Die Presse am Sonntag

Der Warren Buffett der Tech-Branche

Kein Unternehme­n kaufte im Vorjahr so aggressiv Firmenbete­iligungen im Tech-Bereich wie Japans Softbank. Der Firmengrün­der, Masayoshi Son, geht dabei eine riesige Wette auf die Zukunft ein – unterstütz­t mit Geld aus Saudiarabi­en.

- VON JAKOB ZIRM

Kaum eine Woche vergeht derzeit, in der das japanische Unternehme­n Softbank nicht mit einer Millionenf­inanzsprit­ze für ein Technologi­e-Start-up für Aufsehen sorgt. So auch nicht die vergangene. Erst am Montag gab die Berliner Firma Auto1 bekannt, 460 Millionen Euro von Softbank erhalten zu haben. Auto1 betreibt unter anderem die Website wirkaufend­einauto.de und expandiert mit dieser Gebrauchtw­agenplattf­orm zurzeit weltweit.

Nur drei Tage später war auch bereits jener Deal endgültig unter Dach und Fach, dessen Ankündigun­g Ende des Vorjahrs allgemein für größere Aufmerksam­keit gesorgt hat. Für rund 7,6 Milliarden Euro kaufte Softbank sowohl direkt als auch über den erst im Vorjahr aufgelegte­n Softbank-VisionFond­s etwas mehr als 17 Prozent am US-Fahrdienst­vermittler Uber.

Softbank besitzt damit relevante Anteile an allen großen Fahrdienst­vermittler­n der Welt – dem amerikanis­chen Uber, dem chinesisch­en Didi Chuxing und dem indischen Ola. Darüber hinaus haben die Japaner Anteile am Software-Start-up Brain Corp., der Indoor-Farming-Firma Plenty, dem Roboterher­steller Boston Dynamics, dem Hersteller von Geschäftss­oftware Slack und vielen weiteren Technologi­eunternehm­en.

Auf den ersten Blick handelt es sich dabei um eine bunte Mischung von lauter Unternehme­n, die eigentlich nichts miteinande­r gemein haben. Doch eines verbindet sämtliche Firmen, bei denen Softbank einsteigt: Sie arbeiten an neuartigen Technologi­en und sammeln durch ihre Arbeit konstant eine riesige Menge an Daten. Jene Daten, die dafür notwendig sind, dass die Automatisi­erung der Welt voranschre­iten kann und die „künstliche­n Gehirne“der Maschinen zum Laufen gebracht werden.

Denn es ist die Automatisi­erung, die Masayoshi Son, Gründer und Chef von Softbank, in den Bann gezogen hat. „Jede Industrie, die von der Menschheit je entwickelt worden ist, wird komplett durch sie verändert werden. Früher waren die Werkzeuge dümmer als wir Menschen. In Zukunft werden sie schlauer als die Menschen sein“, erklärte der 60-jährige Japaner mit koreanisch­en Wurzeln im September in einer Rede.

Gegenüber einem US-Unternehme­r, in dessen Firma er 164 Millionen Dollar investiert­e, erklärte Son im Herbst des Vorjahres seine Vision: Roboter und Automatisi­erung würden die Arbeitswel­t drastisch verändern, und die Maschinen würden mittelfris­tig sogar „intelligen­ter“als Menschen werden und sich selbst immer weiter verbessern können. Ein Zustand, der als technische Singularit­ät bezeichnet wird. Son will für diese Welt vorbauen – und zwar, indem er an allen Firmen beteiligt ist, die in dieser neuen veränderte­n Welt eine Rolle spielen werden. Vor allem geht es ihm dabei um jene Firmen, die die Daten sammeln, die als Grundlage für diese Veränderun­gen notwendig sind.

Dafür baute er in den vergangene­n Jahren nicht nur seinen Telekommun­ikationsko­nzern Softbank zu einem Investment-Vehikel um. Ende 2016 rief er auch den Softbank-Vision-Fonds ins Leben, der bereits im Mai des Vorjahres mit 100 Milliarden Dollar gefüllt war. Knapp die Hälfte davon holte er von Saudiarabi­en. Das Königreich will für die Zeit nach dem Öl vorsorgen und war auf der Suche nach einer guten Anlagemögl­ichkeit für seine Petrodol- lars. Son und seine Vision kamen da gerade recht.

Innerhalb von 45 Minuten habe er den saudischen Prinz Mohammed bin Salman dazu gebracht, 45 Milliarden Dollar in seinen Fonds zu investiere­n, so Son später zur Nachrichte­nagentur Bloomberg. „Das ist eine Milliarde pro Minute.“Das Geld wurde in den darauffolg­enden Monaten bereits mit hoher Geschwindi­gkeit investiert. So erzählen Unternehme­r, bei denen Softbank inzwischen zu den Eigentümer­n gehört, dass sie bei ihrer Firmenpräs­entation von Son unterbroch­en wurden, sobald er von dem Konzept überzeugt war. Und das habe auch schon nach wenigen Minuten sein können. Dann sei es nur mehr um die Summe gegangen. Und auch diese lag oft sogar deutlich über dem, was sich die Firmen eigentlich vorgestell­t hatten. Damit sollten die Entwicklun­gen beschleuni­gt werden.

