Rot versus Rot: Was Ludwig und Schieder (nicht) trennt
Der eine will der FPÖ Stimmen abjagen und die Bevorzugung langjähriger Wiener zum Generalmotto machen. Der andere will die Partei modernisieren und sieht Wien als Gegenmodell zum Bund. Aber wen will die Partei? Die beiden potenziellen Wiener Bürgermeister
Nächsten Samstag entscheiden 981 Delegierte der Wiener SPÖ, wer ihr Chef – und damit nächster Bürgermeister wird. Weshalb das interne Match auch Nichtparteimitglieder interessiert. Wie also haben sich die Kandidaten in den vergangenen Wochen präsentiert, was wollen sie für Wien? Acht Themen, zwei Männer, ein Vergleich. Nein, ein Heilsbringer oder Politiker eines neuen Typs ist er nicht. Und er auch nicht. Vielmehr sind Michael Ludwig (56) und Andreas Schieder (48) vor allem eins: Routiniers. Michael Ludwig galt lang als zu nett und zu unauffällig, als dass er auf dem glatten Rathausparkett Karriere machen könnte. Er war stets loyal, aber nie im ganz engen Kreis rund um Michael Häupl. In internen Gremien sagte er nicht allzu viel und selten Kontroverses. Das hielt er auch so, als schon klar wurde, dass Ludwig sich als Nachfolgekandidat für Häupl positionierte beziehungsweise von den Unzufriedenen (Stichwort: Faymann, 1. Mai) in der Partei in Stellung gebracht wurde. Andere kritisierten Häupl laut, Ludwig schwieg. Der leutselige Stadtrat ist ein disziplinierter Taktiker. Und wird öfter unterschätzt. Er ähnelt Häupl nicht nur in der körperlichen Statur. Der Historiker und Bildungspolitiker Ludwig trifft bei Gedenkveranstaltungen, die er als Vorstandsmitglied des Vereins roter Antifaschisten und KZÜberlebender organisiert, ebenso den Ton wie vor Vertretern der Wirtschaft und der roten Gemeindebau-Klientel, die mit der FPÖ liebäugelt.
Aber auch Ludwigs Konkurrent zeigte im Wahlkampf mehr, als mancher ihm zutraute. Als Bobo-Sozialdemokrat mit Stecktuch gern verlacht, bewies Schieder bei Terminen zwischen Floridsdorf und Simmering Wandlungsfähigkeit. Geholfen hat einerseits, dass er als Bundespolitiker Experte für das aktuelle Thema Nummer eins – die Opposition zu TürkisBlau – ist. Anderseits hat Schieder einen ziemlich ausgeprägten Hang zur Ironie. Je länger er redet, desto lockerer und lustiger kann er werden. Mit der Gefahr, dass ihm irgendwann ein zynisches Bonmot rausrutscht. Aber das kennt man ja – von Häupl. Im Unterschied zu Ludwig ist Schieder von Kindheit an im roten Universum vernetzt. Er stammt aus einer prominenten SPÖ-Familie (Vater Peter Schieder war u. a. außenpolitischer Sprecher der SPÖ, aber auch Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses des Nationalrats). Andreas Schieder redet aber nicht gern darüber. Wozu braucht es zwei Kandidaten, wenn beide immer einer Meinung sind? Die inhaltliche Harmoniesucht im roten Duell grenzt bisweilen an Langeweile. In Sachfragen passt meist kein Blatt zwischen die Konkurrenten. So muss sich der grüne Koalitionspartner so oder so auf eine härtere Gangart beim Thema Verkehr einstellen. Das betrifft vor allem den Lobau-Tunnel, die dritte Piste auf dem Flughafen Wien und den Straßenbau in den bevölkerungsmäßig stark wachsenden Außenbezirken. Beide wollen aber trotzdem Rot-Grün bis zum Ende der Legislaturperiode 2020 weiterführen. Beide haben sich auch für eine Wartefrist für (auch inländische) Zuwanderer im Bereich der Wiener Mindestsicherung ausgesprochen. Gemeinsam ist Ludwig und Schieder weiters der Widerstand gegen die türkis-blaue Bundesregierung bzw. die FPÖ und ein Bekenntnis zu aktiver Frauenförderung. Zum Thema Sparen hingegen gibt es kaum detaillierte Aussagen. Von keinem der beiden. Nun, einige gibt es doch, und sie betreffen Ludwigs Stammressort, den Wohnbau. Schieder will eine Leerstandsabgabe für unvermietete Wohnungen, die Vermieter zwingen soll, Wohnungen nicht leer stehen zu lassen. Ludwig ist skeptisch, nicht nur, aber auch aus rechtlichen Gründen: Tatsächlich würde eine Leerstandsabgabe wegen Verfassungswidrigkeit derzeit aufgehoben werden. Schieder möchte aber auch die von Häupl ausgerufene Rückkehr des Gemeindebaus forcieren. Bis 2025 sollen in Summe 25.000 neue Gemeindebauwohnungen im Wesentlichen aus der Wohnbauför- derung entstehen. Ludwig hält die Rechnung für unrealistisch. Überhaupt war er vom Gemeindebau-Comeback nie begeistert und könnte es als Bürgermeister eventuell sogar stoppen. Er will Kosten und Nutzen evaluieren. Schieder positioniert sich, wie schon erwähnt, als Kämpfer gegen die türkisblaue Bundesregierung, der das „große Ganze“, das „bigger picture“im Auge hat. Kein Termin, bei dem er nicht seine bundespolitische Erfahrung als Klubobmann im Parlament oder Ex-Finanzstaatssekretär anspricht. Das zieht nicht nur, aber vor allem beim rotgrün-affinen Teil der SPÖ, grob gesagt: bei den Innenstadtbezirken – auch wenn Schieder natürlich betont, wie wichtig ihm die Flächenbezirke sind.
Ludwig dagegen zieht die Karte des langjährigen Kommunalpolitikers. Seine Botschaft: Ich bin der, der sich in der Stadt wirklich auskennt. Ludwig gilt zudem als „Papa der Flächenbezirke“. Aber weil das eh klar ist und er die inneren Bezirke nicht verschrecken will, redet er erst gar nicht darüber.