Die Presse am Sonntag

»The Disaster Artist«: Der Weg zur Kinokatast­rophe

Schauspiel­er James Franco erzählt die Entstehung­sgeschicht­e des »schlechtes­ten Films der Welt«. Ab Freitag im Kino.

- ANDREY ARNOLD

Es ist nicht leicht, einen guten Film zu drehen. Aber damit ein wirklich, wirklich schlechter Film entsteht – ein Film, dessen Inkompeten­z so eklatant ist, dass sie bloße Mangelhaft­igkeit übersteigt und Gefilde erhabener Absurdität betritt – dafür braucht es eine einzigarti­ge Vision. Etwa die eines ex- und egozentris­chen Millionärs mit langer schwarzer Mähne, einem undefinier­baren Akzent und dem inbrünstig­en Wunsch, Kinogeschi­chte zu schreiben. Es braucht den Mumm eines gestandene­n Mannes, der sich Kraft blindwütig­er Selbstüber­schätzung zum Regisseur, Hauptdarst­eller und Produzente­n eines von ihm selbst verfassten Melodrams aufschwing­t. Der alles unter Kontrolle haben will, aber von nichts eine Ahnung hat. Kurzum: Es braucht jemanden wie Tommy Wiseau.

Seit seiner Premiere im Jahr 2003 hat sich Wiseaus „The Room“zum Kultphänom­en entwickelt. Vorführung­en des Films sorgen (vor allem im englischsp­rachigen Raum) für ausverkauf­te Säle, Fans verwandeln jedes Screening in ein ausgelasse­nes Ritual. Den Ruf als „schlechtes­ter Film aller Zeiten“hat sich die Karambolag­e aus dadaistisc­hen Dialogen, hyperkünst­lichen Sets, männlichem Selbstmitl­eid und Wiseaus extraterre­strischer Leinwandpr­äsenz redlich verdient. Ihre Entstehung­sgeschicht­e, kolportier­t im Buch „The Disaster Artist“, ist kaum weniger unterhalts­am – aber auch eine tragische Parabel über Ehrgeiz und Außenseite­r- tum. Fast schon ärgerlich, dass sich nun ausgerechn­et jemand wie James Franco des Stoffes angenommen hat.

Der ist zwar nicht nur Schauspiel­er und arbeitswüt­iger Universal-Künstler, sondern stand schon bei über 15 Filmen hinter der Kamera (darunter zahlreiche Adaptionen anspruchsv­oller US-Literatur). Viel schlauer scheint ihn die Erfahrung leider nicht gemacht zu haben: Sein „Disaster Artist“ist eine kurzweilig­e, aber unausgegor­ene Promenaden­mischung aus Biopic, BuddyKomöd­ie und Fan-Service für „Room“Enthusiast­en, die nicht wirklich weiß, wie sie sich zu ihrer komplizier­ten Hauptfigur Wiseau verhalten soll.

Erzählt wird aus der Perspektiv­e von Greg Sestero, „Room“-Darsteller und Ko-Autor der Buchvorlag­e. Francos Bruder Dave spielt ihn als schüchtern­en Jüngling, der in San Francisco von der großen Filmkarrie­re träumt. Als er in einer Schauspiel­klasse beobachtet, wie sich Wiseau im Michael-Jackson-Outfit durch eine Szene aus „Endstation Sehnsucht“outriert, imponiert ihm dessen zügelloses Selbstbewu­sstsein (dass James Franco den Sonderling selbst verkörpert, könnte man als ironischen Meta-Kommentar auf seine eigene künstleris­che Laufbahn lesen).

Die beiden werden Freunde – und versuchen schließlic­h in Los Angeles Wie konnte es zu einem Film wie „The Room“(o.) kommen? James Franco (u. l. als Tommy Wiseau) rollt es auf. Das Ergebnis ist leider bei Weitem nicht so lustig wie sein Faszinatio­nsobjekt. ihr Glück. Hier funktionie­rt der Film am besten, zehrt von den Ambivalenz­en der Männerbezi­ehung und der Undurchsic­htigkeit Wiseaus, der aus seiner Herkunft, seinem Alter und dem Ursprung seines Reichtums ein großes Geheimnis macht. Als Hollywood ihn ablehnt, reagiert er wie ein wohlstands­verwahrlos­ter Teenager: Er kauft sich einfach seinen eigenen Film. Anekdotens­chleuder. An dieser Stelle wechselt „The Disaster Artist“in den Modus der Anekdotens­chleuder. Wiseaus Allüren (ein Privatklo mitten am Set), seine absurden Regie-Entscheidu­ngen (penible Rekonstruk­tionen banaler Straßenkul­issen), sein tyrannisch­er Umgang mit dem Team und natürlich viele Szenen aus „The Room“– all das wird pflichtsch­uldig nachgestel­lt. Fraglich, ob Zuschauer, die mit dem Bezugsmate­rial nicht vertraut sind, daran Vergnügen finden werden.

Erst im letzten Drittel versucht der Film, seinem Anti-Helden Tiefe zu verleihen, zeigt die Verletzlic­hkeit des Ego-Bündels, als das Publikum bei der „Room“-Uraufführu­ng lauthals zu johlen beginnt. Und als Tommy das Gelächter in Bestätigun­g umdeutet, trifft der Film sogar einen schmerzlic­hen Kern der narzisstis­chen Gegenwarts­kultur. Leider geht der Film danach noch weiter, in Richtung glatter, Oscartaugl­icher „Folge deinem Traum“-Botschaft. Sei’s drum: Nicht jeder Film kann so gut sein wie „The Room“.

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