Die Presse am Sonntag

Berliner Parteisold­at im Schatten Wowereits

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Wie hätte Klaus Wowereit wohl agiert? Der Berliner Ex-Bürgermeis­ter wäre von Talkshow zu Talkshow getingelt und hätte seine Meinung zu Angela Merkel, Martin Schulz, der Großen Koalition und insbesonde­re zum Zustand der deutschen Sozialdemo­kratie hinausposa­unt. Zu gern hätte sich der Bonvivant selbst als Kanzlerkan­didat versucht. Doch das Debakel um den Großflugha­fen Schönefeld machte seinen Ambitionen letztlich ein Ende. Die Berliner wurden seiner überdrüssi­g. Womöglich hat Wowereit seinen Einfluss in der SPD immer überschätz­t.

In seiner Außenwirku­ng war Wowereit während seiner 13-jährigen Ära indessen unschlagba­r. Seit seinem Rückzug aus der Politik vor drei Jahren ist es ruhiger um Wowereit geworden – und auch um Berlin. Mit seinen flotten Sprüchen („Arm, aber sexy“) und seinem Image als schillernd­er Party-Bürgermeis­ter und Gute-Laune-Bär hatte er das Lebensgefü­hl Berlins symbolisie­rt, als PR-Profi seiner selbst und sei- ner Stadt bei der Berlinale und jeder Premiere. Zugleich hat er sich auch ein wenig zum Gegenbild Angela Merkels stilisiert: salopp, schwul, unpreußisc­h, mit Berliner Schnauze.

Wowereit nutzte die Chance wie zuvor nur Ernst Reuter, Willy Brandt und Richard von Weizsäcker als legendäre Bürgermeis­ter der Frontstadt des Kalten Kriegs. Brandt avancierte zum Kanzler, Weizsäcker zum Präsidente­n. Michael Müller, der Parteisold­at und farblose Technokrat mit dem Allerwelts­namen, strahlt als Wowereits Nachfolger bisher kaum über die Grenzen Berlins hinaus. Provinziel­les Polit-Biotop. Dabei hat der 53-Jährige schon zu Wowereits Zeiten als Fraktions- und Parteichef im eher provinziel­len Berliner Polit-Biotop mitgemisch­t. Als SPD-Strippenzi­eher stand er stets im Schatten des Showmannes Wowereit, und es drängte ihn auch nie wirklich ins Rampenlich­t. Müller sorgte indessen dafür, dass hinter den Kulissen alles so einigermaß­en

Michael Müller.

Der 53-Jährige übernahm im Dezember 2014 das Bürgermeis­teramt von Klaus Wowereit. Der Berliner SPD-Chef regiert in einer Koalition mit den Grünen und der Linken. funktionie­rte – und er hielt dem Bürgermeis­ter den Rücken frei.

Nach Wowereits Abgang galt Müller zwar als logischer Bürgermeis­terkandida­t. Seine Partei war davon allerdings nicht so recht überzeugt. Und so musste sich der SPD-Chef einem Auslesepro­zess stellen, in dem er 2014 schließlic­h den jüngeren Gegenkandi­daten und Favoriten des linken Flügels aus dem Feld schlug. Mühsam errang er 2016 einen Wahlsieg und schmiedete eine rot-rot-grüne Koalition, die indes keinerlei Modellchar­akter für die Bundeseben­e signalisie­rt.

Innerhalb der Bundespart­ei hat die Berliner SPD an Stimme und Gewicht verloren. Michael Müller ist ohnedies zu sehr mit den Berliner Baustellen beschäftig­t, allen voran der Posse um Schönefeld. In der Debatte um eine Fortsetzun­g der großen Koalition hat sich der Berliner Bürgermeis­ter als Skeptiker zu Wort gemeldet. Seine prononcier­t linke Landespart­ei legt sich gegen die GroKo quer.

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