Kleiner Mann in Großaufnahme
Die ungarische Autorin Krisztina T´oth legt ein buntes Potpourri an Kurzgeschichten über das Ungarn der vergangenen Jahrzehnte vor – spannend, skurril, surreal, politisch.
Denkt man an ungarische Gegenwartsliteratur, fallen einem die großen Romanciers ein, etwa Imre Kertesz,´ Peter´ Esterhazy´ oder Peter´ Nadas. Auch die ungarischstämmigen Autorinnen Zsuzsanna Gahse und Terezia´ Mora sind zurzeit erfolgreich, wurden mit hoch dotierten Preisen ausgezeichnet. Mit Krisztina Toth´ bringt der Nischen Verlag nun eine ungarische Schriftstellerin heraus, die es ebenfalls verdient, gelesen zu werden. Für ihren Roman „Aquarium“war sie gemeinsam mit Übersetzer György Buda für den Internationalen Literaturpreis Berlin nominiert. Nun legt sie Erzählungen vor.
In fünf Abschnitte ist das Buch gegliedert, wobei die Geschichten des ersten Teils alle in der Ich-Form geschrieben sind. In diesen Texten bietet Toth´ auch eine Lösung für das Problem der Ich-Form in der Prosa: Wem wird die Geschichte erzählt? Bei Toth´ gibt es einen Gesprächspartner, sie führt ein Du ein, das angesprochen, auch gefragt wird, dennoch anonym bleibt. Ein Freund? Ein Verwandter? Der Leser? Liebe im Möbelhaus. Ja, wir Leser sind auf jeden Fall involviert. Wir ärgern uns mit, fiebern mit, leiden mit, gehen mit. Etwa mit dem Pärchen, das es sich im Wohnzimmer auf dem Sofa gemütlich machen will. Da ist aber kein Platz, denn da hocken lärmende Chinesen. Das andere Zimmer ist auch besetzt. Also gehen die beiden ins Schlafzimmer. Hier könnten sie es sogar miteinander treiben, meint der Junge. Leider ist es nicht so intim, wie man das gern hätte, viele Leute schauen zu. Sie sind nämlich in einem Möbelhaus. Doch es ist nicht die fröhliche Familie Putz, die hier ihr Lager aufgeschlagen hat, es sind zwei Obdachlose. Die dann auch von der Security vertrieben werden.
Dann ist da diese Frau, die von ihrem Mann, einer anspruchslosen, primitiven Figur, wie sie ihn nennt, getrennt lebt und zwei Kinder hat. Man kann bunt bemalte Pappwände aufstellen, um eine Fassade zu errichten. Man kann aber auch den Platz vor der eigenen Haustür und das ganze Stiegenhaus blitzblank schrubben, um die Illusion der heilen, schönen, sauberen Welt aufrechtzuerhalten, während hinter den dünnen Wänden das Elend lauert. Krisztina T´oth „Die brennende Braut“ Übersetzt von György Buda Nischen Verlag 296 Seiten 21 Euro