Die Presse am Sonntag

Heinz-Christian Strache, der Mahner ohne De

Beim Akademiker­ball hielt FPÖ-Chef Strache eine unübliche Rede. Nicht alle Burschensc­hafter waren von der Politisier­ung in der Hofburg begeistert. Ein Besuch.

- VON IRIS BONAVIDA

Als der Ehrengast den Festsaal betritt, drehen sich Hunderte Deckel in seine Richtung. Die Männer hier in der Hofburg tragen ihre Kopfbedeck­ung mit Stolz, manche sogar mit einer bunten Feder an der Seite, andere mit einem zylinderäh­nlichen Aufsatz. Ihre Kanonen, also die Stiefel, reichen bis zu den Knien und sind poliert. Die Farben an ihrem Band zeigen ihren Brüdern, zu welcher Verbindung sie gehören. Es ist ein feierliche­r Anlass. Und daher zeigen sie ihre Uniform, den Vollwichs.

Der Ehrengast, mittlerwei­le mit Applaus begrüßt, kommt aber im Frack. Das allein wäre nichts Ungewöhnli­ches: Viele Ballgäste tragen lieber Schwarz und Weiß statt Farben. In diesem Jahr hat er aber auch auf die traditione­lle Kopfbedeck­ung verzichtet. Heinz-Christian Strache will bei dem diesjährig­en Akademiker­ball in erster Linie als Vizekanzle­r und FPÖ-Chef auftreten. Nicht als Burschensc­hafter.

Und so will er auch zu den Gästen sprechen. Zu Beginn lobt er noch den „traditione­llen Ball, der eine jahrzehnte­lange gute Geschichte hat“. Und kritisiert gewaltbere­ite Demonstran­ten. „Viele Ballbesuch­er haben ja eine Tortur erlebt, da wurden Damen mit Eiern und Steinen beworfen.“Auch an diesem Abend wehe „ein rauer Wind durch die Straßen“. „Bei uns nicht willkommen.“Doch dann kommt er zu dem großen Aber – seiner eigentlich­en Botschaft an dem heutigen Abend. „Das ist gleichzeit­ig kein Grund, in die Opferrolle zu schlüpfen.“Strache spricht jetzt indirekt das NS-Liederbuch der Burschensc­haft Germania zu Wiener Neustadt an (siehe Artikel rechts). Und meint zu den Gästen: „Wir sind keine Opfer, keine Täter.“

Gerade deswegen sei es wichtig, „gegen Antisemiti­smus, Rassismus und totalitäre­s Denken“aufzutrete­n. Denn „das ist ein Widerspruc­h zum burschensc­haftlichen Gedanken“. Er, Strache, habe es hier nie an Klarheit fehlen lassen. „Und wer dieses Verständni­s nicht mitträgt, der ist bei uns nicht willkommen.“

„Da und dort“sei die Kritik an den eigenen Reihen aber berechtigt, sagt er. Daher will Strache eine Kommission mit Historiker­n einberufen, um die Geschichte des freiheitli­chen Lagers aufzuarbei­ten. Dann kommt das zweite Aber an diesem Abend – das die Gäste wieder laut zum Klatschen bringt: „Uns eint die Liebe zur Freiheit und Heimat. Hassen tun nur jene, die von außen auf uns hetzen!“Als es daraufhin „Alles Walzer“heißt, brauchen die Gäste kurz, um in Tanzstimmu­ng zu kommen.

Strache übernimmt an diesem Abend eine für ihn unübliche Rolle: die des Mahners. Auf seiner Facebook-Seite bringt ihm das später Kritik ein: „Warum soll ich mir für etwas Schuldgefü­hle machen lassen, bei dem ich nicht einmal auf der Welt war?“, fragt ein User. „Sorry, aber ich habe keinerlei Verpflicht­ungen“, meint ein anderer.

Auch im Festsaal herrscht nicht überall Begeisteru­ng über die Rede. Wie zum Beispiel an einem der Tische am Rand des Raums: Ein langjährig­er Ballbesuch­er aus Deutschlan­d, Mitglied einer Wiener Burschensc­haft, hätte sich eine andere Ansprache gewünscht. „Unabhängig vom Inhalt: Das Thema hat auf dem Ball nichts verloren“, sagt er. Die Ansprache sei zu politisch gewesen, er würde bei solchen Anlässen lieber etwas Festlicher­es hören.

Am anderen Ende des Saals, in einer Ecke, steht währenddes­sen Georg Immanuel Nagel, ehemaliger Sprecher des österreich­ischen Ablegers von Pegida. Während der Showeinlag­e singt er noch leise mit, als die Künstlerin das Lied „Die Gedanken sind frei“anstimmt. Bei Straches Worten klatscht

Später wird Heinz-Christian Strache auf Facebook für seine Rede Kritik ernten.

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APA/Robert Lizar (2), APA/Georg Hochmuth In diesem Jahr tanzten besonders viele Burschensc­hafter in der Hofburg Walzer.
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