»Ein Tag in der Schule hat mir gereicht«
Mit sechs hat die Britin Alma Deutscher ihre erste Klaviersonate komponiert, und am 28. Jänner hat ihre Oper »Cinderella« an der Wiener Staatsoper in einer eigenen Kinderfassung Premiere. Für die Proben ist die Zwölfjährige in Begleitung ihres Vaters nach
Deine Oper „Cinderella“wird zum zweiten Mal in Wien – diesmal in einer Kinderfassung an der Staatsoper – aufgeführt. Musstest du irgendetwas verändern? Alma Deutscher: Ja, es ist eine kürzere Version. Warum? Weil Kinder nicht so lang aufpassen können? Das behaupten sie hier jedenfalls. Aber Staatsoperndirektor Dominique Meyer war sehr nett zu mir. Normalerweise darf eine Fassung für Kinder hier nur eine Stunde dauern. Meine ist eine Stunde und fünfzehn Minuten lang, und das hat er akzeptiert. Dennoch musste ich sehr viel kürzen. Das war für mich sehr schmerzvoll. Meine Musik zu beschneiden ist für mich so, als müsste ich mir in die eigene Haut schneiden. Was machst du, wenn die Musiker bei den Proben nicht so spielen, wie du dir das vorstellst? Ich hoffe, dass sie so spielen, wie ich mir das vorstelle. Und wenn nicht, erkläre ich ihnen, wie ich mir vorstelle, dass es zu klingen hat. Und dann werden sie es wieder versuchen und es auch genauso spielen. Aber bisher hatten wir noch gar keine Orchesterproben, ich bin schon sehr gespannt. Hast du das Gefühl, von anderen Musikern ernst genommen zu werden? Ja, und das ist mir auch extrem wichtig. Du warst sechs Jahre alt, als du deine erste Klaviersonate geschrieben hast. Gefällt dir heute noch, was du früher geschrieben hast? Na ja, wenn ich mir heute die Kompositionen anschaue, die ich vor langer Zeit geschrieben habe, wirken sie meist recht einfach auf mich. Ich denke mir dann, heute würde ich dieses und jenes anders – besser – machen. Manchmal überarbeite ich sie auch. Ist dir musikalisch schon einmal etwas wirklich misslungen? In Konzerten mache ich manchmal Fehler. Jeder macht Fehler. Aber für mich ist es wichtig, dabei Spaß zu haben. Ich werde auch nie nervös, sondern bin nur aufgeregt. Scheitern würde ich in meinen Augen nur, wenn ich musikalisch nicht gut spielte. Du wirst nur zu Hause unterrichtet? Ja, ich gehe nicht in die Schule. Ich war mit fünf Jahren einen Tag in der Schule, und der hat mir gereicht. Ich habe erwartet, dass ich dort lesen und schreiben lerne. Aber das hat mir dort am ersten Tag niemand beigebracht. Ich war in Tränen aufgelöst, als ich nach Hause kam. Daher entschieden wir uns, mich wieder aus der Schule zu nehmen. Dachtest du denn, du würdest das in nur einem Tag lernen können? Das habe ich gehofft. Wie lang hast du dann gebraucht, um lesen und schreiben zu lernen? So lang, wie es normalerweise dauert. Guy Deutscher (Almas Vater schaltet sich ein): Nein, du warst sehr schnell, du hast nur wenige Wochen gebraucht. Alma: Okay, ich war schnell. Hast du auch Unterricht in Mathematik, Biologie, Physik oder Chemie? Ich bringe mir viel selbst bei, einfach, indem ich Bücher lese. Als ich jünger war, kam auch jemand nach Hause, der Mathematik mit mir gemacht hat. Aber heute mache ich es eher selbst. Und musst du auch Prüfungen machen? Nein, das tue ich nicht. Du Glückliche. Aber fehlt dir denn nichts?
Alma Deutscher
wurde im Februar 2005 in Oxford geboren. Nach Angaben ihrer Eltern konnte sie Noten lesen, lang bevor sie lesen und schreiben lernte. Sie besucht keine Schule, sondern wird zu Hause unterrichtet. Ihr Vater gab seinen Beruf auf, um sie zu managen.
Mit sechs Jahren
schrieb sie ihre erste Klaviersonate, mit neun ein Violinkonzert. Ihre erste Oper „The Sweeper of Dreams“wurde 2012 uraufgeführt, ihre zweite Oper
feierte 2016 Uraufführung in Wien.
