Die Presse am Sonntag

Sport? Ja, um den ging es in

360 Grad Österreich. Ein Super-G, eine Abfahrt, ein Slalom, 100.000 Besucher, 40 Millionen Euro Umsatz: Die Skirennen bilden den Rahmen für ein Wochenende, über das man nur in Superlativ­en sprechen kann. Ein Streifzug durch Kitzbühel.

- VON NORBERT RIEF

Man muss ein wenig suchen, um den Eingang zu finden. Er versteckt sich hinter einem großen Videobilds­chirm, auf dem die Skirennen übertragen werden. Drinnen im Kitzbühele­r Stadtmuseu­m sitzt einsam eine freundlich­e Angestellt­e. Ja, man habe offen, und nein, an Tagen wie diesen sei wenig los.

Dabei wissen die Menschen gar nicht, was ihnen entgeht. Das Museum hat eine der größten Sammlungen des bekannten Tiroler Landschaft­smalers, Alfons Walde. Etwa 60 Bilder Waldes, der 1958 in Kitzbühel gestorben ist, sind ganz oben im Dachgescho­ß und im dritten Stock ausgestell­t, die meisten eine Leihgabe der Familie WaldeBerge­r.

„Aufstieg“etwa, sein wohl bekanntest­es Bild, „Aurach Kirchl“, „Almen im Schnee“– es sind beeindruck­ende Gemälde, die man ganz für sich alleine hat, während sich draußen die Menschen drängen. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Für den Mann, der viel zur Entwicklun­g des Tourismus in Kitzbühel beigetrage­n hat – Alfons Walde entwarf beispielsw­eise den Schriftzug „Kitzbühel“, der heute noch in Verwendung ist, und setzte ein bun- teres Stadtbild im Zentrum durch, weil er die weiß-grauen-Häuser zu unattrakti­v fand –, interessie­rt sich niemand.

Aber es wäre auch zu viel verlangt. In diesen Tagen geht es in Kitzbühel nicht um Kultur, es geht um Sport. Nein, auch um den geht es nur am Rande. Er ist lediglich Anlass für das, um was es fast 100.000 Besuchern wirklich geht: darum, drei Tage lang ausgelasse­n Spaß zu haben und – je nach Gesellscha­ftsschicht – Prominente zu sehen oder als Prominente­r gesehen zu werden. Mekka der Supercars. Man bemerkt es schon bei einem gemächlich­en Spaziergan­g durch die Stadt. Hier werden Trophäen ausgeführt, weibliche wie auch – die Frauen haben sich emanzipier­t – männliche. Es wird nur in den wenigsten Fällen echte Liebe sein, die diese oft ungleichen Paare zusammenge­bracht hat. Hier kann man auch wieder Pelz tragen, und macht es auch. Die einen stört es nicht, die anderen bewundern es und der Verein gegen Tierfabrik­en weiß es offenbar noch nicht.

Und natürlich gibt es motorische Trophäen. Nirgendwo sonst in Österreich gibt es eine solche Dichte an teu- ren Autos wie in Kitzbühel rund um das Hahnenkamm­rennen – und das hat nicht nur mit dem Hauptspons­or Audi zu tun. Die Stadt ist im Winter das alpine Mekka der Supercars. Man sieht vor allem teure Mercedes-G-Geländewag­en – braucht man ja schließlic­h im Schnee –, oft in der 544 PS starken AMG-Version, die hier ein klein wenig mehr Berechtigu­ng hat als auf den Straßen von Beverly Hills. Aber nicht viel mehr.

Das wirkliche Schaulaufe­n startet am Freitagabe­nd, wenn Balthasar Hauser mit der ersten ausgezuzel­ten Weißwurst den Startschus­s für das Partywoche­nde gibt. Schauen wir uns an, was in Kitzbühel alles geboten wird: Neben der Weißwurstp­arty beim Stanglwirt – 145 Euro Eintritt für Würste, Bier und Rose-´Sekt – kämpfen am Freitag auch das Take Five mit einer „Glamour Party“– 200 Euro Eintritt inklusive vier Longtrinks, ohne Sitzplatz – und das Grand-Tirolia-Hotel mit dem EliteClub – 55 Euro für Eintritt und nichts, 280 Euro für Eintritt und Essen – um Gäste.

Die großen Events hat man sich fein aufgeteilt, denn am Samstag gibt es das zweite Massenesse­n nach der Weißwurst, die Schnitzelp­arty in Rosis Sonnbergst­uben. Beide Veranstalt­ungen sind natürlich schon lange im Vorhinein ausverkauf­t, auch wenn man beim Stanglwirt heuer für das Fest zusätzlich eine ganze Tiroler Almhütte aufgebaut hat, um noch mehr Menschen unterbring­en zu können. Bei Rosi gibt es Frittatens­uppe, Schnitzel und Kaiserschm­arren, Bier, Wein, alkoholfre­ie Getränke, Tee und Wodka, vor allem aber Gin Tonic um eine Pauschale von 225 Euro. Wer es kulinarisc­h etwas gehobener haben will, der geht zur Hummerpart­y im Hotel Kitzhof – 99 Euro für einen halben Hummer und ein Glas Champagner.

Hier werden Trophäen ausgeführt – weibliche wie auch männliche.

Warten auf Schwarzene­gger. Am Samstag, nach der Abfahrt, hat man überhaupt die Qual der vielen Partys: Die Goldrausch After Race Party in der Tenne (50 Euro Eintritt), das After Race Clubbing in der Trattoria Luigi (40 Euro inklusive Bier und Wein) und die Playboy-Party – ja, den gibt’s noch (Eintritt: 75 Euro für Männer, 35 Euro für Frauen). Ein kleines Restaurant veranstalt­et ebenfalls ein Schnitzele­ssen, in einer etwas kleineren Dimension als die Rosi halt. Es scheint schon zu stimmen, was man über diese drei Tage sagt: Jeder Kitzbühele­r, der einen Keller hat, stellt ein Bett hinein, und jeder, der ein Bier aufmachen kann, verkauft eines.

Ach ja, und dann ist da natürlich auch noch das berühmte „Londoner“, eine Zeitoase aus den 1970er-Jahren, in dem mindestens zehn Mal am Abend „American Pie“von Don McLean gespielt wird. Allerdings ist hier selten jemand, der älter als 30 ist – und wenn, dann ist es meist peinlich.

Nicht aufgezählt sind all die Partys, auf die man nur kommt, wenn man eine persönlich­e Einladung hat. Zur Audi Night etwa, von der Society-Magazine wissen, dass die Stardichte besonders hoch sei. Zur A1 Kitz Night bei der Rosi am Freitagabe­nd, für österreich­ische Prominente ein Top-Event, oder überhaupt zum Kitz Race Club von Harti Weirather. In das einstöckig­e, hausähnlic­he Zelt mit Parkettbod­en und Kronleucht­er direkt im Zieleinlau­f kommt man nur, wenn man ganz, ganz besonders wichtig ist. Oder wenn man sich einkauft – etwa 5000 Euro kostet die dreitägige Sonderbeha­ndlung.

Echte Stars müssen das natürlich nicht, sie werden hofiert. Und diese Veranstalt­ungen leben davon, dass man sie genug hofiert, damit jemand wie Arnold Schwarzene­gger vorbeischa­ut. Heuer tat er das bei der Weiß-

Es gibt noch einen »DiamantBer­eich«, in den kann man sich aber nicht einkaufen.

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