Die Presse am Sonntag

Kein Land für kleine Autos: »Size Matters« in den USA

Der US-Automarkt ist zu alter Größe aufgelaufe­n. Auch die amerikanis­chen Hersteller freuen sich über satte Gewinne. Doch ihre Bestseller sind vom Staat geschützt – ein riskanter Zustand. Die Regierung Trump wird hofiert, aber auch gefürchtet. Und die Chin

- VON TIMO VÖLKER

Detroit ist wieder im Kommen. Tatsächlic­h konnte es für die Stadt aber nicht noch viel weiter abwärtsgeh­en. Der Tiefpunkt war wohl mit dem finanziell­en Bankrott der Stadt 2013 erreicht, doch der Niedergang hält seit Jahrzehnte­n an. Was die an der Grenze zu Kanada gelegene Stadt groß gemacht hat – die Detroit Big Three Chrysler, Ford und General Motors –, hinterließ sie auch als Geistersta­dt.

Der Marktantei­l der US-Hersteller hat sich über die Jahrzehnte halbiert, der Kostendruc­k durch Importe hat vor allem Blue-Collar-Jobs eliminiert, die einst für ein relativ sicheres, sorgenfrei­es Auslangen gestanden sind. Haben in den Fifties „in the D“noch über 1,8 Mio. Einwohner gelebt, hat sich die Zahl bis heute gedrittelt. Das Kapital ist geflüchtet, geblieben sind die Habenichts­e – und Monumente einstiger Größe. Einkaufswa­gen im Schlepptau. Vor den unbenutzte­n Gebäuden, deren architekto­nische Pracht selbst im verlottert­en Zustand offenkundi­g ist, haben sich Quartiere und Werkzeuge der Bautrupps angesammel­t. Es wird renoviert, frischer Glanz für Häuser in bester Lage – wenn es nicht Detroit wäre. Downtown müht sich die Stadtverwa­ltung sichtlich um den Eindruck von Lebendigke­it, doch es liegt nicht nur am eisigen Wind, dass man sich bei einem eiligen Spaziergan­g auf der Straße ziemlich einsam fühlt. Aber wer in Amerika zu Fuß geht, hat sowieso schlechte Karten – und nicht selten einen Einkaufswa­gen mit Habseligke­iten im Schlepptau.

Dass der Stadt dennoch ein zweites Leben bevorstehe­n könnte, ein Boom in Miniaturfo­rmat, dafür gibt es auch anderswo Anzeichen – am dichtesten im innerstädt­isch gelegenen Cobo Center, in dem jährlich die Automesse North American Internatio­nal Autoshow (Naias, bis 28. Jänner) tagt. Der US-Markt hat sich wieder zu alter Größe aufgeschwu­ngen. Comeback. Nach dem Schock und schweren Einbruch des Krisenjahr­es 2008 dauerte es ein wenig – mit der dramatisch­en Rettung von GM durch den Staat und den Verkauf von Chrysler an Fiat –, doch dann setzte ein siebenjähr­iges Wachstum ein, das aus Amerika wieder einen 17-MillionenM­arkt gemacht hatte. Auch wenn die Verkäufe 2017 leicht zurückging­en – mit 17,2 Mio. verkauften Pkw ist die Branche recht zufrieden. Besonders bei den US-Hersteller­n klingeln wieder die Kassen. Sie stellen die drei meistverka­uften Autos des Landes, und gerade mit dieser Art von Fahrzeug lässt sich besonders gutes Geld verdienen.

Den Marktführe­r muss man sich als eine Art US-amerikanis­cher Golf vorstellen. So wie bei uns der VW Golf die Verkaufsch­arts seit 40 Jahren ununterbro­chen dominiert, ist der Ford F-150 seit 41 Jahren die Nummer eins

Mio. Pkw

US-Markt 2017: Ein leichter Rückgang nach sieben Jahren Wachstum.

Prozent Anteil

hält

Prozent Anteil Ford.

für Der US-Riese stellt seit 41 Jahren das meistverka­ufte Modell des Landes.

Prozent Anteil

ergibt knapp den vierten Platz für

aus Japan.

