Glaubensfrage
RELIGION REFLEKTIERT – ÜBER LETZTE UND VORLETZTE DINGE
Papst Franziskus lässt über verheiratete Priester debattieren. Möglicherweise bedient er sich wieder eines »Tricks«, sie zu erlauben.
Für die einen ist er ein Reformpapst, der nicht reformiert. Für andere rüttelt er an bewährten Traditionen der katholischen Kirche, ja stellt er gar Weisungen Jesu Christi („. . . das darf der Mensch nicht trennen“, um das aktuellste Beispiel zu nennen) infrage. Zum bösen, bösen Wort Häretiker ist es nicht weit.
Papst Franziskus polarisiert auch gegen Ende seines fünften Jahres im Amt des Nachfolgers Petri. Polarisieren trifft wenig bis gar nicht auf die Menschen in und außerhalb der Kirche zu, wie erst dieser Tage wieder eine italienische Umfrage ergeben hat. Da wird ihm wesentlich mehr Vertrauen entgegengebracht als der Institution, an deren Spitze der Papst steht, der katholischen Kirche. Der Bischof von Rom, wie er sich gerne im Dimunitiv nennt, polarisiert aber noch immer (oder wieder, wer weiß das schon so genau) unter seinen Bischofskollegen, besonders an der vatikanischen Kurie, also der zentralen Leitungseinheit. Gerade deren Loyalität wäre für ein reibungsloses Ineinandergreifen der vielen Räder, die die fragile Maschinerie namens Weltkirche antreiben, aber unverzichtbar.
Einer der Loyalen, die den unter Johannes Paul und Benedikt oft gegen Kritiker in Stellung gebrachten Begriff Papsttreue auch in diesem Pontifikat leben, ist der hierzulande nur den wenigsten bekannte Kardinal Beniamino Stella. Papst Franziskus hat den Italiener an die Spitze der Kleruskongregation berufen. Profan gesagt ist der Posten mit einem Ministerium vergleichbar, das für Priester und Diakone zuständig ist. Stella hat sich nun beileibe nicht als erster Kardinal für eine Debatte über die Zulassung Verheirateter (Viri probati, bewährter Männer) zur Priesterweihe ausgesprochen – aber er ist der ressortmäßig Kompetente. Der Mann in Purpur hat dies betont vorsichtig getan, die von ihm befürwortete Debatte darüber gibt es schon seit Jahrzehnten, ob das allen Kardinälen passt oder nicht, und außerdem schränkt er auf Situationen pastoralen Notstandes ein, wie er sich ausdrückt. Dazu gehört zunächst eher nicht, dass eine Kleinstpfarre im Waldviertel scheitert, einen Priester für die regelmäßige Sonntagsmesse im Ort aufzutreiben.
Wirklich bedrückend, für manche skandalös ist die Situation in anderen Gegenden wie dem Amazonasgebiet. Dort kommt die Gemeinde, wenn es gut geht, ein Mal im Jahr in den Genuss der Anwesenheit eines leibhaftigen Priesters. Wie sich die Gruppen sonst organisieren und Seelsorge betreiben, will das weit entfernte Rom gar nicht genau wissen. Nun gut, der Südamerikaner Franziskus weiß es natürlich. Er kennt den Wildwuchs. Wohl deshalb ruft der Papst für das nächste Jahr die Bischöfe zu Herausforderungen in genau dieser Weltgegend nach Rom. Dass die Viri probati bei den Beratungen gar keine Rolle spielen werden, ist auszuschließen. Vielleicht werden sie ja in einer Fußnote erlaubt – ob das Waldviertel davon profitieren mag oder nicht.