Sadiq Khan hat noch Großes vor in London
Als im Mai 2016 der Labour-Politiker Sadiq Khan mit 56,8 Prozent der Stimmen zum Londoner Bürgermeister gewählt wurde, sahen das viele als Signal für das einen Monat später anstehende EU-Referendum: Mit Khan hatte sich ein bekennender Moslem mit linksliberalen und Pro-EU-Ansichten gegen eine untergriffige und fremdenfeindliche Kampagne durchgesetzt. Was konnte noch schiefgehen? Einen Monat später stimmten die Briten für den Brexit.
London wollte hingegen mit großer Mehrheit in der EU bleiben, und Khan wird nicht müde, die Regierung daran zu erinnern. Immerhin hat die Hauptstadt vieles zu verlieren: Die Position als Finanzzentrum ist ebenso in Gefahr wie die Attraktivität als Kulturmetropole. Ein Ende der Personenfreizügigkeit wird zu einer demografischen Kehrtwende führen: Es ist die wachsende Einwanderungsbevölkerung, die Lon- don jung hält. Ähnlich wie die schottische Regierung für Schottland verlangt Khan für die Hauptstadt zumindest einen Verbleib in der Zollunion mit der EU. Wie die schottischen Nationalisten kann er nicht plausibel erklären, wie eine derartige Regelung realistisch aussehen könnte. Aber als einer der Champions der Brexit-Gegner konnte er sich zu einem Politiker mit landesweiter Resonanz profilieren. Schlagfertig. Dazu beigetragen hat auch seine besonnene und entschlossene Reaktion auf die Katastrophen des vergangenen Jahres: Sowohl nach den Terroranschlägen in London als auch nach dem Brand im Grenfell Tower war er vorneweg am Schauplatz und bemühte sich um Sicherheit und Anteilnahme. Dass er Twitter-Angriffe von US-Präsident Donald Trump schlagfertig zurückwies, stärkte nur sein Anse-
Sadiq Khan.
Der 47-jährige Sohn pakistanischer Immigranten ist seit Mai 2016 Bürgermeister von London. Ken Livingstone und Boris Johnson waren seine schillernden Vorgänger. hen: Trump vertrete Ansichten, die „den Werten unserer Stadt diametral entgegengesetzt sind“, und folglich sei er hier „nicht erwünscht“.
Wie sein Vorgänger, Boris Johnson, der nach seinem Sieg in der BrexitKampagne zum Außenminister aufstieg, wird auch von Khan eine nationale Karriere erwartet. Als die Labour Party unter Jeremy Corbyn in die kollektive Selbstzerstörung zu galoppieren schien, wurde der 47-Jährige als möglicher Nachfolger und Retter gehandelt.
Seit sich die Partei aber im Aufwind befindet, verhält sich Khan auffällig still. Ein Porträt im „New Yorker“beschrieb den einstigen Menschenrechtsanwalt und Vater zweier Kinder als einen Politiker, der sehr sorgfältig seinen eigenen Vorteil im Blick hat und dessen stärkste Überzeugung sein eigener Nutzen ist. Damit dürfte er seinem Amtsvorgänger ähnlicher sein, als beiden lieb ist.