»The Disaster Artist«: Der Weg zur Kinokatastrophe
Schauspieler James Franco erzählt die Entstehungsgeschichte des »schlechtesten Films der Welt«. Ab Freitag im Kino.
Es ist nicht leicht, einen guten Film zu drehen. Aber damit ein wirklich, wirklich schlechter Film entsteht – ein Film, dessen Inkompetenz so eklatant ist, dass sie bloße Mangelhaftigkeit übersteigt und Gefilde erhabener Absurdität betritt – dafür braucht es eine einzigartige Vision. Etwa die eines ex- und egozentrischen Millionärs mit langer schwarzer Mähne, einem undefinierbaren Akzent und dem inbrünstigen Wunsch, Kinogeschichte zu schreiben. Es braucht den Mumm eines gestandenen Mannes, der sich Kraft blindwütiger Selbstüberschätzung zum Regisseur, Hauptdarsteller und Produzenten eines von ihm selbst verfassten Melodrams aufschwingt. Der alles unter Kontrolle haben will, aber von nichts eine Ahnung hat. Kurzum: Es braucht jemanden wie Tommy Wiseau.
Seit seiner Premiere im Jahr 2003 hat sich Wiseaus „The Room“zum Kultphänomen entwickelt. Vorführungen des Films sorgen (vor allem im englischsprachigen Raum) für ausverkaufte Säle, Fans verwandeln jedes Screening in ein ausgelassenes Ritual. Den Ruf als „schlechtester Film aller Zeiten“hat sich die Karambolage aus dadaistischen Dialogen, hyperkünstlichen Sets, männlichem Selbstmitleid und Wiseaus extraterrestrischer Leinwandpräsenz redlich verdient. Ihre Entstehungsgeschichte, kolportiert im Buch „The Disaster Artist“, ist kaum weniger unterhaltsam – aber auch eine tragische Parabel über Ehrgeiz und Außenseiter- tum. Fast schon ärgerlich, dass sich nun ausgerechnet jemand wie James Franco des Stoffes angenommen hat.
Der ist zwar nicht nur Schauspieler und arbeitswütiger Universal-Künstler, sondern stand schon bei über 15 Filmen hinter der Kamera (darunter zahlreiche Adaptionen anspruchsvoller US-Literatur). Viel schlauer scheint ihn die Erfahrung leider nicht gemacht zu haben: Sein „Disaster Artist“ist eine kurzweilige, aber unausgegorene Promenadenmischung aus Biopic, BuddyKomödie und Fan-Service für „Room“Enthusiasten, die nicht wirklich weiß, wie sie sich zu ihrer komplizierten Hauptfigur Wiseau verhalten soll.
Erzählt wird aus der Perspektive von Greg Sestero, „Room“-Darsteller und Ko-Autor der Buchvorlage. Francos Bruder Dave spielt ihn als schüchternen Jüngling, der in San Francisco von der großen Filmkarriere träumt. Als er in einer Schauspielklasse beobachtet, wie sich Wiseau im Michael-Jackson-Outfit durch eine Szene aus „Endstation Sehnsucht“outriert, imponiert ihm dessen zügelloses Selbstbewusstsein (dass James Franco den Sonderling selbst verkörpert, könnte man als ironischen Meta-Kommentar auf seine eigene künstlerische Laufbahn lesen).
Die beiden werden Freunde – und versuchen schließlich in Los Angeles Wie konnte es zu einem Film wie „The Room“(o.) kommen? James Franco (u. l. als Tommy Wiseau) rollt es auf. Das Ergebnis ist leider bei Weitem nicht so lustig wie sein Faszinationsobjekt. ihr Glück. Hier funktioniert der Film am besten, zehrt von den Ambivalenzen der Männerbeziehung und der Undurchsichtigkeit Wiseaus, der aus seiner Herkunft, seinem Alter und dem Ursprung seines Reichtums ein großes Geheimnis macht. Als Hollywood ihn ablehnt, reagiert er wie ein wohlstandsverwahrloster Teenager: Er kauft sich einfach seinen eigenen Film. Anekdotenschleuder. An dieser Stelle wechselt „The Disaster Artist“in den Modus der Anekdotenschleuder. Wiseaus Allüren (ein Privatklo mitten am Set), seine absurden Regie-Entscheidungen (penible Rekonstruktionen banaler Straßenkulissen), sein tyrannischer Umgang mit dem Team und natürlich viele Szenen aus „The Room“– all das wird pflichtschuldig nachgestellt. Fraglich, ob Zuschauer, die mit dem Bezugsmaterial nicht vertraut sind, daran Vergnügen finden werden.
Erst im letzten Drittel versucht der Film, seinem Anti-Helden Tiefe zu verleihen, zeigt die Verletzlichkeit des Ego-Bündels, als das Publikum bei der „Room“-Uraufführung lauthals zu johlen beginnt. Und als Tommy das Gelächter in Bestätigung umdeutet, trifft der Film sogar einen schmerzlichen Kern der narzisstischen Gegenwartskultur. Leider geht der Film danach noch weiter, in Richtung glatter, Oscartauglicher „Folge deinem Traum“-Botschaft. Sei’s drum: Nicht jeder Film kann so gut sein wie „The Room“.