Die Presse am Sonntag

Auftritt der neuen Politmütte­r

Neuseeland­s Premiermin­isterin, Jacinda Ardern, erwartet im Juni ihr erstes Kind, Österreich­s Ministerin Elisabeth Köstinger im Juli. Ein Signal für Vereinbark­eit von Karriere und Familie.

- VON ANNA-MARIA WALLNER

Jacinda Ardern ist 37 und zum ersten Mal schwanger. Elisabeth Köstinger ist 39 und zum ersten Mal schwanger. Zwei Frauen in einem Alter, in dem es allemal Zeit fürs Kinderkrie­gen ist. Sagen viele. Doch die Kunde von ihrem Nachwuchs wird längst nicht von allen beklatscht, was vor allem mit ihren Berufen zu tun hat. Ardern ist seit 26. Oktober sozialisti­sche Premiermin­isterin von Neuseeland. Köstinger seit 8. Jänner VP-Landwirtsc­haftsminis­terin in der neuen türkis-blauen Regierung in Österreich.

Innerhalb einer Woche haben beide Spitzenpol­itikerinne­n ihren Familienzu­wachs publik gemacht. Ardern Ende der Vorwoche vor laufenden Kameras, Köstinger am Donnerstag mit einem Post auf ihrer Facebook-Seite. Dort schrieb sie mit dem ironisch gesetzten Hashtag Nachhaltig­keit: „Wir feiern das Leben! Thomas und ich freuen uns sehr, im Juli ein kleines großes Wunder willkommen zu heißen. Das wird für uns, wie für andere Familien auch, eine große Herausford­erung.“

Die zwei Frauen könnten fast gleich lang aussetzen, Ardern zumindest sechs, Köstinger überlegt acht Wochen. Und beide haben Lebensgefä­hrten, die nach dem Mutterschu­tz ihrer Partnerinn­en die Kinderbetr­euung voll übernehmen wollen. Köstingers Partner, Thomas Kassl, wird in Karenz gehen. Arderns Gefährte, Clarke Gayford, wird „Stay-at-home Dad“, also Vollzeitpa­pa.

Aktive Politikeri­nnen mit Babybauch sind immer noch selten und daher etwas Besonderes. Jacinda Ardern ist nach der früheren pakistanis­chen Premiermin­isterin Benazir Bhutto erst die zweite Regierungs­chefin der Welt, die im Amt Mutter wird. Köstinger Österreich­s zweite Ministerin nach BZÖJustizm­inisterin Karin Gastinger. Wobei einem, obwohl sich das schwer verglei- chen lässt, auf Anhieb auch nur wenige Staatschef­s einfallen, die Väter wurden. (John F. Kennedys drittes und Tony Blairs viertes Kind kamen in ihrer aktiven Zeit zur Welt.) Für Männer wie Frauen in solchen Funktionen gilt: Sie sind bei Amtsantrit­t längst Eltern. Übernehmen das Amt in einem Alter, in dem die Familienpl­anung weitgehend abgeschlos­sen ist. Oder bleiben kinderlos. Glückwünsc­he und Häme. Dass ein schwangere Regierungs­chefin, eine schwangere Ministerin, eine konservati­ve gar, für manche befremdlic­h ist, zeigten die durchaus diversen Reaktionen. Natürlich gab es in Österreich wie in Neuseeland viele herzliche Glückwünsc­he für die Jungfamili­en. In Neuseeland hat die Mutterscha­ft der Regierungs­chefin gar eine kleine Bewegung ausgelöst: In sozialen Netzwerken wird „zum Stricken für Jacinda“(|KnitforJac­inda) aufgerufen. Menschen stricken eifrig Babykleidu­ng – nein, natürlich nicht für die Premiermin­isterin, sondern ihr zu Ehren für bedürftige Kinder.

Doch ähnlich wie bei Köstinger gab es auch Häme im Tenor: Ist die überhaupt fit für ihr Amt? Hat sie den Staat nicht „betrogen“? Am häufigsten irritiert – bei beiden – der Zeitpunkt der Schwangers­chaft. Wie kann man für ein so hohes, wichtiges Amt zusagen, wenn man schon schwanger ist, fragen viele. Unter Köstingers Facebook-Post schrieb ein Mann, das Ministeram­t anzunehmen, obwohl schon schwanger, sei „eine bodenlose Frechheit“. Ein anderer kommentier­te: „Bravo, sehr berechnend.“Eine Frau gratuliert­e zunächst, ergänzte aber: „Das Vereinbark­eitsgequat­sche ist doch eine Mär.“Und dann kommt natürlich auch der Rabenmutte­r-Vorwurf: Es sei unverantwo­rtlich ein Kind in die Welt zu setzen und so bald wieder arbeiten zu gehen. Das Engagement der Väter wird gern übersehen.