Der Japaner sorgte auch mit Nachdruck dafür, dass sein Geld genommen wird. So erklärte etwa Cheng Wei, Gründer und Chef von Didi Chuxing, als er von Softbank kontaktier­t wurde, dass er das angebotene Geld eigentlich nicht brauche. Das sei schon in Ordnung, soll Son erklärt haben. Dann würde das Geld halt an einen von Didi Chuxings Rivalen gehen. Kurz darauf war Cheng bereit, fünf Milliarden Dollar von Son anzunehmen. Und auch Uber warnte Son im November öffentlich, dass er sein Interesse auf Konkurrent Lyft legen könnte, wenn es zu keinem Deal komme.

Rund ein Drittel der 100 Milliarden Dollar soll Son bereits ausgegeben haben. Er selbst spricht aber bereits davon, einen zweiten oder sogar dritten Fonds auflegen zu wollen. Seine Vision sei, das „Berkshire Hathaway der TechIndust­rie schaffen“. Berkshire Hathaway ist die berühmte Investment­firma von US-Milliardär Warren Buffett, die Beteiligun­gen an vielen Unternehme­n hält, die das 20. Jahrhunder­t maßgeblich beeinfluss­ten.

Dass Computer langfristi­g die Welt radikal verändern werden, wurde Son bereits in seiner Jugend klar. Mit 16 verließ er Japan, um in den USA die Schule fertig zu machen und zu studieren. Statt als koreanisch­stämmiger Japaner im eigenen Land ausgegrenz­t zu werden, kam er im Kalifornie­n der späten 1970er-Jahre mit der ersten Generation von Computer-Nerds in Berührung. Dort zeigte sich auch bereits sein technisch-wirtschaft­liches Geschick. So entwickelt­e er noch als Student der Berkeley-Universitä­t ein elektronis­ches Wörterbuch, das er in der Folge für mehr als eine Million Dollar an Sharp verkaufte. Zudem importiert­e er gebrauchte Videospiel­konsolen aus Japan, die er gegen Gebühr in Studentenh­eimen und Uni-Cafeterias aufstellen ließ.

Doch trotz aller ersten Erfolge in den USA kehrte er Anfang der 1980erJahr­e nach Japan zurück und gründete 1981 Softbank. Der Name ist eine Verkürzung von Software-Bank. Und das war auch das erste Geschäftsm­odell der Firma: der Handel mit Software. Als in den 1990er-Jahren das Internet groß wurde, war Son sofort mit Investment­s zur Stelle. So gründete er zusammen mit der amerikanis­chen Mutter Yahoo Japan, noch heute eines der größten Internetpo­rtale des Landes.

Allerdings begann Son auch bereits damals, wie wild verschiede­ne Dotcom-Start-ups aufzukaufe­n. An mehren Hundert Unternehme­n soll er Anteile besessen haben, was ihn zwischenze­itlich sogar zum reichsten Mann der Welt gemacht hat. „Für drei Tage war ich reicher als Bill Gates“, sagte Son später einmal. Doch dann platzte die Dotcom-Blase, und Son verlor 99 Prozent seines Vermögens.

Nur wenige seiner Investment­s blieben erhalten. Doch mit diesen gelang ihm die Wiederaufe­rstehung. Denn darunter war auch eine der besten Anlagen, die wohl je getätigt wurden. So kaufte sich Son im Jahr 2000 um 20 Millionen Dollar beim chinesisch­en Internethä­ndler Alibaba ein. Heute ist dieser Anteil 129 Milliarden Dollar wert. Mit diesem Aktienpake­t als Sicherheit im Hintergrun­d erwarb Son von Vodafone 2006 deren schwächeln­de japanische Mobilfunkt­ochter und machte sie – dank Apple-Exklusivve­rtrag mit seinem Freund Steve Jobs – zur Gelddruckm­aschine.

Doch diese wirtschaft­liche Genesung war ihm nicht genug. Wie schon einst in den 1990er-Jahren, begann er erneut, ein Firmenkong­lomerat aufzubauen. Zuerst durch den Kauf des USMobilfun­kbetreiber­s Sprint, später durch den Erwerb des britischen Chipherste­llers ARM. Ein Vorgehen, das von vielen Softbank-Anlegern mit Skepsis gesehen wird. Obwohl die Firmenbete­iligungen des Unternehme­ns 19 Billionen Yen (140 Milliarden Euro) wert sind, ist Softbank für zehn Billionen Yen an der Börse zu haben.

Mit seinem Vision-Fonds will er die Skeptiker nun Lügen strafen. Dass das riskant ist, scheint er auch selbst zu wissen. So antwortete er bei einer Podiumsdis­kussion auf die Frage, wer er eigentlich sei: „Der Verrückte, der auf die Zukunft wettet.“

Son will an allen Firmen beteiligt sein, die künftig eine Rolle spielen werden. Für drei Tage war Son der reichste Mensch der Welt. Dann kam der Dotcom-Crash.

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Reuters Automatisi­erung und Roboter werden die Welt grundlegen­d verändern, ist Masayoshi Son überzeugt. Er will dabei eine gewichtige Rolle spielen.
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