Niederösterreich liebt schräge Kampagnen
Die Landtagswahlen an diesem Sonntag sind eine g’mahte Wies’n für die ÖVP – oder? Im weiten Land um Wien scheinen die politischen Verhältnisse stabil zu sein. Eine Bewertung der Wahlplakate lässt jedoch auf einige Unruhe schließen.
Das Jahr eins nach Erwin Pröll als Landesvater ist noch gar nicht zu Ende, und schon muss sich seine Nachfolgerin in der ÖVP und an der Landesspitze, Johanna Mikl-Leitner, als erste Landesmutter von Niederösterreich, den Landtagswahlen stellen. Dass sie Landeshauptfrau bleiben wird, gilt zu 99,9 Prozent als sicher, aber weil es eine fast noch neue und derzeit recht verhaltensauffällige türkis-blaue Bundesregierung gibt, dieweil Rot und Grün ausschließlich mit sich selbst als Problem beschäftigt sind, ist sogar eine immerwährend g’mahte Wies’n wie die niederösterreichische von bundespolitischer Relevanz. Welche Landespartei kann die völlig neuen Verhältnisse in Bund und Land am besten nützen?
Die Wahlprognosen sind konstant fad. Es scheint ausgemacht zu sein, dass die ÖVP an diesem Sonntag mit einem Respektabstand von bis zu 20 Prozentpunkten vor der SPÖ liegen wird, und diese wiederum mit circa 26 Prozent ziemlich sicher mit wahrscheinlich etwas kleinerem Respektabstand vor der FPÖ. Neos und Grüne bleiben offenbar ephemere Erscheinungen. Viel spannender aber ist, wie die Parteien sich auf ihren Plakaten präsentiert haben und wie diese auf die Wähler wirken. Die „Niederösterreichischen Nachrichten“(„NÖN“) haben ihre Leser dazu online befragt: „Welche Kampagne spricht euch am meisten an?“, hieß es jovial, wie das im weiten Lande eben üblich ist, auf Du und Du. Ernsthafte Politik. Überraschend liegt in dieser Wertung die SPÖ auf dem ersten Platz. 27 Prozent der Leser schätzten die Clownerien des roten Spitzenkandidaten, Franz Schnabl. Der Slogan „Aus Spaß an ernsthafter Politik“, bei dem sich angeblich seriöse Leute lustige Pappbärte oder Brillen vors Gesicht halten, erregt also zumindest die größ- te Aufmerksamkeit. Da verblasst sogar die ÖVP, die auf ihren Plakaten weder in Türkis noch in Schwarz, sondern über gelbem Balken in blau-weißen Lettern und konsequenter Kleinschreibung das wesentliche Volksparteiprogramm wieder einmal verkündet: „unsere landeshauptfrau“. 20 Prozent der Leser der „NÖN“, die zu einer Reaktion bereit waren, fanden das toll.
Ernüchternd hingegen dürfte das Abschneiden von Udo Landbauer für die FPÖ sein: „Neue Kraft für UNSERE Heimat“verkündet der zum Skandalon gewordene Spitzenkandidat der Blauen. Seine Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt hat einen hetzerischen Text in ihrem NS-Liederbuch, der wohl auch gegen das Verbotsgesetz verstößt – Landbauer legte seine Mitgliedschaft bei der Germania „vorerst“zurück. Magere 8,2 Prozent mögen nun diese neue alte Kraft, die überraschend einen kräftigen Braunstich erhalten
Das wesentliche Programm der Volkspartei in einer Zeile: »unsere landeshauptfrau«.
hat. Landbauer suchte sich daraufhin mit „Jetzt erst recht!“einen seltsamen alten Slogan und tauchte vor dem Wahltag zudem offenbar ab. Den Gratisskikurs für Kinder, der am Freitag am Semmering geplant war, hat der Exskilehrer kurzfristig abgesagt. Rein oder raus? In der Online-Umfrage zu den Kampagnen zumindest liegen die Neos und die Grünen weit vor der FPÖ. Das Reinkommen oder Rausfliegen aber dürfte beide unbewusst beschäftigen: „Kontrolle rein. Packelei & Willkür raus“, fordern die Liberalen. Sie werden dafür von 17,8 Prozent der Leser geschätzt. „GIFT RAUS, BIO REIN. MAHLZEIT!“, versprechen die Grünen. 15,1 Prozent halten das für die ansprechendste Kampagne. Von solchen Traumwerten sind die beiden Parteien in den wirklichen Wahlumfragen meilenweit entfernt. Vier bis fünf Prozent scheinen realistisch zu sein. Wenn auch nicht zu 99,9 Prozent.