Der Sonnenkönig braucht kein Land
Zwei Brüder aus Österreich bringen schwimmende Solarinseln auf die Malediven, um Luxusresorts mit sauberem Strom zu versorgen. Für die Expansion sucht Swimsol einen Partner mit Erfahrung, guten Ideen zur Stromspeicherung – und genug Geld.
Sonntag, 17 Uhr, auf den Malediven. Mit einem Schlag beginnen Hunderte Dieselgeneratoren auf Hochtouren zu laufen. Denn um diese Zeit pilgern die Urlauber tagtäglich vom Strand in Richtung Hotels – und wollen dort verwöhnt werden. 10.000 Liter Diesel verbrennt ein durchschnittliches Luxusresort im Tropenparadies jeden Tag, damit seine Kunden sich in den wohltemperierten Palästen auch wie Könige fühlen können.
10.000 Liter Diesel. Diese Zahl ging dem Österreicher Martin Putschek nicht mehr aus dem Kopf, seit er vor einigen Jahren das erste Mal für eine deutsche Solarfirma in der Gegend zu tun hatte. Der studierte Techniker wollte sich nicht damit abfinden, dass es keine bessere Alternative für die Stromversorgung der Inseln gab – also erfand er selbst eine. Dass Putschek die Kraft der Sonne nutzen wollte, überrascht an dieser Stelle kaum noch. Sonnentage gibt es auf den Malediven schließlich mehr als genug, aber leider gibt es kaum freies Land, auf dem die Solarparks errichtet werden könnten. Seine Lösung: Wenn die Solarzellen am Land keinen Platz haben, dann müssen sie eben ins Wasser ausweichen. Gemeinsam mit einem Team der Technischen Universität Wien entwickelte Martin Putschek vier schwimmende Solarplattformtypen, denen auch bis zu vier Meter hohe Wellen nichts anhaben können. Die Firma Swimsol war geboren. Rentabel auch ohne Einspeisetarif. Mit an Bord ist Wolfgang Putschek, der ältere Bruder des Firmengründers. Nach langen Jahren in den Chefetagen des Raiffeisen-Reichs dankte der Jurist und Finanzexperte vor wenigen Jahren ab – und hilft seither dem gemeinsamen Unternehmen auf die Sprünge.
Den Erfindergeist seines Bruders lobt der Manager in den höchsten Tönen. Jahrelang habe er daran gearbeitet, eine Konstruktion zu entwickeln, die Wind, Wellen und der feuchten Salzluft trotzen kann. Nun, es ist geglückt – und der Erfolg mit einem EUPatent besiegelt. Wirklich enthusiastisch wird der frühere Investmentbanker aber, wenn er das Zahlenwerk hinter dem Projekt erläutern darf: Hier, in Südostasien, brauche die Sonne keine geförderten Einspeisetarife wie in Mitteleuropa, um rentabel zu sein. Einerseits holen die schwimmenden Solarzellen in Äquatornähe bis zu 60 Prozent mehr Strom aus der Sonne als in Europa. Andererseits ist auch die Konkurrenz, der ständige Import von Unmengen Diesel zur Stromerzeugung, eine denkbar schmutzige und teure Angelegenheit. „Drei bis vier Millionen Liter Diesel werden auf den Malediven jedes Jahr verbrannt, damit die Touristen aus dem Westen ein bisschen Paradies spielen können“, sagt Wolfgang Putschek zur „Presse am Sonntag“.
Kein Wunder, dass die meisten Hoteliers gern zuhören, wenn die beiden Brüder aus Österreich ihnen nicht nur eine grünere, sondern auch eine billigere Stromversorgung versprechen. Mit Erzeugungskosten von gut zehn Cent je Kilowattstunde ist Sonnenstrom hier schon auf der Überholspur.
Die erste kleine Pilotanlage steht seit 2014, gut geschützt, in einer Lagune vor einer maledivischen Insel. Etliche Hotelketten haben Swimsol auch schon beauftragt, ihre Dächer mit Solarpaneelen zu bedecken, um einen ersten Schritt in Richtung erneuerbare Energieversorgung zu gehen. Heuer soll die erste „richtige“schwimmende Sonneninsel installiert werden. Das Nobelressort Cheval Blanc, ein Hotel der Louis-Vuitton-Gruppe, lässt sich, einen halben Kilometer vom eigenen Strand entfernt, gleich vier Solarplattformen mit einem Megawatt installierter Leistung ins Meer pflanzen. Die größte Sorge der Hotelmanager ist die unvorhersehbare Reaktion der Touristen, wenn plötzlich Solarzellen auf der Fläche eines Fußballfeldes im blauen Meer treiben. „Optik ist ein Thema für die Hoteliers“, bestätigen die Brüder, beruhigen aber zugleich: „Da auf der Insel alle Häuser flach errichtet wurden, sind die Solarzellen aus 200 Metern Entfernung kaum noch vom Ozean zu unterscheiden.“Und auch wenn man sie nicht so leicht verstecken kann wie Dieselgeneratoren, einen Vorteil haben die Sonnenkraftwerke doch: Sie stinken nicht annähernd so penetrant. Weitere Expansion geplant. Für Swimsol sind die Solarinseln für das Cheval Blanc ein Meilenstein. Schließlich steigt das österreichische Unternehmen damit endgültig zum größten Solaranbieter auf den Malediven auf. Und dennoch bleibt es ein ganz normales junges Unternehmen mit dem normalsten aller Probleme: Woher soll nur das Geld kommen, das für das weitere Wachstum gebraucht wird?