„Cinderella“ 28. Jänner 2018
Am hat eine Kinderfassung von „Cinderella“an der Staatsoper Premiere. Du triffst sicher viele interessante Menschen, aber ich lache mit meinen Freundinnen in der Schule jeden Tag. Ich habe ja viele Freunde. In England gibt es viele Kinder, die „home-schooling“machen, und wir treffen sie regelmäßig. Im Sommer besuche ich immer ein Musikcamp in Salzburg. Vergangenes Jahr war es sogar auf Deutsch, damit ich die Sprache besser lerne. Wie kommst du mit Kindern zurecht, die mit Musik nichts am Hut haben? Natürlich bin ich besonders mit Menschen befreundet, die Musik lieben. Einige meiner Freunde sind aber auch unmusikalisch. Deine Schwester, Helen, ist jünger als du. Ist es schwierig für sie, dass sich immer alles nur um dich dreht? Wir sind wirklich sehr gute Freunde. Und es gibt vieles, in dem sie besser ist als ich. Sie ist sehr praktisch veranlagt, sie findet immer alles, wenn wir etwas suchen. Sie ist auch sehr sportlich, schwimmt und reitet. Guy Deutscher: Wir haben immer unser Bestes versucht, um ausgleichend zu wirken. Helen ist auch eine sehr gute Musikerin, aber sie ist nicht wie Alma von Musik besessen. Sie hat andere Interessen und findet ihren eigenen Weg. Ich glaube, du bist gern die große Schwester. Ja. Ich liebe es auch, sie zu unterrichten, beim Geigespielen oder beim Baumklettern. Helen mag das allerdings nicht immer, das hängt von ihrer Laune ab. Würdest du dich selbst als harte Arbeiterin bezeichnen? Ja, natürlich, ich arbeite sehr hart. Man kann Talent haben, aber ohne Fleiß erreicht man nichts. „Wunderkind“ist nämlich ein so aufgeladener Begriff. Guy Deutscher: Meiner Meinung nach ist die Fähigkeit, zu arbeiten und sich zu konzentrieren, ein signifikanter Teil von dem, was Talent ausmacht. Menschen, die so besessen sind wie Alma von Musik, können sich stundenlang auf eine Sache konzentrieren. Nach drei Stunden müssen wir sie losreißen. Bist du auf irgendwelchen Social-MediaPlattformen wie Facebook oder Snapchat? Ob ich was bin? Nutzt du Facebook oder Instagram? Ich verstehe die Frage nicht. Hast du einen Twitter-Account? Nein, das habe ich nicht. Aber es gibt von mir Konzerte auf YouTube. Guy Deutscher: Alma hat einen privaten Facebook-Account, aber vor allem bin ich es, der Fotos für Freunde postet. Aber Alma nutzt Skype und schreibt E-Mails. Alma: Ja, ich schreibe E-Mails an meine Freunde. Und schreibst du schon an einer neuen Oper? Ich dachte nach meiner ersten ernsten Oper und all der Zeit, die ich hier in Wien verbracht habe, dass ich nun eine . . . was du mit 18 Jahren erreicht haben willst? Ich möcht bis dahin schon viel mehr komponiert haben. Ich bin sicher, dass ich schon eine neue Oper geschrieben haben und meine Symphonie beendet haben werde. Und ich will, dass meine Kompositionen überall auf der Welt aufgeführt werden. Ich will sie spielen. . . . ob dir deine Arbeit immer nur Spaß macht? Das meiste macht mir Spaß, aber nicht alles. Wenn mir eine Idee in den Kopf springt, ist das eine Freude. Aber eine Komposition weiterzuentwickeln und fertigzustellen, das ist harte Arbeit. Also es ist immer lustiger, mit einem Stück zu beginnen. . . . ob du einmal eine Familie und Kinder haben willst? Ja, ich glaube schon – sicher. Und ich würde ihnen beibringen, Klavier zu spielen, und sie würden es lieben. Und ich würde sie auch lehren zu komponieren, und zwar auf dieselbe Weise, wie ich es gelernt habe. Operette oder ein Musical schreiben sollte. Aber ich denke auch daran, eine Symphonie zu schreiben. Einen Satz habe ich schon, nun will ich sie vollenden. Auch noch Kammermusiktrios und Stücke fürs Klavier, die ich dann spielen werde. Ich habe also noch viel im Ärmel. Was tust du, um noch besser zu werden? Mir ist es sehr wichtig, mich weiterzuentwickeln. Ich habe zwar keinen Kompositionslehrer, aber ich zeige meine Arbeiten verschiedenen Leuten, die mir dann Tipps geben. Du komponierst, spielst Klavier und auch Geige. Was ist dir am wichtigsten? Ich liebe alle drei Sachen, werde aber mein Leben lang Komponistin bleiben. Aber ich weiß nicht, ob ich mein ganzes Leben lang Konzerte geben werde. Manche meinen, ich müsste mich für ein Instrument entscheiden. Aber ich spiele beide gleich gern. Warum solltest du dich dann für eines entscheiden? Guy Deutscher: Ein Konzertpianist verbringt sechs Stunden am Tag am Klavier. Und ein Geiger muss auch sechs Stunden täglich üben, um auf dem Level eines Topmusikers zu sein. Für beides gibt es also nicht genug Zeit. Vielleicht muss sie sich einmal entscheiden. Du könntest ja auch Lehrerin werden, wenn du so gern unterrichtest. Ja, ich will auch Lehrerin werden. Ich habe das Projekt, eine Musikschule zu gründen, entweder im Belvedere oder in einem Schloss am Wolfgangsee. Ich werde die Schulleiterin sein und Komposition unterrichten. Meine Schwester wird dort auch unterrichten, aber ich bin die Direktorin. Die größte Ehre an dieser Schule wird es sein, Schüler meiner Klasse zu werden.