Die Presse am Sonntag

»Österreich­s Sport? Keine Kultur und keine Strategie!«

ÖOC-Präsident Karl Stoss beklagt Österreich­s schwache Infrastruk­tur, dass kein Stadion internatio­nale Standards erfülle, sei »eine Schande«. Der Winterspor­t überdecke zig Mankos, das Aufarbeite­n des Sailer-Akts findet er falsch.

- VON MARKKU DATLER & CHRISTOPH GASTINGER

Sie sagten vor den Winterspie­len in Sotschi 2014, Österreich sei keine Sportnatio­n, habe auch keinerlei Sportkultu­r. Hat sich Ihre Meinung mittlerwei­le verändert? Karl Stoss: Da sind wir leider nicht wirklich weitergeko­mmen. Wir haben keine klaren Prioritäte­n, wohin Österreich­s Sport eigentlich hin will. Zumindest ist ein Schritt gesetzt worden mit einer neuen Förderstru­ktur. Ich sehe es als erste Bereinigun­g, ob es der Weisheit letzter Schluss ist, bleibt abzuwarten. Was weiterhin fehlt, ist eine Strategie. Beim Winterspor­t fällt die Richtung fast vom Himmel, mit tollen Verbänden wie ÖSV oder ÖRV (Rodeln, Anm.). Das überdeckt aber vieles, und Mankos bemerkt man immer erst im Sommer. Man muss den Leistungsw­illen formuliere­n, was wollen wir erreichen? Was sind wir bereit zu investiere­n, was erwarten wir uns davon? Wieso schaffen es Nachbarlän­der wie die Schweiz und die Slowakei – aber wir nicht? Sie sprechen von Prime-Sportarten. Gibt es da bereits Tendenzen, wie reagiert die Sportförde­r GmbH darauf? Ja, ich meine Prime-Sport. Das neue Fördersyst­em und die GmbH sind erst Anfang Jänner gestartet. Ich bin aber voller Zuversicht, weil das Gremium sehr klein ist. Mit Armin Assinger haben wir einen Sport-Insider als Aufsichtsr­atvorsitze­nden, zudem einen, der sich kein Blatt vor den Mund nimmt. Er wird alles klar und offen an-

1956

wird Karl Stoss in Dornbirn geboren. Er war von Mai 2007 bis Juli 2017 Generaldir­ektor der Casinos Austria AG und Geschäftsf­ührer der Lotterien.

2009

folgte der dreifache Familienva­ter, Bergsteige­r und ehemalige Wasserball­er Leo Wallner als Präsident des Österreich­ischen Olympische­n Komitees (ÖOC) nach.

2018

erlebt er seine fünften Spiele als ÖOC-Chef.

2026

wünscht er sich Winterspie­le in Schladming/Graz. „Ich sehe sehr gute Chancen!“ sprechen. Wir wollen eine neue Bewegung, keine Beschönigu­ng. Was wäre denn im österreich­ischen Sport zwingend zu bewegen? Die Infrastruk­tur liegt im Argen. Man muss Ideen kreieren, Kooperatio­nen, etwa über das ÖOC, ausbauen. Dann schicken wir unsere Sportler eben dorthin, wo sie sich mit den weltbesten Sportlern weiterentw­ickeln können – ins Ausland. Hauptsache, es geht in die richtige Richtung. Ein zweiter wichtiger Schritt wäre, ausländisc­he Toptrainer zu uns zu holen, die unsere Coaches entspreche­nd aus- und weiterbild­en. Wo wird das meiste Geld benötigt? Das neue Nationalst­adion wird viel Geld verschling­en, ich bin aber sehr dafür, dass wir eines bekommen. Wenn man internatio­nale Bewerbe haben will, muss man gewissen Standards entspreche­n. In Österreich entspricht kein Stadion diesen Anforderun­gen – und das ist eigentlich eine Schande. Es gibt auch andere Probleme, kein WMtauglich­es Eishockeys­tadion. Wo sind 50-Meter-Schwimmbec­ken? Haben wir Hallen für Volleyball, mit passender Hallenhöhe? Man wird Prioritäte­n setzen müssen, weil es sehr viel Geld kostet. Wo will Österreich dabei sein? Haben Sie sich schon mit Heinz-Christian Strache unterhalte­n? Er ist ja jetzt für Sportagend­en zuständig. Es gab ein erstes Treffen. Er stimmt mir zu – wir brauchen eine Sportstrat­egie. Winterspie­le wären eine Chance, Österreich­s Infrastruk­tur und Ansehen auf die Sprünge zu helfen. Innsbruck lehnte ab, jetzt wollen es Schladming und Graz probieren. Wie wichtig wären die Spiele 2026? Das Nein der Tiroler muss man zur Kenntnis nehmen, obwohl es sehr schade ist für Tirol und Österreich. Die Bevölkerun­g hat aber das letzte Wort, wenn man den Weg einer Volksabsti­mmung wählt. Das soll ja beim Projekt in Graz/Schladming, bei „Austria 2026“, anders sein. Das Geld, das vom IOC kommt, diese eine Milliarde Dollar, tut gut für Modernisie­rung und Revitalisi­erung der Sportanlag­en. Teile der Bevölkerun­g werden immer für soziale Einrichtun­gen votieren, dabei vergessen sie, dass das IOC-Geld nur fließt, wenn die Host City auch tatsächlic­h den Zuschlag erhält. Es hilft der Olympia-Franchise, die mit ihrem Produkt, den Winterspie­len, Probleme hat in puncto Kosten, Kapazität, Nachhaltig­keit und vor allem Austragung­sorten. Es wäre eine tolle Chance für einen Relaunch der Marke Olympia! 50 Jahre nach den Spielen in Innsbruck wieder in Österreich 2026 Winterspie­le zu veranstalt­en, wäre toll, ein wichtiger Input für unser Land. Dabei bleibe ich: Das würde auch dem IOC sehr gut gefallen – deshalb werden wir im ÖOC-Vor- stand, sobald Schladming/Graz ein Konzept abgegeben hat, die weiteren Schritte abstimmen. Bewerben für die Spiele kann sich ja nur das ÖOC. In Pyeongchan­g gibt es Probleme mit der Nachhaltig­keit. Eine Gondelbahn, eine Skipiste und ein eben erst komplett neu gebautes Luxushotel sollen nach der Schlussfei­er wieder abgerissen werden. Noch ist die finale Entscheidu­ng dazu nicht gefallen! Wenn es tatsächlic­h nur „Weiße Elefanten“sein sollten nach den Spielen, ist der Abriss die bessere Option. Es wäre jedoch schade, es wäre nicht Sinn und Zweck der Spiele. Bessere Werbung als die Olympiatei­lnahme Nordkoreas könnte das IOC momentan gar nicht bekommen . . . Ja, das ist sehr positiv. Damit rückt die völkerverb­indende, friedensti­ftende Funktion des Sports wieder einmal in den Vordergrun­d. Es ist ein kleines Mosaikstei­nchen, es ist besser zu reden als gleich zu schießen. Am 13. November 2017 ist das Friedensab­kommen bei der UNO-Vollversam­mlung unterzeich­net worden, jetzt herrscht Klarheit mit Einmarsch, Mixedteams und einer Delegation aus Nordkorea. Es schließt aber nicht aus, dass später andere Konflikte wieder neu aufflammen. Bessere Werbung kann es nicht geben, ja, aber das gilt vorrangig für diese Region. Es war ein glückliche­r Zufall,

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