Denn die Malediven mit ihren 110 Hotelresorts sind den Brüdern bald eine Nummer zu klein. Sie wollen ihre schwimmenden Solarkraftwerke auch in Malaysia, Indonesien, Singapur, Abu Dhabi, den Vereinigten Arabischen Emiraten oder in Japan verkaufen. Wo immer der Platz eng, ruhiges Wasser nah und die Sonne stark ist, sehen sie einen Markt. Aber jeder dieser Schritte frisst Kapital. Kapital, das das Unternehmen erst verdienen muss. Die ersten fünf Jahre als Unternehmer seien in Österreich – dank der guten Förderlandschaft – kein Problem, sagt Wolfgang Putschek. Dann wird es schwierig: Die weitere Entwicklung muss gestemmt, die ersten großen Referenzanlagen müssen gebaut werden. Auch Swimsol hat seine ersten Projekte auf eigene Kosten errichtet. Die Hoteliers mussten lediglich zusichern, den Brü-
Liter Diesel
verbrennt ein durchschnittliches Luxusresort auf den Malediven jeden Tag, um ausreichend Strom zu erzeugen.
Prozent
mehr Strom als etwa in Österreich können Solarzellen nahe dem Äquator aus der Sonnenkraft herausholen. dern ihren Sonnenstrom auch langfristig abzunehmen. Über eine grüne Anleihe will Swimsol nun das notwendige Geld einnehmen, um die weitere Entwicklung zu finanzieren. Für die große Expansion ist aber auch das zu wenig.
„Wir suchen einen internationalen strategischen Partner“, sagt Wolfgang Putschek. Und zwar einen, der mehr zu bieten hat als nur das notwendige Kleingeld. Das Unternehmen solle möglichst global aufgestellt sein, um einerseits den Marktzugang und andererseits die Finanzierung zu erleichtern. „Erneuerbare Energie, wie wir sie betreiben, ist eigentlich ein klassischer Fall für einen Bankkredit“, so der frühere Investmentbanker. „Aber die Kreditinstitute schrecken zurück, wenn sie ein Start-up sehen.“Kommt hingegen ein gestandener Konzern an den Verhandlungstisch, sieht die Sache rasch ganz anders aus.
Vier Millionen Liter Diesel im Jahr, damit die Touristen Paradies spielen können.
Geld- und Stromspeicher. Interessiert zeigen sich bisher vor allem große Energiekonzerne. Vor allem internationale Ölunternehmen wie BP, Shell, Total, Enel oder Statoil haben mittlerweile durch die Bank einen „grünen“Finanzierungsarm, der in ökologisch wie ökonomisch sinnvolle Projekte investiert. Die norwegische Statoil steckte etwa eine knappe Milliarde Euro in schwimmende Windparks vor der schottischen Küste. Da ist der Sprung zu schwimmenden Solaranlagen nicht mehr allzu weit, lacht Putschek.
Die meisten Kreditinstitute schrecken zurück, wenn sie ein Start-up sehen.
Ein echter Jackpot wäre ein Partner, der Swimsol auch beim technologischen Lückenschluss hilft und etwa an innovativen Stromspeichern arbeitet. Denn noch ist das Potenzial der schwimmenden Sonneninseln begrenzt. Auch wenn die Anlagen hier ohne Förderungen auskommen, ein Problem teilen sie mit Solarparks in Europa: Wenn die Sonne nicht mehr scheint, gibt es auch keinen Strom. Die Abendspitzen können die Resorts mit Sonnenkraft daher heute nicht abdecken. Gäbe es eine wirtschaftliche Lösung, um Sonnenkraft zu speichern, wäre der Markt für Swimsol mit einem Schlag um ein Vielfaches gewachsen. Und die Hoteliers auf den Malediven könnten um 17 Uhr in aller Ruhe auf die stromhungrigen Touristen warten.