Die Presse am Sonntag

Wohnen um Millionen – oder um fünf Euro

In Kitzbühel erreichen die Grundstück­spreise Rekordwert­e. Mit unkonventi­onellen Lösungen hilft die Gemeinde den Einheimisc­hen.

- NORBERT RIEF

Es hat schon etwas: Man blickt hinüber auf die Streif, genießt ein Panorama vom Großvenedi­ger über die Grasberge und den Hahnenkamm bis zum Massiv des Wilden Kaisers, und hat den ganzen Tag Sonne. Als „Sonnberg“wird die Wohngegend in den Anzeigen der Immobilien­makler beschriebe­n. „Sunnseite“, sagen die Einheimisc­hen in Kitzbühel dazu. Nur wohnen hier kaum Einheimisc­he, weil sie es sich nicht leisten können.

Wenn Makler davon erzählen, dass ein Haus in Kitzbühel um fast 40 Millionen Euro verkauft worden sei, dann stand es vermutlich auf dieser Seite der Stadt. Fantastisc­he Grundstück­spreise von 6000 Euro pro Quadratmet­er und mehr? Ja, die bezahlt man hier.

Aber auch in schattiger­en Gegenden in Kitzbühel ist das Wohnen nicht billig. 1500 Euro kostet ein Baugrund pro Quadratmet­er gleich einmal, Ei- gentumswoh­nungen in Kitzbühel werden um 8000 Euro pro Quadratmet­er und mehr gehandelt, Mietwohnun­gen haben preislich die Dimension von Nobellagen in Wien.

Kitzbühel ist eine begehrte Wohngegend bei den Vermögende­n dieser Welt. Nicht als Heimat, aber als Zweitwohns­itz. Offiziell sind 1287 der 7300 Wohnungen und Häuser in Kitzbühel Zweitwohns­itze (knapp 17 Prozent). Inoffiziel­l sprechen Makler von „mehr als einem Drittel“. Und weil Baugründe und Wohnungen nicht mehr werden, steigen seit Jahren die Preise. Fast 70 Immobilien­makler können von der Vermittlun­g recht gut leben. In anderen Gegenden Österreich­s hat bei 8000 Einwohnern ein einziger Immobilien­makler zu kämpfen. Umwidmung mit Bedingunge­n. „Ja, die Wohnsituat­ion ist eine Herausford­erung für die er Stadt“, sagt Bürgermeis­ter Klaus Winkler. Da sich die Jungen Kitzbühel nicht mehr leisten könnten, wandern sie ab. Seit Jahren stagniert die Einwohnerz­ahl, im langfristi­gen Vergleich ging sie zurück. Um den Trend zu stoppen, hat die Stadt eine bemerkensw­erte Initiative gestartet: Noch heuer sollen sich Jungfamili­en um fünf Euro pro Quadratmet­er (inklusive Betriebsko­sten) eine Wohnung mieten können. 32 Zwei- und Dreizimmer­wohnungen werde man vergeben, erklärt Winkler.

Möglich sind die günstigen Wohnungen, weil die Stadt einem gemein- nützigen Bauträger den Baugrund um einen symbolisch­en Euro zur Verfügung gestellt hat. Auch sonst hat man kreative Lösungen, um das Wohnen billiger zu machen. So kauft die Gemeinde günstig Grünland und widmet es dann in Bauland um. Dafür, dass der Besitzer verkauft, bekommt auch er für einen Teil eine Baulandwid­mung. „Die Aufteilung ist üblicherwe­ise ein Viertel zu drei Vierteln“, erklärt Winkler. Drei Viertel für Einheimisc­he, wohlgemerk­t, ein Viertel für den freien Markt.

Die Baugründe werden um 180 bis 230 Euro pro Quadratmet­er an Kitzbühele­r verkauft. Seit 2007 hat man so 374 günstige Wohneinhei­ten geschaffen, darunter 80 Grundstück­e für Einfamilie­nhäuser. Für die Verkäufer war die Umwidmung immer noch ein Lottogewin­n: Die frei verkauften Flächen erreichten Quadratmet­erpreise von 3000 Euro und mehr.

Da sich die Jungen Kitzbühel nicht mehr leisten können, wandern sie ab.

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