Das Rathaus als Machtzentrum und Gegengewicht
Ein sozialdemokratischer Bürgermeister und ein konservativer Premier: Diese Konstellation zeigt sich neuerdings nicht nur in Wien, sondern längst in anderen Metropolen – in New York, London, Berlin oder Barcelona. Das Bürgermeisteramt ist oft auch Sprungb
Michael Häupl hat Wien 23 Jahre seinen Stempel aufgedrückt. Als er 1994 die Nachfolge Helmut Zilks als Bürgermeister antrat, haben ihm wenige eine so lange Ära zugetraut. Ähnlich lang – 21 Jahre – war in einer vergleichbaren europäischen Metropole nur Christian Ude in München im Amt.
Anders als Häupl hatte es Ude indessen die gesamte Zeit mit politischen Gegenspielern in der bayerischen Landeshauptstadt zu tun – mit den CSULangzeit-Ministerpräsidenten Edmund Stoiber und Horst Seehofer, von CDUBundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin ganz zu schweigen. Deren SPD-Antipode in der deutschen Hauptstadt indes war Klaus Wowereit, der 2014 nach 13 Jahren seinen Abschied nahm.
Sozialdemokratische Bürgermeister großer Städte und konservative Regierungschefs – oder vice versa, was indes weitaus seltener ist: Eine solche Konstellation verheißt ein Spannungsverhältnis, wenn nicht gar einen Machtkampf. Das Rathaus also als Basis, um die Regierung herauszufordern.
Zuweilen ist der Bürgermeisterjob auch ein Sprungbrett für die ganz große Karriere als Premierminister. Zuletzt gelang dies Matteo Renzi, der als Bürgermeister von Florenz zum Premier in Rom aufstieg – um nach einem gescheiterten Verfassungsreferendum schließlich wieder von der Regierungsspitze zu stürzen. Auch Boris Johnson macht sich als früherer Londoner Bürgermeister insgeheim weiterhin Hoffnung, in 10 Downing Street einzuziehen.