖBB 28 Strecken an das Land, nur zwei wurden im Regelverkehr weiter bedient. Der Verkehr verlagerte sich darum von der Schiene auf die Straße. Derzeit gibt es im Land bereits rund 1,07 Millionen Pkw – allein seit 2010 ist die Autoflotte in Niederösterreich um 100.000 gewachsen. Mit rund 633 Pkw pro 1000 Einwohner liegt Niederösterreich deutlich über dem Österreich-Schnitt von rund 555 Pkw pro 1000 Bewohner.
Nun wächst aber auch die Zahl der Pendler in Niederösterreich – aktuell fahren 600.000 täglich mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Tendenz stark steigend. Niederösterreich versucht darum, wieder dorthin zu kommen, wo es einmal war – und beginnt, die öffentlichen Verkehrsmittelnetz zur reaktivieren. Derzeit gibt es Gebiete, etwa im Waldviertel, wo praktisch gar nichts fährt. Die Bahn des Kaisers. Kurz vor Jahreswechsel wurde ein Mobilitätspaket zwischen Bund und Land besiegelt. In den nächsten fünf Jahren sollen rund 3,3 Milliarden Euro investiert werden. Der Individualverkehr soll besser an den öffentlichen Verkehr angebunden werden: Darum sollen Park-and-RideAnlagen entstehen, S-Bahnen besser getaktet werden. Das absolute Prestigeprojekt der ÖVP ist der Ausbau der Waldviertler Franz-Josefs-Bahn, die von Wien nach Gmünd fährt. Seit 50 Jahren gab es hier keine nennenswerten Investitionen mehr. Das Ziel: Von Wien nach Gmünd soll eine Fahrzeit von einer Stunde und 30 Minuten erreicht werden.
Aber auch die anderen Parteien haben Vorschläge zum Thema Mobilität: Die SPÖ Niederösterreich fordert eine Verlängerung der U3 nach Schwechat und der U4 nach Klosterneuburg und Purkersdorf. Die Neos wollen mehr Busse und bessere S-Bahn-Taktung. Die FPÖ fordert den Bau der Waldviertelautobahn – und die Grünen wollen ein 365-Euro-Jahresticket.