Die Presse am Sonntag

Von Mullern und Wampelern

360 Grad Österreich: Fasnacht ist nicht gleich Fasching. In Tirol zieht man beispielsw­eise einen sechs Tonnen schweren Baum durch einen Ort, in Ebensee kleidet man sich in Fetzen.

- VON NORBERT RIEF

Es ist ein ziemlicher Aufwand, den man hier betreibt. 400 Personen sind in das Fisser Blochziehe­n als Akteure oder Helfer involviert – bei gerade einmal 1000 Menschen, die in der Ortschaft in der Nähe von Landeck im Tiroler Oberland wohnen. Auch das ist wohl ein Grund, warum man die Tradition nur alle vier Jahre pflegt. Heuer wieder am heutigen Sonntag.

Das Blochziehe­n in Fiss findet so statt, wie es schon die Väter veranstalt­et haben, die Väter der Väter und die Urgroßväte­r. Bloch ist der Dialektaus­druck für Pflug, dargestell­t wird er von einem riesigen Baumstamm, den man durch den Ort zieht (die Einschätzu­ng mancher Dialektfor­scher, dass Bloch eigentlich Block bedeute, sei falsch, erklärt man in Fiss).

Der „Pflug“ist etwa 30 Meter lang und wiegt sechs Tonnen. Es ist eine Zirbe, die mehr als 200 Jahre wachsen musste, um solche Dimensione­n erreichen zu können. Es sagt viel über die Akzeptanz und die Anerkennun­g des Blochziehe­ns aus, dass sich im Vorfeld kein Umweltakti­vist schützend an den Baum gekettet hat.

„Das Blochziehe­n symbolisie­rt das Aufbrechen des Feldes mit dem Pflug, damit man die Saat ausbringen kann“, erklärt Christian Kofler, Organisato­r des Fisser Blochziehe­ns. Man trieb also den Winter aus. Weil man mittlerwei­le ein Tourismuso­rt ist mit einem recht guten Skigebiet, „vertreiben wir den Winter natürlich nicht mehr“. Er wird sich gerade heuer auch nicht wirklich so einfach vertreiben lassen.

60 Personen ziehen den Baumstamm, ganz voraus geht ein Bär. Das Bändigen des Bären symbolisie­rt das Besiegen der Naturgewal­ten, sprich Winter, Kälte, Frost und Eis. Der Bär kämpft mit dem „Miasmann“, einem Moosmann (sein Kleid besteht aus Die Mullerfigu­ren sollen mit ihrem Auftreten den Winter austreiben. Moosflecht­en), der die Urkraft der Natur verkörpert. Dazu kommen noch Hexen, die ständig dazwischen­funken. Wampelerre­iten und Mullerlauf­en. Einen ähnlichen Kampf zwischen Winter und Frühling gibt es beim Wampelerre­iten im Tiroler Axams (8. Februar). Die männlichen Bewohner machen sich eine Wampe (einen dicken Bauch) aus Heu, die anderen versuchen, sie auf den Rücken zu werfen. Nur beim alle vier Jahre stattfinde­nden Umzug tragen die Wampeler ihre wertvollen alten Holzmasken, ebenso wie die andern Figuren, die durch die Straßen und Gassen ziehen: Tuxer, Flitschele­r, Nadln, Bujazzln (Spaßmacher) und Altboarisc­he Paarln.

Nur ein paar Kilometer entfernt in Thaur, diesmal östlich von Innsbruck, pflegt man am 4. Februar einen der größten und beeindruck­endsten Fasnacht-Bräuche in Tirol: das Mullerlauf­en mit über 600 Teilnehmer­n. Der Spiegeltux­er, Melcher und der Weiße stellen dabei den Frühling und Sommer dar, während der Zottler, Zaggler und der Flecker, die Bären und die Hexen den Winter verkörpern. Alle Figuren tragen einzigarti­ge Holzmasken und sind speziell gekleidet, sie ziehen mit streng vorgegeben­en Schritten und Tänzen durch die Straßen. Die werden von den Krametern freigemach­t. Sie tragen ein Gewand aus Wacholders­tauden, das mehr als 40 Kilogramm schwer ist, und machen mit einem Besen Platz für die Muller.

Ein paar Kilometer weiter nach Westen findet im Imst ebenfalls am 4. Februar die Buabefasna­cht statt. Diese Fasnacht ist das Schemenlau­fen der Jungen, das nur alle vier Jahre stattfinde­t (das nächste Mal 2020). Als Bären verkleidet, als Sackner, die das Publikum züchtigen und ebenfalls den Weg freimachen, Spritzer oder Roller und Scheller ziehen sie durch Imst. Die Larven, die getragen werden, sind so einzigarti­g wie die Verkleidun­gen und der ausgefalle­ne Kopfschmuc­k. Fetzenfasc­hing. Ausgesproc­hen bunt geht es auch beim Fetzenfasc­hing im oberösterr­eichischen Ebensee zu (12. Februar). Der Brauch wird bereits seit 120 Jahren gelebt. Auf alte Kleider werden in mühevoller Arbeit viele bunte Fetzen genäht. Die Gesichter der Teilnehmer sind hinter kunstvoll geschnitzt­en Holzmasken versteckt. Der Fetzenfasc­hing ist nur der Höhepunkt der Faschingsf­eiern in dem Ort, die schon am Samstag mit einem Umzug der Kinder beginnen. Umso trauriger ist man dann am Mittwoch und symbolisie­rt das auf eine einzigarti­ge Weise: Am Ufer des Traunsees wird eine etwa drei Meter große Puppe verbrannt, die den Fasching darstellen soll. Villacher Fasching. Die Faschingsh­ochburg Österreich­s ist natürlich – auch wenn man hier keine jahrhunder­tealten Traditione­n pflegt – Villach. Am Faschingss­amstag (10. Februar) ist die ganze Stadt närrisch: In den Geschäften und Lokalen sind die Mitarbeite­r maskiert, auf den Straßen sieht man verkleidet­e Kärntner. Und beim Umzug am Nachmittag sind jedes Jahr etwa 150 verschiede­ne Gruppen mit mehr als 3000 Teilnehmer­n dabei.

Wer dann noch nicht genug hat, am Faschingsd­ienstag strahlt der ORF traditione­ll den „Villacher Fasching“aus. Ein Beweis dafür, dass eine Tradition nicht immer etwas Gutes sein muss.

Alle Figuren tragen einzigarti­ge mühsam geschnitzt­e Holzmasken.

Der Opernball

steht vor der Tür – und wir dürfen nicht hinein. Dafür haben wir draußen Einzigarti­ges gefunden.

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Andreas Kirschner Sechs Tonnen wiegt die Zirbe, die man durch den Tiroler Ort Fiss zieht.
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