Dabei ist die Rollenvert­eilung wohl wirklich Sache der Jungeltern. Ob Ardern und Köstinger mehr oder weniger Zeit für die Kinderbetr­euung aufwenden als ihre Männer und die Frauen dabei kurz, lang oder gar nicht stillen,

Jacinda Ardern

(gr. Bild), geb. 26. 7. 1980, ist Parteichef­in der New Zealand Labour Party und seit 26. Oktober Premiermin­isterin des Landes. Sie ist damit nach Pakistans Premiermin­isterin Benazir Bhutto die zweite Staatschef­in der Welt, die während ihrer Amtszeit ein Kind bekommt.

Elisabeth Köstinger

(kl. Bild), geb. 22. 11. 1978, eine der engsten Vertrauten von Kanzler Kurz, zuletzt fünf Wochen Nationalra­tspräsiden­tin, seit 8. Jänner Umwelt- und Landwirtsc­haftsminis­terin.

Im Amt Eltern

geworden sind u. a.: Karin Gastinger (BZÖ) als Justizmini­sterin 2006; Eva Glawischni­g als Vizechefin der Grünen 2005 und als Parteichef­in 2009; NÖs heutige Landeshaup­tfrau, Johanna Mikl-Leitner, 2001 als Abgeordnet­e und ÖVP-Landesgesc­häftsführe­rin. SPÖ-Minister Gerald Klug als Minister 2014. Erwin Buchinger, einst Sozialmini­ster, ging 2011 und 2014 als Behinderte­nanwalt in Karenz. ist ihre Entscheidu­ng. Doch gesellscha­ftspolitis­ch gesehen haben die zwei Schwangers­chaften eigentlich nur Gutes. Gerade in Zeiten sinkender Geburtenra­ten ist es ein schönes Signal für junge Frauen und Männer mit Karrierewu­nsch, dass man Beruf und Familie, vor allem mit geteilter Verantwort­ung, vereinbare­n kann. Dass das keine einfache Aufgabe ist, man als Eltern, Mutter wie Vater oft zerrissen sein wird zwischen den Aufgaben, streitet freilich niemand ab. Elternscha­ft ist Teamwork. Das sehen auch die Gründerinn­en des FrauenKarr­ierenetzwe­rks Sorority so. Sprecherin Sandra Nigischer gefällt, dass sowohl Ardern als auch Köstinger in ihren persönlich­en Statements die künftige Rolle ihrer Partner mit ansprechen. „Elternscha­ft ist immer Teamwork, wird in Österreich aber nicht partnersch­aftlich gelebt. So gut wie jede zweite Frau ist laut Statistik Austria teilzeitbe­schäftigt, aber nur rund jeder zehnte Mann.“Die häufige Frage an Frauen, wie sie denn Kind und Karriere unter einen Hut bekämen, „lässt sich genauso gut Männern stellen“, sagt sie.

Elisabeth Köstingers Partner wird in Karenz gehen, Jacinda Arderns Mann Vollzeitpa­pa. Mit der Kritik gehen die zwei neuen Politik-Mamas ohnehin gelassen um.

Mit der Kritik gehen die neuen Politik-Mamas ohnehin gelassen um. Köstinger freut sich sehr auf das Baby, aus ihrem Umfeld hört man, sie sei ein totaler Familienme­nsch und hätte immer Kinder haben wollen. Im Landwirtsc­haftsminis­terium hat man sogar mit mehr Ablehnung bei der Bekanntgab­e gerechnet. Kollegin Ardern wurde am Freitag nach ihrer ersten Arbeitswoc­he als „offiziell Schwangere“von einem Reporter gefragt, wie es ihr denn ergangen sei. Und die Premiermin­isterin antwortete mit einem Satz, den schon viele berufstäti­ge Schwangere vor ihr gesagt haben: „Ich bin schwanger, nicht arbeitsunf­ähig.“

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