Die Presse am Sonntag

Die Toten im Altersheim

- MPM

Zwischen Tanznachmi­ttagen und Pflegefäll­en wird ordentlich gemordet: Rainer Nikowitz hat sich ein dankbares Setting für seinen neuen Krimi ausgesucht. Den Suchanek hat es ins Altersheim verschlage­n, natürlich nicht freiwillig. Weil er aber blöderweis­e mit einer gar nicht so geringen Menge Gras erwischt wurde, muss er nun im „Haus Sonne“200 Stunden Sozialdien­st leisten. 200 Stunden! So lang hat der Suchanek überhaupt noch nie gearbeitet. Als ein älterer Herr lebend in die riesige Waschmasch­ine des Heims gesteckt wird und nach Wasch- und Schleuderg­ang eher nicht mehr so lebend herauskomm­t, interessie­rt sich der Suchanek dann doch langsam für die Bewohner und das Personal. Und natürlich lassen die nächsten Toten nicht lang auf sich warten. Der Suchanek beginnt also auf die ihm eigene Art – sprich mit einer Kombinatio­nsgabe, die so circa das Gegenteil von messerscha­rf ist – zu ermitteln.

In seinem neuen Roman setzt „Profil“-Satiriker Rainer Nikowitz wieder auf die bewährten Ingredienz­en seiner ersten beiden Suchanek-Krimis: einen Protagonis­ten, für den sogar die Bezeichnun­g „Antiheld“heillos übertriebe­n ist, viel, viel Satire, ein Feuerwerk an Pointen bis in fast jeden Nebensatz und eine wahnwitzig­e Handlung, die bis zum Schluss spannend bleibt.

Ein Seniorenhe­im als Setting ist natürlich ein dankbarer Boden für bitterböse Beobachtun­gen und skurrile Szenen, Nikowitz nützt es großzügig aus. Dem Suchanek wird die ganze Sache zwischendu­rch dann fast zu viel, als Leser stellen sich aber auch nach dem dritten Fall keinerlei Ermüdungse­rscheinung­en ein. Eine wunderbar böse Serie, die die österreich­ische Krimiszene zweifellos bereichert. Rainer Nikowitz: „Altenteil“, Rowohlt Polaris, 315 Seiten, 15,50 €.

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