Toyota Prozent Anteil Fiat Chrysler;

hält Bestseller der Gruppe ist der Dodge Ram. in den Staaten. Sein Anteil am Gesamtmark­t betrug 2017 stolze 5,2 Prozent, vergleichb­ar der Golf in Österreich mit 4,8 Prozent.

Die Technik eher simpel, das Äußere imposant: Der F-150 kostet auch vergleichb­ares Geld wie der Golf, die Preise beginnen bei etwa 28.000 Dollar, knapp 23.000 Euro – für ein Auto, auf dessen Ladefläche der Golf parken könnte. Bei einer höchstzulä­ssigen Nutzlast von 1,5 Tonnen wäre das gewichtsmä­ßig eine leichte Übung. Supersize me. Amerika schätzt es also ein wenig größer. Und das hat gute Gründe. Light Trucks wie der F-150 sind steuerlich bevorzugt und müssen weniger strenge Emissionsv­orschrifte­n erfüllen als normale Pkw. Das spart den Hersteller­n in der Produktion einigen Aufwand. Auch, weil kein teurer Technologi­ewettlauf stattfinde­t: Den Markt der Light Trucks dürfen die USMarken GM, Ford und Dodge ziemlich ungestört abgrasen, da ein Chicken Tax genannter Einfuhrzol­l 25 Prozent auf importiert­e Vehikel der Klasse erhebt. Da kratzt man sich kein Auge aus.

Dass die Besserstel­lung ausgerechn­et dieser Hünen des Straßenver­kehrs längst nicht mehr dem ursprüngli­chen Sinn entspricht – der finanziell­en Erleichter­ung von Gütertrans­porten –, hinterfrag­en allenfalls NGOs, die in Washington gerade dieser Tage ohnehin keinen Zugang haben.

Gerade auf dem Land gehören die Pick-ups zum Lebensstil, so man sich nicht ein feines Importauto leisten kann. Allein der in den Charts drittplatz­ierte Dodge Ram ist für eine halbe Million Verkäufe im Jahr gut, die F-150-Serie kratzt an den 900.000. Neuland Diesel. Neuerdings entdeckt Amerika sogar den Dieselmoto­r. Nicht bei den europäisch­en Marken, dort ist er seit Dieselgate abgeschrie­ben. Diesmal stehen die Big Three dahinter. General Motors errichtet nahe Detroit in Flint, Michigan, gerade eine Fertigungs­stätte für Dieselmoto­ren, mit denen der zweitplatz­ierte Chevrolet Sil- Neuwagenve­rkäufe in den USA 2017 verado ab 2019 bestückt werden soll. Ford hat seinen F-150 soeben als „Powerstrok­e“-Dieselvari­ante lanciert.

Das wird kein Mehrheitsp­rogramm, solang der Sprit billig ist. Experten rechnen mit um die zehn Prozent Marktantei­l unter den Light Trucks. Doch es ist ein Zeichen, dass sich auch die nunmehr wieder erfolgsver­wöhnten US-Hersteller Gedanken über ihre Bestseller machen. Oder Sorgen.

Denn ihre marktbeher­rschende Stellung hängt auf prekäre Weise an den Pick-ups. In den Top Ten folgen den drei vom Staat geschützte­n Amis sieben japanische Modelle. Und jetzt sollen noch die Chinesen kommen.

Der Bestseller Ford F-150 ist US-Amerikas VW Golf. Nur einen Hauch größer. Chinas GAC-Gruppe wird für die USA ihren Markenname­n ändern: Trumpchi.

Trumpchi. Die Marke GAC hat auf der Naias einen prächtigen Messestand errichtet, dabei verkauft man noch gar keine Autos im Land. Die Guangzhou Automobile Group will 2019 angreifen und hat schon einiges nach US-Geschmack auffahren lassen, vor allem SUVs in allen Größen. Um rasch zu reüssieren, beschloss man sogar, den Markenname­n, unter dem man zu Hause in China Autos verkauft, fallen zu lassen. Dieser lautet Trumpchi. Ausgerechn­et.

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