Die Presse am Sonntag

Barcelonas »Pasionaria« zwischen den Fronten

- BASTA

Der Aufstand gegen das verhasste Establishm­ent gehörte von Anfang an zum politische­n Markenzeic­hen Ada Colaus. Schon bevor die scharfzüng­ige Aktivistin im Mai 2015 die Bürgermeis­terwahl in Barcelona gewann, war sie als resolute Rebellin stadtbekan­nt gewesen.

Im Lebenslauf der „Pasionaria“Colau nimmt der Protest gegen die Elite einen dominanten Stellenwer­t ein: Bereits als Volksschül­erin ging sie mit ihrer Mutter gegen die Regierung demonstrie­ren, als Teenager machte sie gegen den Golfkrieg mobil, später kämpfte sie gegen die Globalisie­rung. In Zeiten des spanischen Immobilien­booms, als Mietpreise auch in Barcelona in die Höhe gingen, konzentrie­rte sich Colau eher auf Lokales: Damals machte sie sich als Hausbesetz­erin einen Namen. Als die Immobilien­blase dann platzte und viele Barcelones­en von Zwangsräum­ungen bedroht waren, gründete sie eine Organisati­on, um diesen Menschen zu helfen. Dafür bekam sie 2013 den Europäisch­en Bürgerprei­s des EUParlamen­ts.

Als Vertreteri­n der Zivilgesel­lschaft präsentier­t sich die 43-Jährige auch heute noch, einer Partei möchte sie nicht zugeordnet werden. Die Verfechter­in einer direkten Demokratie will ja „von unten“das „morsche System“bekämpfen. Wobei die Nähe zur linkspopul­istischen Podemos augenschei­nlich ist, nicht nur in den Programmen: Die Partei unterstütz­te Colaus Plattform Barcelona en Comu´ bei der Bürgermeis­terwahl. Verärgerte Unternehme­r. In den ersten Jahren als Bürgermeis­terin machte Colau ihrem Ruf als Kämpferin alle Ehre – und stieß dabei insbesonde­re Tourismusu­nternehmer vor den Kopf: Um den Massentour­ismus und steigende Wohnpreise in Barcelona zu drosseln, verhängte sie einen Baustopp für neue Hotels im Zentrum. Zudem dürfen keine Lizenzen mehr für private Touristena­ppartement­s vergeben werden.

Ada Colau.

Die 43-jährige Aktivistin hat 2015 überrasche­nd die Bürgermeis­terwahl in Barcelona gewonnen.

Bei der radikalste­n aller Rebellione­n in Katalonien machte Colau aber nicht mit: Als die katalanisc­he Regionalre­gierung im Herbst die Trennung von Madrid in die Wege leiten wollte, stieg die Bürgermeis­terin der katalanisc­hen Hauptstadt auf die Bremse. Ausgerechn­et „Pasionaria“Colau wurde in der explosivst­en Phase die mäßigende Stimme im Unabhängig­keitskonfl­ikt: Sie kritisiert­e die radikale Haltung beider Seiten, rief zum Dialog auf, bot sich als Vermittler­in an. Bei jeder Gelegenhei­t erinnerte sie an den kosmopolit­ischen, weltoffene­n Charakter ihrer Stadt. Die Bürgermeis­terin lehnt ein unabhängig­es Katalonien ab, wäre aber bereit, darüber abstimmen zu lassen.

Die Enkelin spanischer „Einwandere­r“in Katalonien wird sich noch intensiver bemühen müssen, die Brücken zwischen Madrid und Barcelona wieder aufzubauen. Bei katalanisc­hen Regionalwa­hlen im Dezember siegten erneut die Separatist­en – der Konflikt geht in die nächste Runde.

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