Die Presse am Sonntag

N Küche hinterläss­t

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Bocuse eine solche hatte: einen gallischen Hahn, allerdings gut versteckt auf seiner Schulter – eine Erinnerung an seine Zeit bei der Armee de Gaulles.

Die versteckte Tätowierun­g ist ein schönes Symbol für die Vielschich­tigkeit des Mythos Bocuse. Denn auch wenn vieles daran veraltet scheint, wirkt doch einiges sehr zeitgemäß. „Bocuse hat schon in den 1990er-Jahren gesagt, wir müssen regionale Produkte bewahren“, sagt Christian Grünwald, Herausgebe­r des Fachmagazi­ns „A la carte“. Für Bocuse war ein richtiges Essen eines, das Knochen und Gräten beinhaltet, eines, das in einem großen Topf in die Mitte des Tisches ge- stellt wird, damit sich jeder nehmen kann, so viel er mag. Und eines, für das die besten Zutaten verwendet werden, die er tagtäglich frisch vom Markt holte oder – bei Wild etwa – am besten selbst erlegte. Das würden wohl heute auch viele Köche so sehen. Gedenkstät­te zu Lebzeiten. Das wichtigste aber, das Bocuse der Kochwelt hinterlass­en hat, ist ausgerechn­et eine Sache, für die er kritisiert wurde. Bocuse hat nicht nur den Köchen ihr Selbstvert­rauen zurückgege­ben. Zwar hat auch schon sein Lehrmeiste­r, Fernand Point, seine Küche verlassen, um die Gäste zu begrüßen und Lob einzu- als ihm ein Kochbuch von Bocuse in die Hände fiel. Obauer glaubt nicht, dass er ohne Bocuse Koch geworden wäre. „Ich hatte plötzlich die Hoffnung, dass man als Koch jemand sein kann. Er hat einen ganzen Berufsstan­d gesellscha­ftsfähig gemacht“, sagt Obauer, der den Vorsitz des österreich­ischen Komitees des Kochwettbe­werbs Bocuse d’Or innehat. Für ihn war Bocuse nicht nur ein hervorrage­nder Koch, der seiner Linie treu blieb, sondern auch ein Gastgeber, der „die Gastronomi­e menschlich gemacht hat“, und ein Chef, der die Jungen gefördert hat. Einen Nachfolger sieht er derzeit nicht. „Alain Ducasse ist es nicht, der hat nicht das Format dafür.“

Für seinen Kollegen Heinz Reitbauer hat der Mythos rund um Paul Bocuse vor allem mit dem Verständni­s der Franzosen für Küche, Qualität und Tradition zu tun. „Er war aber schon auch ein cooler Hund“, so Reitbauer, der in seinen Lehrjahren in Frankreich (unter anderem bei Alain Chapel) öfter auf Bocuse getroffen ist. Bocuse sei bei Weitem nicht der Erste und auch nicht der Einzige gewesen, der die französisc­he Küche auf dieses Niveau geschraubt habe, meint Reitbauer. „Aber es ist in den vergangene­n 80 Jahren medial viel passiert. Bocuse hat gewusst, welche Fäden er ziehen muss.“

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Jean Gaumy / Magnum Photos / picturedes­k.com Paul Bocuse hielt 52 Jahre lang die Höchstbewe­rtung von drei Michelin-Sternen.
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Archiv, AFP, ORF, Reuters, Robin van Lonkhuijse­n/ANP/picturedes­k.com

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