Von Mullern und Wampelern
360 Grad Österreich: Fasnacht ist nicht gleich Fasching. In Tirol zieht man beispielsweise einen sechs Tonnen schweren Baum durch einen Ort, in Ebensee kleidet man sich in Fetzen.
Es ist ein ziemlicher Aufwand, den man hier betreibt. 400 Personen sind in das Fisser Blochziehen als Akteure oder Helfer involviert – bei gerade einmal 1000 Menschen, die in der Ortschaft in der Nähe von Landeck im Tiroler Oberland wohnen. Auch das ist wohl ein Grund, warum man die Tradition nur alle vier Jahre pflegt. Heuer wieder am heutigen Sonntag.
Das Blochziehen in Fiss findet so statt, wie es schon die Väter veranstaltet haben, die Väter der Väter und die Urgroßväter. Bloch ist der Dialektausdruck für Pflug, dargestellt wird er von einem riesigen Baumstamm, den man durch den Ort zieht (die Einschätzung mancher Dialektforscher, dass Bloch eigentlich Block bedeute, sei falsch, erklärt man in Fiss).
Der „Pflug“ist etwa 30 Meter lang und wiegt sechs Tonnen. Es ist eine Zirbe, die mehr als 200 Jahre wachsen musste, um solche Dimensionen erreichen zu können. Es sagt viel über die Akzeptanz und die Anerkennung des Blochziehens aus, dass sich im Vorfeld kein Umweltaktivist schützend an den Baum gekettet hat.
„Das Blochziehen symbolisiert das Aufbrechen des Feldes mit dem Pflug, damit man die Saat ausbringen kann“, erklärt Christian Kofler, Organisator des Fisser Blochziehens. Man trieb also den Winter aus. Weil man mittlerweile ein Tourismusort ist mit einem recht guten Skigebiet, „vertreiben wir den Winter natürlich nicht mehr“. Er wird sich gerade heuer auch nicht wirklich so einfach vertreiben lassen.
60 Personen ziehen den Baumstamm, ganz voraus geht ein Bär. Das Bändigen des Bären symbolisiert das Besiegen der Naturgewalten, sprich Winter, Kälte, Frost und Eis. Der Bär kämpft mit dem „Miasmann“, einem Moosmann (sein Kleid besteht aus Die Mullerfiguren sollen mit ihrem Auftreten den Winter austreiben. Moosflechten), der die Urkraft der Natur verkörpert. Dazu kommen noch Hexen, die ständig dazwischenfunken. Wampelerreiten und Mullerlaufen. Einen ähnlichen Kampf zwischen Winter und Frühling gibt es beim Wampelerreiten im Tiroler Axams (8. Februar). Die männlichen Bewohner machen sich eine Wampe (einen dicken Bauch) aus Heu, die anderen versuchen, sie auf den Rücken zu werfen. Nur beim alle vier Jahre stattfindenden Umzug tragen die Wampeler ihre wertvollen alten Holzmasken, ebenso wie die andern Figuren, die durch die Straßen und Gassen ziehen: Tuxer, Flitscheler, Nadln, Bujazzln (Spaßmacher) und Altboarische Paarln.
Nur ein paar Kilometer entfernt in Thaur, diesmal östlich von Innsbruck, pflegt man am 4. Februar einen der größten und beeindruckendsten Fasnacht-Bräuche in Tirol: das Mullerlaufen mit über 600 Teilnehmern. Der Spiegeltuxer, Melcher und der Weiße stellen dabei den Frühling und Sommer dar, während der Zottler, Zaggler und der Flecker, die Bären und die Hexen den Winter verkörpern. Alle Figuren tragen einzigartige Holzmasken und sind speziell gekleidet, sie ziehen mit streng vorgegebenen Schritten und Tänzen durch die Straßen. Die werden von den Krametern freigemacht. Sie tragen ein Gewand aus Wacholderstauden, das mehr als 40 Kilogramm schwer ist, und machen mit einem Besen Platz für die Muller.
Ein paar Kilometer weiter nach Westen findet im Imst ebenfalls am 4. Februar die Buabefasnacht statt. Diese Fasnacht ist das Schemenlaufen der Jungen, das nur alle vier Jahre stattfindet (das nächste Mal 2020). Als Bären verkleidet, als Sackner, die das Publikum züchtigen und ebenfalls den Weg freimachen, Spritzer oder Roller und Scheller ziehen sie durch Imst. Die Larven, die getragen werden, sind so einzigartig wie die Verkleidungen und der ausgefallene Kopfschmuck. Fetzenfasching. Ausgesprochen bunt geht es auch beim Fetzenfasching im oberösterreichischen Ebensee zu (12. Februar). Der Brauch wird bereits seit 120 Jahren gelebt. Auf alte Kleider werden in mühevoller Arbeit viele bunte Fetzen genäht. Die Gesichter der Teilnehmer sind hinter kunstvoll geschnitzten Holzmasken versteckt. Der Fetzenfasching ist nur der Höhepunkt der Faschingsfeiern in dem Ort, die schon am Samstag mit einem Umzug der Kinder beginnen. Umso trauriger ist man dann am Mittwoch und symbolisiert das auf eine einzigartige Weise: Am Ufer des Traunsees wird eine etwa drei Meter große Puppe verbrannt, die den Fasching darstellen soll. Villacher Fasching. Die Faschingshochburg Österreichs ist natürlich – auch wenn man hier keine jahrhundertealten Traditionen pflegt – Villach. Am Faschingssamstag (10. Februar) ist die ganze Stadt närrisch: In den Geschäften und Lokalen sind die Mitarbeiter maskiert, auf den Straßen sieht man verkleidete Kärntner. Und beim Umzug am Nachmittag sind jedes Jahr etwa 150 verschiedene Gruppen mit mehr als 3000 Teilnehmern dabei.
Wer dann noch nicht genug hat, am Faschingsdienstag strahlt der ORF traditionell den „Villacher Fasching“aus. Ein Beweis dafür, dass eine Tradition nicht immer etwas Gutes sein muss.
Alle Figuren tragen einzigartige mühsam geschnitzte Holzmasken.
Der Opernball
steht vor der Tür – und wir dürfen nicht hinein. Dafür haben wir draußen Einzigartiges gefunden.